BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5043 21. Wahlperiode 05.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 28.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Beten in Hamburger Schulen – Wird der Schulfrieden gewahrt? Schüler und Eltern von verschiedenen Hamburger Schulen haben uns darauf hingewiesen, dass streng gläubige muslimische Schüler Räumlichkeiten der Schulen zum Verrichten von Gebeten nach islamischem Ritus nutzen – teilweise in den Pausen, teilweise sogar während des Unterrichts. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.11.2011 berechtigt die Glaubensfreiheit des Schülers aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG ihn grundsätzlich, während des Besuchs der Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein Gebet zu verrichten. Diese Berechtigung findet ihre Schranken in der Wahrung des Schulfriedens.1 Im Einzelfall kann der Schulfrieden durch das Verrichten von Gebeten gestört sein. Das Bundesverwaltungsgericht führt in seinem Urteil dazu aus: „Der Schulfrieden kann beeinträchtigt werden, wenn ein religiös motiviertes Verhalten eines Schülers religiöse Konflikte in der Schule hervorruft oder verschärft. Nach den tatsächlichen Feststellungen (…) waren an der vom Kläger besuchten Schule zwischen muslimischen Schülerinnen und Schülern teilweise sehr heftig Konflikte wegen des Vorwurfs ausgetragen worden, nicht den Verhaltensregeln gefolgt zu sein, die sich aus einer bestimmten Auslegung des Korans ergäben. Ebenfalls nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts würde sich diese ohnehin bestehende Konfliktlage verschärfen, wenn die Ausübung religiöser Riten auf dem Schulgelände gestattet wäre und deutlich an Präsenz gewönne (…). Die Einrichtung eines eigenen Raums zur Verrichtung des Gebets würde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die organisatorischen Möglichkeiten der Schule sprengen.“2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie ist das Verrichten von Gebeten an Hamburger Schulen grundsätzlich geregelt? Bitte alle diesbezüglichen landesspezifischen Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Empfehlungen oder Handreichungen angeben . Die Glaubensfreiheit von Schülerinnen und Schülern aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 Grundgesetz (GG) berechtigt sie grundsätzlich, während des Besuchs der Schule 1 Bundesverwaltungsgericht, Aktenzeichen: BVerwG 6 C 20.10. 2 Ebenda. Drucksache 21/5043 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 außerhalb der Unterrichtszeit ein Gebet zu verrichten (siehe Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes BVerwG 6 C 20.10 vom 30.11.2011). Es besteht dabei kein Rechtsanspruch von einzelnen Schülerinnen oder Schülern beziehungsweise Schülergruppen auf besondere Vorkehrungen zum Gebet wie zum Beispiel Unterrichtsbefreiungen oder Zugang zu Räumen. Die Berechtigung zum Gebet findet ihre Schranke in der Wahrung des Schulfriedens und der negativen Bekenntnisfreiheit der übrigen Schülerschaft, wenn beispielsweise eine Schülergruppe demonstrativ oder öffentlich beten möchte und so die weltanschauliche Neutralität der Schule missachtet. Die Publikation des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) „Vielfalt in der Schule“ bietet Unterstützung und diesbezügliche Empfehlungen für die Schulen (siehe http://li.hamburg.de/contentblob/2819048/data/pdf-vielfalt-in-derschulehandbuch -fuer-lehrkraefte-2015.pdf). 2. Inwieweit wird das Verrichten von Gebeten zusätzlich in den Hausordnungen der Hamburger Schulen geregelt? Bitte stichprobenartig mehrere Schulen abfragen und die Regelungen erläutern (differenziert nach unterschiedlichen Schulformen und nach bestimmten Schulen in Stadtteilen mit einem hohen beziehungsweise einem niedrigen Anteil an muslimischen Schülern oder Schülern anderer Glaubensrichtungen). Aus Sicht der zuständigen Behörde liefert eine stichprobenartige Schulabfrage keine belastbaren Erkenntnisse, da die Repräsentativität der ausgewählten Schulen nicht sichergestellt werden könnte. Die unter 1. genannten Regelungen zum Verrichten von Gebeten können bei entsprechendem Bedarf auch über die Hausordnung einer Schule geregelt werden. Hierbei müssen die in der Antwort zu 1. beschriebenen rechtlichen Voraussetzungen beachtet werden. Die zuständige Behörde bietet den Schulen bei Bedarf eine entsprechende Beratung an. 3. Werden Schülern an Hamburger Schulen Räume zur Verfügung gestellt, um ihre Gebete zu verrichten? Bitte stichprobenartig abfragen. Wenn ja, für welche Mitglieder welcher Glaubensgemeinschaft werden die Räume zur Verfügung gestellt? Bitte auch angeben, ob die Räume vorübergehend zum Beten genutzt werden oder dauerhaft als Gebetsräume fungieren. Der für Bildung zuständigen Behörde sind keine Schulen bekannt, die separate Gebetsräume eingerichtet haben. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. und 2. 4. Sind dem Senat aus den letzten fünf Jahren Fälle und Beschwerden bekannt, in denen es wegen der Verrichtung von Gebeten in Hamburger Schulen zu einer Störung des Schulfriedens kam? Wenn ja, bitte genauer den Grund der Störungen erläutern. Beschwerden zur Störung des Schulfriedens aufgrund der Verrichtung von Gebeten sind bei der für Bildung zuständigen Behörde im genannten Zeitraum nicht eingegangen . 5. Eltern und Schüler berichten, dass in Hamburger Schulen Muslime auch während des Unterrichts ihre Gebete verrichten und dazu auch den Unterrichtsraum verlassen. Die Handlungen werden von den Lehrkräften teilweise bewusst ignoriert und geduldet oder sie bekommen diese Handlungen nicht mit (zum Beispiel stilles Entfernen aus dem Unterrichtsraum während einer Gruppenarbeitsphase oder Entfernen aus der Sporthalle während des Sportunterrichts). a. Wie stellt der Senat sicher, dass das Verrichten von Gebeten während des Unterrichts verhindert wird? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5043 3 Auf die unter der Antwort zu 1. genannten Regelungen wird regelmäßig auf Schulleiterdienstbesprechungen sowie in Beratungsgesprächen und Fortbildungsveranstaltungen hingewiesen. b. Welche Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen sind gegen Schüler vorgesehen, die während des Unterrichts ihre Gebete verrichten und dazu auch den Unterrichtsraum verlassen? Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen bei Schulpflichtverletzungen werden nach § 49 des Hamburgischen Schulgesetzes durchgeführt. In der Handreichung „Schulpflichtverletzung – Umgang und Verfahren“ der für Bildung zuständigen Behörde werden Regelungen zur Schul- und Anwesenheitspflicht der Schülerinnen und Schüler verdeutlicht. Schulversäumnisse sind zu dokumentieren und unentschuldigte Fehlzeiten der zuständigen Klassenlehrkraft umgehend mitzuteilen. Neben normenverdeutlichenden Gesprächen werden die Sorgeberechtigten über die Schulpflichtverletzungen informiert. Weitere Maßnahmen werden schülerbezogen auf Basis der schulischen Regelungen getroffen. c. Welche Maßnahmen sind gegen Lehrkräfte vorgesehen, die das Verrichten von Gebeten während des Unterrichts dulden? Sollten Lehrkräfte die Verletzung der Schulpflicht bewusst zulassen, führen die Schulleitungen als Dienstvorgesetzte entsprechende normenverdeutlichende Gespräche. Bei etwaigen Handlungsunsicherheiten können Beratungs- und Fortbildungsangebote des LI herangezogen werden. 6. Sind dem Senat in den vergangenen drei Jahren Fälle von Beleidigungen oder Schmähungen durch muslimische Schüler bekannt, in denen diese gegenüber anderen muslimischen oder nicht muslimischen Schülern das Nicht-Beten oder das Beten ohne Einhaltung der Regeln des islamischen Ritus bemängelten? Wenn ja, bitte quantifizieren und genauer erläutern. Vorfälle, die sich im Bereich der Beleidigungen oder Schmähungen bewegen, werden von der für Bildung zuständigen Behörde nicht erhoben. 7. Sind dem Senat in den vergangenen drei Jahren Fälle von Missionierungsversuchen in der Schule durch Schüler muslimischen Glaubens gegenüber nicht muslimischen Schülern bekannt? Wenn ja, bitte quantifizieren und genauer erläutern. Der für Bildung zuständigen Behörde sind in der laufenden Beratungspraxis keine derartigen Fälle bekannt.