BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5095 21. Wahlperiode 08.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 30.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Führt die Inklusion von Rot-Grün zu einem Aussetzen der Schulpflicht? Vor einigen Tagen wurde über einen Hamburger Jungen berichtet, der als nicht beschulbar gilt („Warum Max nicht in die Schule darf“, in: „Hamburger Abendblatt“ vom 4. Juni 2016). In § 12 (5) HmbSG ist geregelt, dass Schüler, „die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Erkrankung auf längere Zeit oder auf Dauer keine Schule besuchen können, (…) im Haus- und Krankenhausunterricht schulisch betreut (werden).“ In Nordrhein-Westfalen hat die ebenfalls von einer rot-grünen Landesregierung zu verantwortende Inklusion dazu geführt, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen drastisch zugenommen hat, die nicht beschult werden können und daher de facto von der Schulpflicht befreit werden. Dort regelt § 40 (2) des NRW-Schulgesetzes, dass für Kinder und Jugendliche die Schulpflicht ruht, die nach Ausschöpfen aller Möglichkeiten sonderpädagogischer Förderung nicht gefördert werden können (Drucksache Landtag NRW: 16/8603). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Kinder nehmen seit dem Schuljahr 2010/2011 nach § 12 (5) HmbSG aufgrund einer Erkrankung „auf längere Zeit oder auf Dauer“ nicht am Unterricht in einer Schule teil? Bitte nach Schulhalbjahren aufschlüsseln . 2. Wie viele dieser Kinder erhalten den vorgesehenen Haus- und Krankenhausunterricht ? Erkrankte Schülerinnen und Schüler nehmen von Sorgeberechtigten entschuldigt oder ärztlicherseits verordnet nicht am Unterricht teil. Sie werden von der jeweiligen Stammschule erfasst, nicht jedoch zentral durch die zuständige Behörde. Sind Schülerinnen oder Schüler längere Zeit oder auf Dauer erkrankt, können die Sorgeberechtigten einen Antrag auf Beschulung durch das Bildungs- und Beratungszentrum Pädagogik bei Krankheit/Autismus (BBZ; ehemals: Haus- und Krankenhausunterricht HuK) stellen. In Einzelfällen, zum Beispiel bei schwer beziehungsweise länger erkrankten Schülerinnen und Schülern, kann es zu verzögerter Antragstellung kommen. Zur Zahl der temporär durch das BBZ unterrichtlich versorgten Schülerinnen und Schüler siehe nachfolgende Tabelle: Schuljahr Zahl der temporär durch das BBZ unterrichteten Schülerinnen und Schüler 2010/11 1.546 2011/12 1.670 2012/13 1.925 2013/14 1.893 Drucksache 21/5095 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Schuljahr Zahl der temporär durch das BBZ unterrichteten Schülerinnen und Schüler 2014/15 1.945 2015/16 2.035* Quelle: BBZ-interne Daten; *Stand: 01.07.2016 3. Wie viele Kinder und Jugendliche nehmen derzeit weder am regulären Schulunterricht noch nach § 12 (5) HmbSG an einem Haus- oder Krankenhausunterricht teil und werden also überhaupt nicht oder anderweitig beschult? 4. Welche gesetzliche Grundlage gibt es dafür in Hamburg? 5. Welche weiteren rechtlichen Möglichkeiten für die Befreiung vom Schulunterricht oder vom Unterricht in einer Schule gibt es grundsätzlich? 6. In welchem Umfang werden diese gewährt? Bitte die Fallzahlen für die Schulhalbjahre seit 2010/2011 angeben. Wenn Schülerinnen und Schüler aus gesundheitlichen Gründen nachweislich nicht in der Lage sind, am Unterricht teilzunehmen, ruht ihre Schulpflicht. Insoweit geht das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Schülerin beziehungsweise des Schülers, Artikel 2 Grundgesetz, dem staatlichen Anspruch auf Schulbesuch, Artikel 7 Grundgesetz , vor. Wegen der unterschiedlichen Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten ist nicht für alle Schülerinnen und Schüler ein ersetzendes Angebot erforderlich. Aufgrund des Aufenthaltsorts und der Schwere der Beeinträchtigung kann ein solches Angebot auch nicht für alle Schülerinnen und Schülern organisiert werden. Befreiungstatbestände für andere als krankheitsbedingte Lebenslagen finden sich in § 28 Absatz 3 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG), § 39 HmbSG und in § 40 HmbSG. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die aus den genannten Gründen nicht am Unterricht teilnehmen, ändert sich täglich und wird nicht statistisch erhoben. 7. Gibt es in Hamburg grundsätzlich die Möglichkeit, dass die Schulpflicht im Rahmen der Inklusion ausgesetzt wird, so wie es § 40 (2) des Schulgesetzes von NRW vorsieht? Nein. 8. Können Kinder und Jugendliche, die nach Ausschöpfung aller sonderpädagogischen Fördermöglichkeiten nicht in einer Regelschule beschulbar sind, zwangsweise auf eine Förderschule umgeschult werden? Oder besteht hier nur die Option der temporären Lerngruppen wie im Falle des eingangs genannten Hamburger Jungen? Nein. Die Wahl der Schulform obliegt nach § 42 Absatz 3 HmbSG der Entscheidung der Sorgeberechtigten. Eine Umschulung in eine Sonderschule oder in ein ReBBZ ist nur im Einvernehmen mit den Sorgeberechtigten möglich. Das Verfahren zur Aufnahme einer Schülerin/eines Schülers in eine temporären Lerngruppe ist in der Rahmenvereinbarung „Regionale Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe für die Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit besonders herausforderndem Verhalten“ (siehe: http://www.hamburg.de/contentblob/ 4420034/aca10850f6fe89a580017eeea24a25dd/data/rahmenvereinbarung.pdf geregelt . 9. Wie ist dieser Haus- und Krankenhausunterricht konkret organisiert? Handelt es sich um Einzelunterricht oder auch um Gruppenunterricht? Wer führt diesen Unterricht durch? Welche Inhalte werden dabei vermittelt (Bildungspläne)? Das BBZ ist eine Dienststelle der Behörde für Schule und Berufsbildung mit den Abteilungen Klinikschulen, Mobiler Unterricht, Beratungsstelle Pädagogik bei Krankheit und Beratungsstelle Autismus. Das Personal im BBZ setzt sich zusammen aus Pädagoginnen und Pädagogen diverser Schulformen und Fachrichtungen, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Erzieherinnen und Erziehern, einer Psychologin sowie Verwaltungskräften. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5095 3 Durch das BBZ betreute Schülerinnen und Schüler erhalten Unterricht nach Maßgabe der Bildungspläne der Schulform, die sie vor ihrer Erkrankung besucht haben. Umfang, Inhalt und Gestaltung des Unterrichts, der als Einzel- oder als Gruppenunterricht gestaltet sein kann, sind vom Gesundheitszustand der Schülerin/des Schülers und der Anzahl der zu betreuenden Schülerinnen und Schüler insgesamt abhängig.