BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5202 21. Wahlperiode 15.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 08.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Entlassung eines Kinderschänders – Neuausrichtung der Sicherungsverwahrung in der JVA Fuhlsbüttel unter neuer Leitung Nachdem der Kinderschänder Thomas B. aufgrund einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 26. April 2016 wegen Nichterfüllung von Auflagen durch die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden musste, stellte der Senator am 5. Juli 2016 ausgewählten Medienvertretern gegenüber seinen im Justizausschuss angekündigten Ermittlungsbericht vor. Die Ermittlungen kamen zu dem Ergebnis, dass nicht das Fehlverhalten Einzelner zu der Entlassung von Thomas B. geführt habe, sondern die Wende, die sich 2013 in der Gesetzgebung vollzogen hat, in der Praxis nicht in erforderlichem Maße umgesetzt wurde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass selbst der Ermittlungsbericht die Feststellung trifft (Seite 21 unter 5.1), dass „die JVA nie ernstlich mit der Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung gerechnet hatte, zumal die Sicherheitsbedenken, die sich auf der Gefährlichkeitsprognose des Gutachtens des Münchner Psychologen gründeten, einer Freilassung entgegen zu stehen schienen.“ Insbesondere vor dem Hintergrund der vorherigen zu § 67d Absatz 2 S. 2 StGB ergangenen Entscheidungen der Hamburger Strafvollstreckungskammern , in denen die Große Strafkammer 5 im Beschluss vom 6. August 2013 unter anderem betont hatte, dass die Gefährlichkeitsprognose aufrechterhalten bleibe und das OLG die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 9. Oktober 2013 aufgrund der hohen Gefährlichkeitsprognose zurückwies, ist dies auch durchaus nachvollziehbar. Dennoch hat der Senator personelle Entscheidungen ausschließlich in der JVA Fuhlsbüttel getroffen. Auch wenn es anlässlich der aktuellen Rechtsprechung zwingend erforderlich ist, einen neuen Blick auf die Sicherungsverwahrung zu werfen, stellt sich die Frage, weshalb dies nach Ansicht des Justizsenators nicht durch die erfahrenen Mitarbeiter vor Ort geschehen soll. Anstatt dieses Projekt in die Hände des hochqualifizierten und gerade im Strafvollzug anerkannten Anstaltsleiters zu geben, wird die Stelle der Anstaltsleitung nun zum 1. September 2016 bundesweit ausgeschrieben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Drucksache 21/5202 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wann wurde von wem aus welchen Gründen entschieden, dass die Abordnung des jetzigen Anstaltsleiters nicht über den 31. August 2016 hinaus verlängert wird? Die Entscheidung, die Stelle nach Ende der bis zum 31. August befristeten Abordnung des Anstaltsleiters bundesweit auszuschreiben, hat der Präses der zuständigen Behörde nach Vorlage des Ermittlungsberichts zur Entlassung eines Sicherungsverwahrten im Jahr 20161 am 4. Juli 2016 getroffen. Aufgrund der Ergebnisse des Untersuchungsberichts wird eine Neuausrichtung der Sicherungsverwahrung in der JVA Fuhlsbüttel für erforderlich gehalten. Die Erstellung und Umsetzung eines neuen Konzepts wird maßgeblich in der Hand der Anstaltsleitung liegen. 2. Wann wurde von wem aus welchen Gründen entschieden, die Stelle der Anstaltsleitung der JVA Fuhlsbüttel bundesweit auszuschreiben? Die bundesweite Ausschreibung von Anstaltsleiterpositionen der Besoldungsstufe A 16 entspricht dem üblichen Vorgehen, um ein breites Bewerberfeld und auch Expertinnen und Experten aus anderen Ländern anzusprechen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. a. Wann wird die Ausschreibung veröffentlicht und wann ist der Bewerbungsschluss vorgesehen? Die Ausschreibung wird aktuell vorbereitet und erfolgt durch das Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg. b. Welche fachlichen und persönlichen Anforderungen werden beim künftigen Stelleninhaber vorausgesetzt? Inwiefern ist insbesondere einschlägige Berufserfahrung im Bereich der Sicherungsverwahrung erforderlich? Zu den Kernaufgaben der Anstaltsleitung gehören: - Vertretung der Anstalt nach außen, insbesondere gegenüber der Amts- und Behördenleitung sowie Gerichten und sonstigen Dienststellen und Institutionen, - regelmäßige Weiterentwicklung von Behandlungskonzepten, insbesondere für den Regelvollzug und die Sicherungsverwahrung, - Leitung und Koordination des Dienstbetriebs der Anstalt, - Gewährleistung von Standards für die Aufgabenerfüllung der Anstalt, - Steuerung von Personal- und Sachmitteln zur Aufgabenerfüllung, - Weiterentwicklung der Organisation, der Strukturen und der vollzuglichen Arbeit in der Anstalt, - Erlass von Anstaltsverfügungen, - Entwicklung, Steuerung und Koordination konzeptioneller Angelegenheiten der Anstalt sowie Vertretung der Anstalt in Arbeits- und Projektgruppen der Abteilung Justizvollzug, - Zeichnung der befürwortenden Stellungnahmen für eine vorzeitige Entlassung, zu Gnadenanträgen oder Strafunterbrechungen bei Risikogewalttätern, - Entscheidungen über die Gewährung von Lockerungen oder Verlegungen in den offenen Vollzug bei Risikogewalttätern und bei Sicherungsverwahrten. In fachlicher Hinsicht werden erwartet: - Zweites Juristisches Staatsexamen nach abgeschlossenem Studium der Rechtswissenschaften und die Befähigung für die Laufbahngruppe 2 mit Zugang zum zweiten Einstiegsamt in der Fachrichtung Allgemeine Dienste, 1 Der Ermittlungsbericht ist abrufbar unter http://www.hamburg.de/contentblob/6498418/ 6caa8f03368f0dbf39bc98735dab80c4/data/ermittlungsbericht.pdf. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5202 3 - Interesse an komplexen Steuerungsaufgaben und den damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten , - fundierte rechtliche Fachkenntnisse insbesondere im Vollzugsrecht, Strafprozessrecht und Strafrecht, - Kenntnisse im Verwaltungsrecht sowie Beamten- und Tarifrecht oder die Bereitschaft , sich in diese Rechtsgebiete schnell und umfassend einzuarbeiten, - praktische Berufserfahrungen im Justizvollzug, in der öffentlichen Verwaltung sowie ausgeprägte Erfahrungen bei der Steuerung großer und komplexer Personalkörper . - idealerweise Kenntnisse im Bereich Gesundheitsmanagement. Zu den persönlichen Kompetenzen sollten gehören: - sicheres Urteilsvermögen und eine gut ausgeprägte Problemlösefähigkeit, - Selbstreflexion, - Selbstständigkeit und Initiative, - ein sicheres Entscheidungsverhalten, - ein wertschätzender Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und anderen Personen, - ein ausgeprägtes Führungsverständnis, - ein professionelles Konfliktverhalten, - die Bereitschaft, Verantwortung für den gesamten Vollzug der JVA Fuhlsbüttel zu übernehmen und die Aufgabenbereiche prozess- und ergebnisorientiert zu steuern . 3. Wann wurde von wem aus welchen Gründen entschieden, eine eigene Vollzugsleitung für die Abteilung für Sicherungsverwahrte einzurichten? Die Entscheidung zur Schaffung einer eigenen Vollzugsleitung für die Abteilung für Sicherungsverwahrte hat der Präses der zuständigen Behörde nach Vorlage des Ermittlungsberichts zur Entlassung eines Sicherungsverwahrten im Jahr 2016 am 4. Juli 2016 getroffen. Dies soll die Neuausrichtung der Sicherungsverwahrung in Abgrenzung zum Strafvollzug fördern. 4. Wann wurden die betroffenen Mitarbeiter jeweils von wem darüber in Kenntnis gesetzt? Die Staatsrätin der zuständigen Behörde hat den Anstaltsleiter der JVA Fuhlsbüttel am 4. Juli 2016 über die Entscheidung zur Ausschreibung der Stelle der Anstaltsleitung und die Schaffung einer eigenständigen Vollzugsleitung für die Abteilung für Sicherungsverwahrte informiert. Im Vorfeld hatte es Gespräche mit den einzelnen Mitarbeitern gegeben. 5. Welche Planungen bestehen hinsichtlich der angekündigten therapeutischen Zusammenarbeit mit der Asklepios Klinik Nord? Wann haben bereits zwischen welchen Stellen Gespräche zu jeweils welchem Thema darüber stattgefunden? Sicherungsverwahrte, bei denen eine externe Therapie vorgesehen ist, sollen künftig grundsätzlich auch von Therapeuten der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Asklepios Klinik Nord behandelt werden können, wenn alle Beteiligten dem zustimmen. Die Therapien sollen im offenen Bereich der Klinik durchgeführt und mit den nebenamtlich tätigen Therapeuten direkt abgerechnet werden. Durch das Angebot wird der Kreis qualifizierter externer Therapeuten vergrößert und die Durchführung externer Therapien in diesen Fällen vereinfacht. Ein erster schriftlicher Kontakt zu dem Vorhaben hat am 20. Mai 2016 zwischen dem Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie und der Aufsichtsabteilung der für die Sicherungsverwahrung zuständigen Behörde stattgefunden. Wei- Drucksache 21/5202 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 tere Einzelheiten wurden zwischen dem Chefarzt und der Aufsichtsabteilung am 29. Juni 2016 besprochen. Darüber hinaus sollen künftig in der Abteilung für Sicherungsverwahrte der JVA Fuhlsbüttel regelmäßige Fallbesprechungen unter Beteiligung der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie durchgeführt werden. Die Durchführung gemeinsamer Fallkonferenzen in der JVA wurde am 29. Juni 2016 zwischen der Aufsichtsabteilung der zuständigen Behörde und dem Chefarzt der Forensik besprochen.