BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5213 21. Wahlperiode 19.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 11.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Berlin macht’s vor: Sozialwohnungen nur für Berechtigte – Freistellungsgebiete abgeschafft! Ende 2015 gab es in Hamburg noch 88.535 gebundene Sozialwohnungen, bekanntlich eine viel zu geringe Zahl, um die rund 350.000 (= 38 Prozent) der Hamburger Haushalte zu befriedigen, die aufgrund ihres geringen Einkommens Anspruch auf eine solche öffentlich geförderte Wohnung hätten. Umso mehr rücken diejenigen Sozialwohnungen in den Fokus der öffentlichen Kritik , die der Gruppe der gering verdienenden Haushalte unter Umständen auch noch vorenthalten werden. Ende 2015 fielen von den 88.535 gebundenen Sozialwohnungen genau 16.527 in ein sogenanntes Freistellungsgebiet, das heißt, dass diese auch von Haushalten mit höherem Einkommen (an)gemietet werden konnten. Berlin macht nun vor, dass es unter der obwaltenden Wohnungsnot, vor allem im Hinblick auf den dramatischen Mangel an preiswertem Wohnraum, auch anders geht. Der § 30, Absatz 2 des Berliner „Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung“ („Freistellungen können für bestimmte Wohnungen, für Wohnungen bestimmter Art oder für Wohnungen bestimmter Gebiete erteilt werden.“) ist laut Mitteilung des Berliner Senats vom 2. Februar 2016 durch das „Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin“ zum Jahresbeginn 2016 außer Kraft gesetzt worden, „großflächige Freistellungen“ sind seitdem nicht mehr möglich. Das Ende Juni 2016 geschlossene Bündnis „Für eine neue soziale Wohnungspolitik in Hamburg“ hat in seiner Presseerklärung vom 29. Juni 2016 folgende Rechnung aufgemacht: „Eine Aufhebung der Freistellungsgebiete in Mümmelmannsberg, Neuallermöhe-West, Steilshoop und Wilhelmsburg würde pro Jahr im Rahmen der normalen Fluktuation etwa 600 gebundene Wohnungen zum Bezug für anerkannt vordringlich Wohnungssuchende frei machen. Die Zahl der zur Belegung freiwerdenden einfachen Sozialwohnungen ist etwa noch einmal so groß.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Gebietsfreistellungen gibt es zurzeit? a. Seit wann gibt es sie? Siehe Drs. 20/10649. b. Wann sind sie zuletzt bis zu welchem Zeitpunkt verlängert worden? Die Gebietsfreistellungen für Mümmelmannsberg, Neuallermöhe-West und Steilshoop wurden mit Freistellungsverfügung vom 30. November 2015 („Amtlichen Anzeiger“ Drucksache 21/5213 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Nummer 95 vom 4. Dezember 2015) und die Freistellung für Wilhelmsburg mit Freistellungsverfügung vom 21. Juni 2007 („Amtlichen Anzeiger“ Nummer 51 vom 29. Juni 2007) bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. c. Wie viele Wohneinheiten fallen jeweils in diese Freistellungsgebiete ? Freistellungsgebiet Anzahl Sozialwohnungen Wilhelmsburg 5.543 Steilshoop 2.784 Mümmelmannsberg 4.686 Neuallermöhe-West 2.566 Summe 15.579 Quelle: Hamburgische Investitions- und Förderbank, Stand: 01.Januar 2016 d. Wie viele Wohneinheiten in diesen Freistellungsgebieten werden aktuell jeweils von Haushalten mit höherem (über den Einkommensgrenzen liegenden) Einkommen gemietet? Statistisch erfasst werden die jährlich in den Freistellungsgebieten erfolgten Neuvermietungen von Sozialwohnungen an Sozialwohnungsberechtigte und Einkommensüberschreiter : Berechtigte Eink.- überschr. Berechtigte Eink.- überschr. Berechtigte Eink.- überschr. Berechtigte Eink.- überschr. 2014 135 133 63 105 33 39 387 431 2015 95 101 44 93 50 47 319 331 Jahr Mümmelmannsberg Neuallermöhe-West Steilshoop Wilhelmsburg Im Übrigen liegen die entsprechenden Daten nicht vor, da nach Abschluss des Mietvertrags keine regelmäßigen Einkommensüberprüfungen erfolgen. e. Welche weiteren Gebietsfreistellungen sind geplant? Keine. 2. Hat der Senat Kenntnis von der Abschaffung der Freistellungsgebiete in Berlin zum 1. Januar 2016? Wenn ja, wie bewertet er diese Veränderung? Ja. Entscheidungen über Gebietsfreistellungen müssen sich jeweils an den regionalen Gegebenheiten vor Ort, zum Beispiel der Struktur des jeweiligen Wohnungsmarkts, orientieren. Im Übrigen sieht der Senat davon ab, die Entscheidungen anderer Länder zu bewerten. 3. Hat der Senat Pläne für die Abschaffung der Freistellungsgebiete auch in Hamburg? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt? Wenn nein, warum nicht? Nein. Siehe Drs. 21/4569. 4. Wie bewertet der Senat die Daten des „Bündnis für eine neue soziale Wohnungspolitik“ in Hamburg, nach denen infolge einer Abschaffung der Freistellungsgebiete rund 600 Wohneinheiten für anerkannt vordringlich Wohnungssuchende und ebenso viele einfache Sozialwohnungen zusätzlich zur Verfügung ständen? Der Senat nimmt zu Meinungsäußerungen Dritter keine Stellung. 5. Gibt es im Senat Überlegungen, weitere Neuregelungen im Berliner Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5213 3 Berlin (WoVG Bln) vom 24. November 2015 für Hamburg zu prüfen oder zu übernehmen (bitte 5. a. – 5. d. einzeln beantworten)? a. Wird an eine Kappung der Sozialmieten bei 30 Prozent des Nettoeinkommens gedacht? Wenn nein, warum nicht? Die Mieten im Hamburger Sozialwohnungsbestand sind für Haushalte mit einem Einkommen innerhalb der gesetzlichen Einkommensgrenzen des § 8 Hamburgisches Wohnraumförderungsgesetz (HmbWoFG) grundsätzlich angemessen. Darüber hinaus können alle Haushalte, die nur über sehr niedrige Einkommen verfügen, zusätzlich Leistungen nach § 22 SGB II beziehungsweise Leistungen nach dem Wohngeldgesetz erhalten. Ein Bedarf für weitere wohnungsbezogene Transferleistungen besteht daher nicht. b. Wird an eine gesetzliche Verankerung der sozialen Ausrichtung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft (also der SAGA GWG) gedacht? Wenn nein, warum nicht? Hamburg verfügt mit SAGA GWG über ein leistungsfähiges Wohnungsunternehmen mit rund 130.000 Wohnungen, das seit Jahrzehnten insbesondere für Haushalte mit niedrigeren Einkommen bezahlbaren Wohnraum bietet. Die soziale Ausrichtung des Unternehmens ist insoweit bereits gelebte Praxis und bedarf keiner zusätzlichen gesetzlichen Verankerung. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. c. c. Wird daran gedacht, mindestens 55 Prozent der frei werdenden Wohnungen bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft an Personen mit besonders niedrigen Einkommen zu vermieten? Wenn nein, warum nicht? Nein. Die zuständige Behörde hat Anfang 2016 eine Zusatzvereinbarung mit SAGA GWG zum Kooperationsvertrag abgeschlossen und die Versorgungsverpflichtung des Wohnungsunternehmens um 300 auf nunmehr 2.000 vordringlich wohnungsuchende Haushalte, davon 1.000 wohnungslose Haushalte, erhöht. Mit 2.000 zu versorgenden vordringlich wohnungsuchenden Haushalten ist SAGA GWG verpflichtet, rund 22 Prozent ihrer rund 9.000 jährlich neu vermieteten Wohnungen an vordringlich wohnungsuchende Haushalte zu vergeben. Damit erbringt SAGA GWG eine wichtige Versorgungsleistung in Bezug auf vordringlich Wohnungsuchende. SAGA GWG hat überdies in den letzten Jahren ihre Versorgungsverpflichtungen regelmäßig übertroffen und jeweils mehr Haushalte als vereinbart in Wohnraum integriert . Im Übrigen bedient SAGA GWG Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen , die häufig keine Transferleistungen erhalten, aber dennoch auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. d. Wird daran gedacht, demokratisch gewählte Mieterräte/-innen (bei der SAGA GWG) einzuführen? Wenn nein, warum nicht? Nein. SAGA GWG verfügt über ein dezentral organisiertes Geschäftsstellennetz im gesamten Stadtgebiet, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich seit vielen Jahren aktiv in der Quartiers- und Stadtteilentwicklung engagieren und in allen relevanten Stadtteilgremien mitarbeiten. Die Stabilität der Quartiere und damit auch die Werte für die Zufriedenheit in den Quartieren sind seit 1999 kontinuierlich gestiegen. Dies belegen regelmäßig von SAGA GWG durchgeführte repräsentative Wohnzufriedenheitsanalysen. Auch werden die Mieterinnen und Mieter von SAGA GWG schon seit Langem regelmäßig und einzelfallbezogen in die Planung von Quartiersentwicklungen und den Ablauf von Baumaßnahmen eingebunden. Die Tochtergesellschaft ProQuartier unterstützt dabei die Planung und Umsetzung von Projekten zur Verbesserung des Wohnens und Lebens im SAGA-GWG-Wohnungsbestand, die Verbesserung des nachbarschaftlichen Drucksache 21/5213 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Zusammenlebens, nachbarschaftsfördernde Aktivitäten sowie die Koordinierung von Mieterbeteiligungen und wurde eigens zu diesen Zwecken von SAGA GWG gegründet .