BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5254 21. Wahlperiode 19.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten David Erkalp (CDU) vom 13.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Kommt Hamburg seinen Verpflichtungen im Bereich der Beschulung von Auszubildenden der sogenannten Splitterberufe nach? Mathematisch-technischer Softwareentwickler, Maßschneider, Pferdewirt, Thermometermacher, Wachszieher oder Wärme-, Kälte-, Schallschutzisolierer sind nur einige der etwas über 200 anerkannten Ausbildungsberufe, für die sich aufgrund geringer Auszubildendenzahlen die Bereitstellung von Berufsschulunterricht nicht in jedem Bundesland lohnt. Bereits 1984 hat die Kultusministerkonferenz (KMK) daher beschlossen, in diesen sogenannten Splitterberufen die Bildung länderübergreifender Fachklassen für Berufsschüler dieser Ausbildungsberufe festzulegen. So werden also beispielsweise alle Asphaltbauer in Baden-Württemberg beschult, alle Elektroniker für luftfahrttechnische Systeme in Hamburg. Bei den Fachangestellten für Bäderbetriebe sind hingegen laut aktuellstem KMK-Beschluss von 2012 gleich fünf Bundesländer verantwortlich, wobei Hamburger Auszubildende − auch das gibt der Beschluss vor − nach Neumünster in Schleswig-Holstein zur Beschulung müssen. Diese Regelung hat zur Folge, dass Qualität und Quantität des Berufsschulangebots in Splitterberufen, für die Hamburg zuständig ist, nicht nur Auswirkungen auf Hamburger Unternehmen und ihre Ausbildung von Fachkräften hat, sondern auch Betriebe in anderen Bundesländern davon betroffen sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Liste der anerkannten Ausbildungsberufe, für welche länderübergreifende Fachklassen eingerichtet werden, mit Angabe der aufnehmenden Länder (Berufsschulstandorte ) und Einzugsbereiche – sogenannte Splitterberufsliste – wird jährlich aktualisiert . Für die Beantwortung wurde die aktuelle Fassung (Stand der 28. Fortschreibung : 13.05.2016 – gültig ab dem 01.08.2016) zugrunde gelegt, siehe hierzu im Internet : https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2016/ 2016_08_01-Laenderuebergreifende-Fachklassen.pdf. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Bei welchen Ausbildungsberufen, für die Hamburg laut Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2012 zuständig ist, fand 2015/2016 eine Beschulung nicht statt? Bitte Ausbildungsberuf, zuständige Berufsschule und den Grund (zu wenig Auszubildende, zu wenig Lehrkräfte) angeben. 2. Ist bereits absehbar, dass Hamburg bei einigen Splitterberufen im bald beginnenden Ausbildungsjahr 2016/2017 die Beschulung nicht anbieten kann? Wenn ja, bitte Ausbildungsberuf, zuständige Berufsschule und den Grund (zu wenig Auszubildende, zu wenig Lehrkräfte) angeben. Drucksache 21/5254 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Alle in der sogenannten Splitterberufsliste aufgeführten Berufe, für die Hamburg als aufnehmendes Land (Berufsschulstandort) aufgeführt ist, werden im Schuljahr 2015/ 2016 vollständig beschult. Die vollständige Beschulung wird auch im Schuljahr 2016/ 2017 sichergestellt. 3. Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Bereich der Splitterberufe beschäftigen, berichten über fehlende qualifizierte Lehrkräfte für den spezifischen fachtheoretischen Unterricht. Trotz bundesweiter Ausschreibungen könne für Splitterberufe kein studiertes Lehrpersonal für Berufsschulen gefunden werden. Wie ist die derzeitige Situation an den Hamburger Berufsschulen? Bitte alle Splitterberufe, für die Hamburg laut aktuellsten KMK-Beschluss die Beschulung anbieten soll, auflisten und die Anzahl der Stellen angeben inklusive des Hinweises, wie viele davon derzeit besetzt, wie viele vakant sind. Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen werden in der Regel mit dem Ziel des bildungsgangübergreifenden Unterrichtseinsatzes eingestellt und beschäftigt. Die Einsatzplanung von Lehrkräften an berufsbildenden Schulen erfolgt grundsätzlich entsprechend dem schulischen Bedarf und daher auch in mehreren Bildungsgängen einer Schule. Die zuständige Behörde kann daher keine bildungsganggenaue Zuordnung von Lehrkräften beziehungsweise daraus möglicherweise resultierender vakanter Stellen vornehmen. Grundsätzlich kann im Einzelfall ein spezifischer Bewerbermangel an Lehrkräften mit speziellen beruflichen Erfahrungen insbesondere in Mangelfächern vorkommen, der jedoch bisher zeitnah abgewendet werden konnte und in keinem Fall zu Einschränkungen im Unterricht führte. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antworten zu 4. 4. Wie gedenkt die Hamburger Schulbehörde auf fehlendes qualifiziertes Lehrpersonal zu reagieren? a) Gibt es Bemühungen seitens der Schulbehörde, qualifiziertes Personal für die Zukunft zu gewinnen? Grundsätzlich beschreibt die Verordnung über die Laufbahn der Fachrichtung Bildung (HmbLVO-Bildung) vom 20. August 2013 die verschiedenen Zugänge zum Lehramt und dessen Ausprägungen. In diesem Rahmen setzt das berufsbildende Schulwesen bei der Personalgewinnung im Wesentlichen auf Personen, die ein abgeschlossenes Lehramtsstudium für die Verwendung im beruflichen Schulwesen (KMK-Lehramtstyp 5) vorweisen können und den Vorbereitungsdienst für die Ämter ab dem zweiten Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 zur Verwendung im Laufbahnzweig Berufliche Schulen abgeschlossen haben (das heißt in der Regel Lehrkräfte als Studienrätinnen und Studienräte). Falls sich nicht genügend grundständig studierte Lehrkräfte zum Vorbereitungsdienst bewerben, kann in ausgewählten Fachrichtungen auch ein Quereinstieg die Möglichkeit zum Einstieg in den Vorbereitungsdienst sein. Ein Quereinstieg in den Vorbereitungsdienst ist in den sogenannten Mangelfächern der Fachrichtungen Elektrotechnik und Metalltechnik möglich, sofern die fachwissenschaftlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Voraussetzung ist ein universitärer Diplom- beziehungsweise Masterabschluss in den einschlägigen Fachrichtungen. Darüber hinaus bemüht sich das Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB) in Zusammenarbeit mit Universitäten um eine Erhöhung der universitären Durchlässigkeit in den Lehrerberuf. Wesentliches Ziel ist die Nutzung einer erhöhten Flexibilität für das Lehramtsstudium gemäß der Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung für ein Lehramt der Sekundarstufe II (berufliche Fächer) oder für die beruflichen Schulen (Lehramtstyp 5) laut Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.05.1995 in der Fassung vom 17.03.2016, wonach unter anderem Studien- und Prüfungsleistungen in einem zweiten Fach einschließlich Fachdidaktik, in Fachdidaktik für die berufliche Fachrichtung, in den Bildungswissenschaften mit Schwerpunkt Berufs- oder Wirtschaftspädagogik sowie die schulpraktischen Studien in Ausnahmefällen vollumfänglich im Masterstudiengang erbracht werden. Es ist geplant, die Aktivitäten zur Personalgewinnung und Personalentwicklung der berufsbildenden Schulen des HIBB durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5254 3 b) Wie viele der Lehrkräfte sind Quereinsteiger, wie viele davon haben Dipl. Ing., Master, Gesellenbrief, Meisterbrief? Das Merkmal Quereinsteiger und deren Titel werden von der zuständigen Behörde statistisch nicht erfasst. Eine automatisierte Auswertung aller sogenannten Quereinsteiger ist daher nicht möglich. Ein händischer Abgleich würde die Durchsicht der Personalakten von über 2.500 Lehrkräften der Hamburger berufsbildenden Schulen erfordern und ist innerhalb der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. c) Welche Möglichkeiten des Quereinstiegs, welche Weiterbildungskonzepte zum Beispiel für Handwerksmeister gibt es? Grundsätzlich können in Hamburg zwei Sondermaßnahmen als Quereinstieg ins Lehramt unterschieden werden: 1. Einstieg in ein grundständiges Lehramtsstudium für Hochschulabsolventen (mit Fach-Master oder Diplom) gegebenenfalls unter individueller Anrechnung universitärer und außeruniversitärer beruflicher Vorleistungen. 2. Einstieg in den Vorbereitungsdienst für Absolventen einer wissenschaftlichen Hochschule (mit Fach-Master oder Diplom) mit schulischen Mangelfächern. Darüber hinaus ist in Ausnahmefällen in Mangelfächern beziehungsweise bei besonderen fachlichen Qualifikationen auch ein Direkteinstieg in den Schuldienst an berufsbildenden Schulen insbesondere für Ingenieurinnen und Ingenieure technischer Universitäten möglich, die über lehramtsaffine Berufserfahrungen verfügen. Neben diesen Sonderwegen in das zweiten Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 zur Verwendung im Laufbahnzweig Berufliche Schulen (das heißt in der Regel Lehrkräfte als Studienrätinnen und Studienräte) ermöglicht § 13 HmbLVO auch eine Einstellung in der Laufbahngruppe 2 in den Ämtern ab dem ersten Einstiegsamt für die Verwendung als Fachlehrerin oder Fachlehrer für Fachpraxis beziehungsweise als Fachlehrerin oder Fachlehrer für sonstigen Fachunterricht. § 7 HmbLVO öffnet dabei insbesondere Handwerks- oder Industriemeistern eine schulische Verwendung als Fachlehrerin oder Fachlehrer für Fachpraxis. 5. Werden Quereinsteiger genauso bezahlt wie ihre Kollegen? Wenn nein, warum nicht und soll das trotz fehlender Lehrkräfte so bleiben ? Die Regelungen für die Bezahlung von Quereinsteigern unterscheiden sich nicht von den Regelungen für andere Lehrkräfte. Sie richten sich nach dem Hamburgischen Beamtengesetz (HmbBG), der Verordnung über die Laufbahn der Fachrichtung Bildung (HmbLVO-Bildung) sowie gegebenenfalls dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) nach Maßgabe der Entgeltordnung Lehrkräfte (EntgO-L). 6. Die hohen Zahlen von Migranten und Flüchtlingen führen zu einer Veränderung in der Schullandschaft. Diese ist auch innerhalb der Berufsschulen zu spüren. Für sogenannte Migrationsklassen werden laut Informationen aus Unternehmenskreisen derzeit Lehrkräfte innerhalb der Schulen von der dualen Berufsausbildung abgezogen. Die bereits angespannte Situation in den Splitterberufen wird dadurch weiter verschärft. Der Unterrichtsausfall steigt an und kann kaum oder gar nicht mit Fachunterricht kompensiert werden. Darunter leidet die Qualität der weltweit beachteten dualen Ausbildung. a) Was sind „Migrationsklassen“? Siehe Drs. 21/4383 und Drs. 21/4655. b) Ist dieser Umstand bekannt? Der beschriebene Umstand kann nicht bestätigt werden, da Unterrichtsausfall an den berufsbildenden Schulen im Schuljahr 2015/2016 mit 0,72 Prozent auch im Vergleich zum Vorjahr (0,69 Prozent) auf niedrigem Niveau stabil gehalten wurde (siehe Drs. 21/3405 und Drs. 21/3829). Drucksache 21/5254 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 c) Und was gedenkt der Senat hiergegen zu tun? Entfällt. 7. Grundsätzlich: Mit welchen Konzepten gedenkt der Hamburger Senat die qualitativ hochwertige duale Ausbildung von Splitterberufen in Hamburg dauerhaft zu sichern? Der Senat hat insbesondere mit dem Schulentwicklungsplan 2013 der staatlichen berufsbildenden Schulen 2013 (im Internet unter: http://hibb.hamburg.de/wp-content/ uploads/sites/33/2015/09/Schulentwicklungsplan-2013.pdf) die Grundlage dafür geschaffen , die Struktur der berufsbildenden Schulen so zu gestalten, dass die einzelnen Schulen zukunftsfähig aufgestellt sind und ihren Bildungsauftrag gut erfüllen können . Eine der wesentlichen Handlungsgrundlagen für die Schulentwicklungsplanung ist die Stärkung des Fachberufsschulprinzips, durch welches bewirkt wird, dass die Schulen verbesserte fachliche und personelle Synergien erzielen können. Die dazu erforderlichen Schulfusionen und Verlagerungen von Bildungsgängen befinden sich in der planmäßigen Umsetzung.