BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5272 21. Wahlperiode 22.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 14.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Soll die Kleingenossenschaftsinitiative Grabenstraße 9 im Karolinenviertel verhindert oder befördert werden? Zum 1. Januar 2014 wurde der Verkauf von über 90 Prozent der städtischen Wohnungen im Karolinenviertel an die SAGA GWG wirksam. Insgesamt 827 Wohn- und 78 Gewerbeeinheiten waren von diesem umstrittenen Akt betroffen , obwohl sich zuvor 550 Mieter/-innen dieser Wohnungen gegen den Verkauf und für die Übernahme durch die Mietergenossenschaft Karolinenviertel ausgesprochen hatten. Die von der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB Hamburg) herausgegebene und mit Wirkung zum 1. Januar 2016 novellierte „Förderrichtlinie für Baugemeinschaften mit genossenschaftlichem Eigentum“ sieht im Punkt 5. vor, dass Bestandsobjekte von einer Mietergenossenschaft erworben werden können (S. 26 f.), wenn 90 Prozent der Mietparteien diesem genossenschaftlichen Erwerbermodell zugestimmt und 70 Prozent eine verbindliche Teilnahmeerklärung abgegeben haben (S. 27). Bemühungen der Mieterschaft, die Wohngebäude der Grabenstraße 9 nach diesem Modell genossenschaftlich zu übernehmen und zu bewirtschaften, werden von der SAGA GWG dagegen offensichtlich unmöglich gemacht. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen – teilweise auf der Grundlage von Auskünften von SAGA GWG und der steg Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg mbH – wie folgt: 1. Hat es in Hamburg bisher einen „Erwerb von Bestandsobjekten durch eine Mietergenossenschaft“ nach der „Förderrichtlinie Baugemeinschaften “ in Hamburg schon einmal gegeben? Nein. a. Wenn ja, um welche Objekte handelt es sich und wann ist der Verkauf mit wie vielen Wohneinheiten vollzogen worden? Entfällt. b. Seit wann genau gibt es die Möglichkeit einer Mietergenossenschaft , Bestandsobjekte zu erwerben? Der geförderte Erwerb von Bestandsobjekten durch eine Mietergenossenschaft wurde 2010 in die Förderrichtlinie Baugemeinschaften aufgenommen. 2. Gibt es städtische Stellen oder Ansprechpartner/-innen, die Mieter-/ -innengemeinschaften, insbesondere mit stark heterogener Sozialstruk- Drucksache 21/5272 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 tur wie zum Beispiel im Karolinenviertel, bei ihrem Vorhaben des „Erwerbs von Bestandsobjekten durch eine Mietergenossenschaft“ unabhängig begleiten, beraten und unterstützen? Wenn ja, um welche handelt es sich dabei und wie sieht die Tätigkeit konkret aus? Die Agentur für Baugemeinschaften der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und die Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB) bieten den Mietergemeinschaften Beratungen zum Fördersegment „Erwerb von Bestandsobjekten durch eine Mietergenossenschaft“ an, die auch von Mietergemeinschaften bereits wahrgenommen wurden. Die freien, als Baubetreuer tätigen Träger STATTBAU Hamburg GmbH und Johann Daniel Lawaetz-Stiftung begleiten, beraten und unterstützen Mietergemeinschaften, wenn diese es wünschen. 3. Bei dem anvisierten Erwerb des Bestandsobjekts Grabenstraße 9 durch eine Mietergenossenschaft fordert die SAGA eine Zustimmung von 100 Prozent der Mieter/-innen zum Genossenschaftsmodell. Dieser Wert widerspricht explizit der eingangs erwähnten Förderrichtlinie. Ist die SAGA GWG dazu berechtigt, ihr Kaufangebot an von der Förderrichtlinie abweichende Bedingungen zu knüpfen? Wenn ja, warum? Wenn nein, welche Möglichkeiten sieht der Senat, auf die SAGA GWG korrigierend einzuwirken? SAGA GWG stellt sich nicht gegen ein Genossenschaftsmodell und damit einen Verkauf des Objektes Grabenstraße 9 an eine Mietergenossenschaft. Es entspricht aber der generellen Unternehmensleitlinie, eine Zustimmung von 100 Prozent der betroffenen Mieterinnen und Mieter für ein Genossenschaftsmodell zu fordern, damit keine Wohnungen aus dem Bestand von SAGA GWG gegen den Willen der jeweiligen Mieter verkauft werden. Die Förderrichtlinie regelt in Ziffer 5 die Frage, unter welchen Voraussetzungen die IFB Mietergenossenschaften Fördermittel gewährt und entfaltet keine Rechtsbindung gegenüber den Eigentümern der Bestände, so auch nicht gegenüber SAGA GWG als Eigentümerin des Objektes. a. In der bereits erwähnten Förderrichtlinie heißt es im Punkt 5.1.: „Die IFB Hamburg gewährt Mietergemeinschaften Fördermittel, die ein oder mehrere bestehende, von ihren Mitgliedern bewohnte Gebäude erwerben und in der Rechtsform einer Genossenschaft gemeinschaftlich bewirtschaften möchten“ (S. 26). Neben anderen Voraussetzungen muss dafür eine Eigenkapitalquote von mindestens 10 Prozent aufgebracht werden. Gibt es für Hartz-IV- und andere Transferleistungsbezieher/-innen eine Möglichkeit, diese 10 Prozent durch Stellen der Stadt zu übernehmen, vorzustrecken oder als Kredit zu geben? Wie sehen diese Möglichkeiten zutreffendenfalls genau aus? Zur Finanzierung des Erwerbs von Anteilen an Kleingenossenschaften für eine selbstgenutzte Wohnung können von den einzelnen Haushalten Fördermittel nach dem „KfW-Wohneigentumsprogramm Genossenschaftsanteile (134)“ bei der IFB beantragt werden. 4. Beim „Erwerb von Bestandsobjekten durch eine Mietergenossenschaft“ sind Rücklagen zur Instandhaltung für den Erfolg einer Kleingenossenschaft entscheidend, die aber natürlich noch gar nicht aufgebaut werden konnten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was eigentlich mit den Rücklagen aus der vieljährigen Tätigkeit der treuhänderischen Eigentümerin steg passiert ist? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5272 3 a. Wurden von der steg die Instandhaltungsrücklagen, die während der Sanierung des Treuhandvermögens Karolinenviertel gebildet wurden , abgerechnet? Wenn ja, wann, bei wem und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? b. Wurde vom Sanierungsträger steg ein Nachweis über die zweckgemäße Verwendung der Instandhaltungsrücklagen erbracht? Wenn ja, wann, bei wem und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? c. Wurden die angefallenen Instandhaltungsrücklagen und deren Verwendung von der zuständigen Fachbehörde geprüft? Wenn ja, wann, von wem und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? d. Sind diese Ergebnisse zugänglich? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht? e. Welche Höhe hatten die von der steg angelegten Instandhaltungsrücklagen (abzüglich der Aufwendungen für Instandhaltungen) zum Zeitpunkt des Verkaufs an die SAGA GWG am 1. Januar 2014? f. Wie wurde mit den gegebenenfalls angefallenen respektive verbliebenen Überschüssen verfahren? Bitte um genaue Nachweise. Der überwiegende Teil der Grundstücke des Treuhandvermögens wurde zum 31.12.2013 an die SAGA übertragen (siehe Drs. 20/5022). Die noch zu sanierenden Objekte sind in ein zivilrechtliches Treuhandvermögen überführt worden. Gesonderte Instandhaltungsrücklagen wurden und werden nicht gebildet, eine Prüfung der Verwendung entfällt daher. Die erwirtschafteten Erträge aus der Vermietung waren und sind Bestandteil des Treuhandvermögens und werden zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen und zur Durchführung der erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen im Karolinenviertel eingesetzt. Über die Aufwendungen und Erträge wird jährlich ein Jahresabschlussbericht erstellt, der von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft und testiert und den zuständigen Behörden übermittelt wird.