BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5280 21. Wahlperiode 22.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 14.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Was ist los mit Hamburgs Straßenverkehrsbehörden, wenn es um den Radverkehr geht? Straßenverkehrsbehörden sind die wesentlichen Garanten für die Verkehrssicherheit der Bürgerinnen und Bürger. In der Praxis scheinen die Straßenverkehrsbehörden nicht nur an komplexen Baustellen, sondern häufig genug schon bei einfachen Verkehrsbeschilderungen überfordert zu sein. Gerade Radfahrer/-innen erleben dadurch im Alltag immer wieder, dass Verkehrsregelungen nicht mit der Straßenverkehrsordnung vereinbar sind, sich widersprechen , allgemein verwirren oder sogar Unfallgefahren heraufbeschwören, als diskriminierend empfunden werden und ganz sicher nicht die vom Senat propagierte Förderung des Radverkehrs unterstützen. Aus verschiedenen Berichten und Beobachtungen von Altagsradlern/-innen lassen sich die fachlichen Schwächen bei der Beschilderung grob zu drei typischen Themenkreisen zusammenfassen: Für Radfahrer/-innen in Gegenrichtung frei gegebene Einbahnstraßen: Wird bei Zeichen 220 das Zusatzschild vergessen, wird Autofahrenden bei der Einfahrt fälschlich suggeriert, es dürften ihnen keine Radfahrer/- innen entgegenkommen. Besonders problematisch ist, dass solche Unklarheiten oft genug Anlass für Aggressionen gegenüber Radfahrern/- innen geben! Beispiele: Leinpfad zwischen Maria-Louisen-Straße und Mövenstraße (Veloroute 4), Bellevue zwischen Gellertstraße und Scheffelstraße, Baustelle Veringstraße (teilweise Veloroute 11), Baustelle Weidenstieg (Veloroute 2). Die blauen Verkehrszeichen 237, 239, 240 und 241, die für Radfahrer/- innen festlegen, wann Geh- oder Radwege zwingend befahren werden müssen oder nicht befahren werden dürfen, werden immer wieder recht beliebig aufgestellt, sodass in diesen Fällen keine/r mehr weiß, welche Regeln gelten sollen. Beispiel: Baustelle Osterstraße. Sackgassen, die für den Radverkehr durchlässig sind, werden nicht als solche beschildert. Drucksache 21/5280 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Beispiele: Baustelle Veringstraße (teilweise Veloroute 11), Baustelle Weidenallee (Veloroute 2). Wer ordnungsgemäße Verkehrsbedingungen verlangt, stößt bei vielen Straßenverkehrsbehörden nur auf mäßiges Interesse. Im Rahmen von Beschwerden wird häufig auf strukturelle Defizite hingewiesen. „Falsche“ Verkehrszeichen würden immer von „Unbekannten“ aufgestellt, wofür die Straßenverkehrsbehörden nicht verantwortlich seien. Spätestens seit der Umsetzung der Radverkehrsstrategie sei die fehlende Überwachung der Baustellen als Ursache bekannt. Straßenverkehrsbehörden seien gesetzlich jedoch nur zu stichprobenartigen Kontrollen verpflichtet und könnten personell auch gar nicht mehr leisten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen zur Durchführung von Straßenbauarbeiten werden gemäß § 45 Absatz 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vom jeweiligen Straßenbaulastträger angeordnet. Straßenbaulastträger im Sinne dieser Bestimmung sind in Hamburg der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer, das örtlich zuständige Bezirksamt, HAMBURG WASSER und Hamburg Port Authority. Für die Kontrolle der sach- und fachgerechten Umsetzung von straßenbaubehördlichen Anordnungen ist die Straßenbaubehörde zuständig. Nur Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen für dauerhafte Verkehrsregelungen und sonstige zumeist kleinräumige Arbeiten im Straßenraum (zum Beispiel im Gehwegbereich ) werden gemäß § 45 Absatz 1 StVO von der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde der Polizei angeordnet. Erkenntnisse der Polizei über eine unzureichende Beschilderung auch in Baustellenbereichen , die auf eigenen Feststellungen oder Hinweisen aus der Bevölkerung beruhen , werden von der Straßenverkehrsbehörde umgehend überprüft. Die Straßenverkehrsbehörden werden dabei von den Mitarbeitern der Polizeikommissariate, aber auch anderen im öffentlichen Raum tätigen Polizeibeschäftigten unterstützt, die festgestellte Mängel in der Sicherung von Baustellen oder der allgemeinen Beschilderung melden, um die Beseitigung dieser Mängel zu veranlassen. Notwendige Maßnahmen zur Korrektur, Ergänzung oder Optimierung der Beschilderung werden bei der jeweils zuständigen Behörde veranlasst. So hat die Straßenverkehrsbehörde beispielsweise in der Straße Leinpfad das fehlende Zusatzzeichen zur Freigabe der Einbahnstraße für den Radverkehr in Gegenrichtung angeordnet. Die Ergänzung eines solchen Zusatzzeichens in der Straße Bellevue ist nicht erfolgt, da hier die Voraussetzungen für eine Freigabe der Einbahnstraße in Gegenrichtung nicht gegeben sind. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1) Tragen die Straßenverkehrsbehörden grundsätzlich auch Verantwortung dafür, welche Verkehrsregelungen die Verkehrsteilnehmer/-innen tatsächlich auf der Straße vorfinden, insbesondere wenn die Realität nicht mehr mit der internen Aktenlage übereinstimmt? Falls nein: wer ist für die Überprüfung beziehungsweise Realisierung gemachter Anordnungen/Auflagen zuständig? Grundsätzlich ja. Daneben sind die jeweiligen Straßenbaulastträger im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Umsetzung straßenverkehrsbehördlicher Anordnungen und insoweit für die Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sowie deren Betrieb (zum Beispiel Lichtzeichenanlagen ) verantwortlich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5280 3 2) Wie bewertet der Senat die Arbeitsfähigkeit der Straßenverkehrsbehörden unter Berücksichtigung der oben genannten beispielhaften Missstände ? 3) Die Ursachen für die beschriebenen Defizite sind sicher vielfältig (Personalmangel , geringe Ortskenntnis und fehlende Vor-Ort-Überwachung, lähmende Hierarchie innerhalb des Polizeiapparates, Qualifizierungsdefizite in Radverkehrsfragen). Welche Maßnahmen plant der Senat zu ergreifen, um einerseits die Straßenverkehrsbehörden zu mehr Sorgfalt zu ermuntern und andererseits ihre Effizienz zu verbessern? Die örtlichen Straßenverkehrsbehörden nehmen die Aufgaben in ihrem Zuständigkeitsbereich eigenständig nach den Bestimmungen der StVO und der hierzu erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) und unter Beachtung weiterer Richtlinien, Empfehlungen und Fachanweisungen wahr. Sie verfügen regelmäßig über gute Ortskenntnisse in ihrem Zuständigkeitsbereich und sind bei der Aufgabenwahrnehmung an keine Hierarchien innerhalb der Polizei gebunden, allerdings der Fachaufsicht der Verkehrsdirektion unterworfen, die dafür auch Einblick in die konkrete Aufgabenwahrnehmung hat. Die örtlichen Straßenverkehrsbehörden wurden mit der Drs. 20/5024 weitgehend von Zustimmungsvorbehalten befreit. Die Mitarbeiter der Straßenverkehrsbehörden werden im Übrigen gezielt zum Beispiel über die Maßnahmen zur Umsetzung der „Radverkehrsstrategie“ informiert und entsprechend geschult. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4) Funktionierende Straßenverkehrsbehörden sind unverzichtbar für die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmenden. Hält es der Senat für erforderlich, für diesen Bereich der Polizei Mechanismen zur Qualitätssicherung einzuführen? Falls ja, welche und ab wann? Falls nein: weshalb nicht? Nein. Es gibt bereits Mechanismen der Qualitätssicherung, die sich dauerhaft bewährt haben. Zudem übt die zentrale Straßenverkehrsbehörde der Verkehrsdirektion die Fachaufsicht gegenüber den örtlichen Straßenverkehrsbehörden aus. 5) Wie können Radfahrer-innen im Verkehrsalltag konkret erkennen, welche Verkehrsschilder gelten sollen und welche nicht? Die Teilnahme am Straßenverkehr setzt grundsätzlich Aufmerksamkeit voraus. Aufgestellte Verkehrszeichen sind im Rahmen von Allgemeinverfügungen nach § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) verbindlich und von jedem Verkehrsteilnehmer zu beachten. 6) Auf welcher gegebenenfalls rechtlichen Grundlage hält es der Senat für vertretbar, wenn der eine Arm der Polizei dafür verantwortlich ist, dass Radfahrer/-innen bei unklaren beziehungsweise nicht rechtskonformen Verkehrsregelungen selbst entscheiden müssen, wie sie sich am besten verhalten und dieselbe Organisation mit der Fahrradstaffel eine spezielle Einheit unterhält, die Radfahrer/-innen abstrafen soll, welche sich vermeintlich nicht an Verkehrsregeln halten? Wäre es für die Verkehrssicherheit eventuell zielführender, wenn das Personal der Fahrradstaffel stattdessen zumindest vorübergehend die Straßenverkehrsbehörden verstärken würde? Die Zuständigkeiten für den Vollzug des Straßenverkehrsrechts sind in der Zuständigkeitsanordnung des Senats festgelegt und haben sich bewährt. Die Aufgaben der Straßenverkehrsbehörde werden in Hamburg durch die Polizei wahrgenommen (vergleiche Drs. 20/5024). Für die Aufgabenwahrnehmung verfügen die Mitarbeiter über umfangreiches Fachwissen. Drucksache 21/5280 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Verkehrsteilnehmer haben ihre Verhaltensentscheidungen eigenverantwortlich an den allgemeinen Regelungen der StVO und den aufgestellten Verkehrszeichen zu orientieren . Die Ahndung von festgestellten Verstößen durch die Ordnungsbehörden erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Fahrradstaffel der Polizei ist aufgrund ihrer speziell auf die Belange des Radverkehrs ausgerichteten Tätigkeit sowohl repressiv als auch präventiv tätig. Hier nimmt die Fahrradstaffel insbesondere auch Aufgaben zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im Radverkehr wahr (siehe Drs. 20/9872). Werden im Einzelfall unklare beziehungsweise nicht rechtskonforme Verkehrsregelungen durch die Mitarbeiter der Fahrradstaffel festgestellt, werden notwendige Maßnahmen zur Korrektur, Ergänzung oder Optimierung der Beschilderung bei der jeweils zuständigen Behörde veranlasst. Eine Änderung der Zuständigkeitsanordnung des Senats ist insofern nicht beabsichtigt .