BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/529 21. Wahlperiode 26.05.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Carl-Edgar Jarchow und Katja Suding (FDP) vom 20.05.15 und Antwort des Senats Betr.: Predictive Policing in der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) Einem aktuellen Bericht des „Hamburger Abendblatts“ zufolge prüft die Hamburger Polizei nunmehr doch die Anschaffung der Software „PRECOGS“. Senator Neumann und Polizeipräsident Meyer wollen in diesem Zusammenhang Ende Juni nach Chicago reisen. Im November 2014 war die Anschaffung respektive Erprobung der Software noch „nicht vorgesehen“.1 Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die geplante Dienstreise nach Chicago und Boston verfolgt mehrere Zielrichtungen. Zum einen dient die Reise einem tiefgehenden Informations- und Erfahrungsaustausch bezüglich einer Vielzahl von Handlungsfeldern der Inneren Sicherheit; das sogenannte Predictive Policing ist dabei nur ein Aspekt im Themenfeld Einbruchsbekämpfung. Zum anderen ist vor dem Hintergrund der Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Spiele ein intensiver Dialog zur Planung und Durchführung von Großveranstaltungen vorgesehen , welcher über reine Sicherheitsaspekte hinausgeht. Schließlich dient die Reise der Stärkung und Festigung der Beziehungen zu Hamburgs Partnerstadt Chicago. Die Polizei Hamburg befindet sich in einem kontinuierlichen Erfahrungsaustausch, um ihre Handlungsoptionen in allen Aufgabenbereichen zu optimieren und auf diese Weise den Schutz der Bevölkerung zu verbessern. Dies gilt auch für Softwaresysteme, die ohnehin einer ständigen Weiterentwicklung unterliegen. Die im Fachstab des Landeskriminalamtes organisierte Polizeiwissenschaftliche Analyse (LKA FSt 11) prüft zurzeit solche theoretischen Grundlagen zum Schlagwort „Predictive Policing“, die über einschlägige Veröffentlichungen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus werden die im Arbeitsalltag bereits bestehenden Kontakte zu Analysestellen anderer Länderpolizeien genutzt, um Erfahrungen auszutauschen. Die Analyse wird seit Februar 2015 durchgeführt und ist noch nicht abgeschlossen. Erst nach einer positiven Bewertung und einer Kosten-Nutzen-Analyse werden konkrete Überlegungen zur Erprobung und Wahl einer geeigneten Analysesoftware erfolgen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Seit wann genau wird die Erprobung und/oder Anschaffung der Software geprüft beziehungsweise wann genau ist durch wen ein entsprechender Entschluss zur Prüfung der Anschaffung/Erprobung gefällt worden? Welcher Zeitplan bezüglich einer Erprobung der Software in Hamburg wird derzeit angestrebt? 1 Vergleiche Senatsantwort zu Fragen 1. und 2. in Drs. 20/13508. Drucksache 21/529 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Siehe Vorbemerkung. 2. Seit wann genau besteht Kontakt der Hamburger Polizei zur bayrischen Polizei bezüglich des dortigen Einsatzes der Software und entsprechender (Vor-)Planungen dazu? Wer waren beziehungsweise sind die jeweiligen Gesprächspartner? Am 17. November 2014 hat der Hamburger Polizeipräsident einen Informationsbesuch beim Polizeipräsidium München durchgeführt. Ein Thema war unter anderem die Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls und in diesem Zusammenhang die Vorstellung des in München begonnenen Pilotprojektes „Precobs“. Das Projekt stellten zwei Mitarbeiter des Bayrischen Landeskriminalamtes vor; im Übrigen siehe Vorbemerkung . 3. Seit wann genau bestehen in der FHH welche konkreten Planungen und Prüfvorhaben zum „Predictive Policing“ allgemein? Inwieweit bauen diese auf Erkenntnissen der Vorstudie „Geodaten, Policing und Stadtentwicklung “ auf, die 2011 im Auftrag der BWF von der Universität Hamburg abgeschlossen wurde2? Im März 2014 gab es bei der Polizei Hamburg eine Vorstellungsveranstaltung eines Softwareentwicklungsunternehmens zu einer möglichen Forschungskooperation bei einem Projekt „Predictive Policing“. Die Polizei Hamburg lehnte eine Teilnahme an dem Forschungsprojekt, unter anderem aufgrund der fehlenden fachlichen Expertisen anderer Polizeien bei der Projektvorstellung, ungeklärter Folgekosten sowie eher mittel- und langfristiger Vorhersagen, ab. Das Institut für Kriminologische Sozialforschung der Universität Hamburg hatte die Polizei Hamburg im Juni 2011 um Unterstützung des Projekts „Geodaten, Policing und Stadtentwicklung“ durch die Beantwortung eines Fragebogens gebeten. Die Polizei Hamburg hat den ausgefüllten Fragebogen am 28. Juni 2011 an die Universität Hamburg zurückgesandt. Die Ergebnisse der Vorstudie liegen dem Landeskriminalamt vor. Die Erkenntnisse beziehen sich auf die Nutzungsmöglichkeiten, Verbreitung und Anwendungspraxis der Geovisualisierung in deutschen Behörden. Die Erkenntnisse haben mit dazu beigetragen, dass in der Hamburger Polizei die Verarbeitung von Geodaten zur Kriminalitätslageauswertung ausgebaut und weiterentwickelt wurde; darüber hinaus siehe auch Drs. 20/13508. 4. Womit erklärt sich der offenkundige kurzfristige Sinneswandel gegenüber dem in Drs. 20/13508 dargelegten Sachstand? Auf welchen aktuelleren Erkenntnissen und Entwicklungen basiert er? 5. Mit welchen Kosten rechnet die zuständige Behörde für einen entsprechenden Probebetrieb der Software für welchen Zeitraum? Mit welchen Kosten wird – gegebenenfalls auf Basis der Erfahrungen anderer Betreiber – bei einer Vollbeschaffung gerechnet? (Bitte – soweit möglich – jeweils nach Anschaffungs- und jährlichen Betriebskosten differenzieren.) Siehe Vorbemerkung. 6. Aus welchen konkreten Gründen fliegen der zuständige Senator und der Polizeipräsident nach Chicago und nicht in europäische Städte, in denen die Software ebenfalls eingesetzt wird? Wie viele Personen wird die entsprechende Delegation umfassen? Die Polizei Chicago setzt derartige Software bereits über einen längeren Zeitraum in unterschiedlichen Kriminalitätsfeldern ein, insofern wird hier von einem breiteren und tieferen Erfahrungswissen ausgegangen, als dies in europäischen Städten der Fall ist; im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2 Vergleiche Drs. 20/11779, Seite 20. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/529 3 Über die Zusammensetzung der Delegation ist noch nicht abschließend entschieden. Nach derzeitiger Planung umfasst die Delegation fünf Teilnehmer. Entgegen erster Planungen wird der Präses der Behörde für Inneres und Sport nicht an der Dienstreise teilnehmen. 7. Soll der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) in die Ausschreibung/Erprobung/Einführung der Software eingebunden werden? Wenn nein, warum nicht? Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sowie der behördliche Datenschutzbeauftragte der Behörde für Inneres und Sport werden nach den einschlägigen Bestimmungen mit eingebunden.