BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5307 21. Wahlperiode 26.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp Heißner (CDU) vom 18.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Kita-TÜV-Verhandlungen – Eine Milchmädchenrechnung des Hamburger Senats? Zu Regierungszeiten der CDU wurde bereits 2010 die rechtliche Grundlage für die Einführung einer Kita-Inspektion geschaffen. In § 21a Absatz 1 des Kinderbetreuungsgesetzes heißt es: „Zur Sicherung der Qualität der Betreuung , Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen richtet die zuständige Behörde eine Kindertagestätten-Inspektion ein.“ Mit Beschluss des Senats-Gesetzentwurfes (Drs. 19/5901) war die Errichtung der Kita- Inspektion seitdem geltende Rechtslage. Erst auf massiven Druck von Eltern und Opposition wurde am 17. Juni 2013 das „Eckpunktepapier zur Durchführung der externen Evaluation der Qualität in Hamburger Kindertagesstätten“ vorgestellt. Seitdem wurde viel verhandelt, aber nicht eine Kita inspiziert und bereits 225.000 Euro wurden ausgegeben. Nun wurde öffentlich, dass die Verhandlung bereits im März 2016 eingestellt und für gescheitert erklärt wurde . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Derzeit finden Qualitätskontrollen in Kitas in unterschiedlicher Weise statt: Entsprechend dem Landesrahmenvertrags (LRV) überprüfen die Kita-Träger die Qualität der Leistungserbringung in einem mindestens zweijährigen Rhythmus nach einem fachlich anerkannten Verfahren (§ 16 LRV). Liegen begründete Anhaltspunkte dafür vor, dass in einer Kita bestimmte Regelungen des LRV nicht eingehalten werden, kann die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) eine Überprüfung des Sachverhaltes durch einen neutralen Prüfer in Auftrag geben (§ 23 LRV). Die Kita- Aufsicht der zuständigen Behörde hat die Aufgabe, mögliche Gefahren für das Wohl von Kindern in Kitas abzuwenden. So werden Einrichtungen anlassbezogen überprüft, zum Beispiel aufgrund von Elternbeschwerden oder besonderen Vorkommnissen. Zur Sicherung der Qualität in den Kitas wurde 2010 in § 21a des Hamburger Kinderbetreuungsgesetzes (KibeG) die Einführung einer Kita-Inspektion gesetzlich verankert . In der Umsetzungsphase meldeten die Kita-Träger und Verbände Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kita-Inspektion an. Die rechtlichen Einwände bezogen sich insbesondere auf die vorgesehenen anlassunabhängigen und gegebenenfalls unangekündigten Prüfungen sowie die weitgehenden Befugnisse der Kita-Inspektion. Diese seien durch § 46 SGB VIII „Örtliche Prüfung“ nicht abgedeckt. Im Ergebnis verweigerten die Kita-Anbieter die Mitarbeit an der Einführung einer Kita-Inspektion. Wegen der bestehenden Umsetzungsprobleme und vor dem Hintergrund des 2012 neu ins SGB VIII eingefügten § 79a „Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe “ erfolgte ein Paradigmenwechsel hin zur Einführung einer verbindlichen externen Evaluation der Qualität der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen. Die Verpflichtung zur Qualitätsentwicklung beinhaltet nach § 79a SGB VIII die Weiterent- Drucksache 21/5307 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 wicklung, Anwendung und regelmäßige Überprüfung von Grundsätzen und Maßstäben für die Bewertung der Qualität sowie von geeigneten Maßnahmen zu ihrer Qualitätssicherung . Die diesbezüglichen Verhandlungen zwischen den Kita-Trägern und Verbänden, dem Landeselternausschuss Kita (LEA) und der zuständigen Behörde ab August 2012 in der sogenannten AG Qualität wurden im Frühjahr 2013 mit den „Eckpunkten zur Durchführung der externen Evaluation der Qualität in Hamburger Kindertageseinrichtungen “ (http://www.hamburg.de/fachinformationen/4010842/ eckpunktepapier-kita-qualitaet.html) abgeschlossen. Neben einer im vierjährigen Rhythmus stattfindenden fachlich fundierten Einschätzung der erreichten Qualität und der Feststellung von Entwicklungsbedarfen sollte die externe Evaluation die Datengrundlage für eine landesweite Qualitätsberichterstattung schaffen. Dadurch sollte mehr Transparenz über die Arbeit der Kitas hergestellt werden . Die Eckpunkte sahen weiter vor, im Rahmen der externen Evaluation aufgedeckte gravierende Verstöße gegen Regelungen des LRV, des KibeG oder des SGB VIII der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde zu melden. Die Zulassung unterschiedlicher Evaluationsanbieter sollte auf Basis festgelegter Standards durch ein von der BASFI beauftragtes Akkreditierungsinstitut erfolgen. Der Kita-Träger wiederum sollte einen der akkreditierten Evaluationsanbieter mit der Durchführung der externen Evaluation seiner Kita(s) beauftragen. Im April 2014 beauftragte die zuständige Behörde die Firma Rambøll Management als sogenannte Akkreditierungsstelle, ein Konzept für das Gesamtverfahren der externen Evaluation unter Mitwirkung aller relevanten Akteure (BASFI, Kita-Anbieter und LEA) zu erstellen. Ferner sollte die Akkreditierungsstelle den gesamten Durchführungsprozess der externen Evaluation steuern und den landesweiten Qualitätsbericht erstellen. Die Arbeit der „AG Qualität“ mündete im Sommer 2014 im Entwurf eines Feinkonzeptes , der eine Reihe noch nicht ausverhandelter Aspekte enthielt. Mit dem Abschluss der Eckpunktevereinbarung zur Qualitätsverbesserung im Krippenbereich wurde die Finanzierung des Leitungssockels bei kleinen Kitas substanziell verbessert und somit die Kostenbelastung durch die Beauftragung eines akkreditierten Evaluationsanbieters minimiert. Gleichwohl konnte keine abschließende Einigung zwischen Kita-Anbietern und BASFI hinsichtlich der strittigen Frage der Finanzierung der Kosten der externen Evaluation erzielt werden. Während die Kita-Anbieter grundsätzlich die volle Refinanzierung der durch die Beauftragung eines Evaluationsanbieters entstehenden Kosten forderten, sah die BASFI diese durch den bestehenden LRV sowie die Eckpunktevereinbarung gewährleistet. Aufgrund der fehlenden Einigung in der Finanzierungsfrage wurde die Arbeit der „AG Qualität“ im Mai 2015 endgültig eingestellt. Im Herbst 2015 scheiterte der Versuch der zuständigen Behörde, das Verfahren der Qualitätssicherung der Hamburger Kitas neu auszurichten und mit den Kita-Anbietern alternativ eine Kita-Inspektion mit reduzierten Kompetenzen und Anforderungen umzusetzen. Der Wegfall der Aufgaben der Akkreditierungsstelle führte zur vorzeitigen Beendigung des Vertrags mit der Firma Rambøll Management. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann begannen und wann endeten die Verhandlungen mit den Kita- Trägern und den Elternvertretern vom Landeselternausschuss (LEA)? Im Sommer 2012 begannen die Gespräche zwischen den Kita-Trägern und Verbänden , dem LEA sowie der zuständigen Behörde über die Einführung einer externen Evaluation. Im Herbst 2015 endeten die Gespräche, nachdem auch der Versuch einer Neuausrichtung des Projekts keine Einigung zwischen den Verhandlungspartnern zeigte. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Warum wurden diese erst 2013 aufgenommen? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5307 3 3. Wurden die Bürgerschaft und/oder der Familien-, Kinder- und Jugendausschuss in der 20. Legislaturperiode über die Entwicklung der Verhandlungen informiert? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum wurde von einer Information abgesehen? Der Bericht des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses über die Drs. 20/9126 und Drs. 20/6481 fasst die Beratungen zur Kita-Inspektion beziehungsweise die externe Evaluation in der Drs. 20/11748 zusammen. Darüber hinaus gab der Senat in zahlreichen Schriftlichen Kleinen Anfragen Auskunft zur Kita-Inspektion (Drs. Nummern 20/333, 20/4090, 20/5553, 20/6857, 20/7030, 20/8487, 20/13339). 4. Warum wurde in der 21. Legislaturperiode die Hamburgische Bürgerschaft oder der Familien-, Kinder- und Jugendausschuss nicht informiert ? Die Unterrichtung der Bürgerschaft beziehungsweise des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses durch die zuständige Behörde soll erfolgen, wenn die Planungen zur Neuausrichtung der Kita-Inspektion abgeschlossen sind. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. 5. Für die Erstellung eines gemeinsamen Systems für den Kita-TÜV hat die Sozialbehörde 600.000 Euro zur Verfügung gestellt. 225.000 Euro wurden bereits ausgegeben. Aus welchem Haushaltstitel wurden diese bezahlt und in welchem Haushaltsjahr? Wie genau setzen sich die angefallenen Ausgaben zusammen? Für die Leistungen der Akkreditierungsstelle wurden Mittel aus der Produktgruppe 254.06 Kindertagesbetreuung, Kontenbereich Kosten aus laufender Verwaltungstätigkeit gezahlt. Die Zahlungen verteilen sich auf die Jahre 2014, 2015 und 2016. Jahr Betrag in Euro Ausgaben 2014 89.140,14 Kick-Off-Veranstaltung Vorbereitung (inhaltlich und organisatorisch) und Durchführung der AG Qualität Prozesssteuerung Entwurf des Feinkonzepts 2015 72.819,15 Abstimmungen des Entwurfs des Feinkonzepts mit wissenschaftlichen Experten Entwicklung eines Datenbanksystems zur Steuerung der Termine und der Telefonhotline Prozesssteuerung Workshop mit wissenschaftlichen Experten Infoveranstaltungen für Kita-Leitungen und Kita-Träger Öffentlichkeitsarbeit (Internet-Auftritt, Info- Hotline) 2015 39.819,78 Arbeitssitzungen mit der BASFI zur konzeptionellen Ausgestaltung der Neuausrichtung der externen Evaluation inkl. Vor- und Nachbereitung Konzeptarbeit Prozesssteuerung (Hotline für Anbieter, Träger und Kitas) Öffentlichkeitsarbeit (Überarbeitung des Internet -Auftritts, Betrieb der Internetseite) 2016 22.734,71 Abstimmung mit dem Auftraggeber Öffentlichkeitsarbeit (Anpassung des Internet- Auftritts ‚EVITA-Website) Erarbeitung konzeptioneller Grundlagen, Drucksache 21/5307 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Jahr Betrag in Euro Ausgaben Nutzbarmachung der bisherigen Arbeitsergebnisse für die Ausgestaltung einer Kita- Inspektion Summe 224.513,78 6. Gab es weitere Streitpunkte in den Verhandlungen außer der Inspektionskosten ? a. Sind die Verhandlungen lediglich an diesem Streitpunkt gescheitert? Ja. Es gab eine Reihe offener Punkte, die letztlich wegen der ungeklärten Finanzierungsfrage nicht abschließend geklärt wurden. Beispielhaft sind als nicht ausverhandelte Aspekte zu nennen: Verknüpfung eines auf Qualitätsentwicklung ausgelegten Systems mit Aspekten der Qualitätskontrolle, Information der Elternvertretungen über die Evaluationsergebnisse, Standardisierung der Evaluationsergebnisse sowie Anpassungsnotwendigkeiten der bereits eingeführten Qualitätsentwicklungs-/Managementverfahren einzelner Kita-Träger. b. Wann wurde in der Ausarbeitung deutlich, dass die Inspektion 4.000 Euro kosten würde? Bei dem beispielsweise im Familien-, Kinder- und Jugendausschuss am 18. Juni 2013 (Protokoll Drs. 20/11748) genannten Betrag von 3.000 bis 4.000 Euro pro Kita- Evaluation handelt es sich um eine Schätzung, die auf Berliner Erfahrungswerten basiert. Die konkreten Kosten einer externen Evaluation einer Kita sind von verschiedenen Faktoren abhängig, wie zum Beispiel der Größe der Einrichtung, dem vom Träger gewählten Evaluationsverfahren und der Anzahl der zu prüfenden Qualitätskriterien . 7. Der Senat verspricht ein eigenes System zu entwickeln. Wann soll dieses fertig sein? Welche Schritte plant der Senat dazu wann? Wann und in welcher Form hat der Senat vor, parlamentarische Gremien darüber zu informieren? Das Konzept der Hamburger Kita-Inspektion soll die derzeit auf Bundesebene diskutierten Änderungen des Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) zum Thema „Örtliche Prüfung“ (§ 46 SGB VIII) berücksichtigen, die den Ländern deutlich mehr Möglichkeiten der Überprüfung der Arbeit der Kindertageseinrichtungen gewähren sollen. Ein entsprechender Referentenentwurf ist für den Herbst 2016 angekündigt. Die konzeptionellen Arbeiten der zuständigen Behörde zur künftigen Kita-Inspektion können daher erst abgeschlossen werden, wenn Klarheit über die Änderungen des SGB VIII besteht und Rechtssicherheit hinsichtlich der Einführung einer Kita-Inspektion hergestellt ist. Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. 8. Wie viel soll das eigens erstellte System kosten? Aus welchem Haushaltstitel wird die Erstellung des Systems bezahlt? Die Planungen sind noch nicht abgeschlossen.