BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5308 21. Wahlperiode 26.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp Heißner (CDU) vom 18.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Auswärtige Internatsunterbringung von Kindern und Jugendlichen Nach § 34 SGB VIII hat eine Heimerziehung oder eine sonstige betreute Wohnform das Ziel, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten zu fördern. Zum Stichtag 30.06.2015 wurden laut Antwort des Senats auf eine Große Anfrage zur „auswärtigen Unterbringung bei den Hilfen zur Erziehung“ (Drs. 21/2013) vom 20.11.2015 insgesamt 1.626 Kinder, Jugendliche und Jungerwachsene von der Freien und Hansestadt Hamburg auswärtig untergebracht. Aus der Antwort geht außerdem hervor, dass einige dieser Hamburger Kinder und Jugendlichen in auswärtigen Internaten untergebracht sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Am Stichtag 16.07.2016 waren circa 2 Prozent der Hamburger Kinder und Jugendlichen , die eine Hilfe zur Erziehung gemäß § 34 SGB VIII erhalten, in auswärtigen Internaten untergebracht. Soweit eine Betriebserlaubnis des zuständigen Landesjugendamtes nach § 45 SGB VIII vorliegt und die Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des Angebots gegeben sind, haben die Träger auswärtiger Internate einen Rechtsanspruch auf den Abschluss einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung nach § 78 b SGB VIII mit dem zuständigen öffentlichen Jugendhilfeträger am Ort der Einrichtung. Die Träger sind ihrerseits gemäß §§ 78a bis 78g SGB VIII verpflichtet, Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen mit dem öffentlichen Jugendhilfeträger am Ort der Einrichtung abzuschließen. Die Hamburger Fachämter für Jugend- und Familienhilfe bringen Kinder und Jugendliche im Rahmen einer stationären Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII auf Antrag der Sorgeberechtigten in einem auswärtigen Internat unter, wenn sich diese Maßnahme im Rahmen der individuellen Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII als notwendige und geeignete Hilfe erweist. Ausschlaggebend können schulische, individuelle oder familiäre Probleme beziehungsweise eine Kombination dieser Problemlagen sein. In vielen Fällen liegen besondere Begabungen in Verbindung mit ärztlichen, psychologischen oder therapeutischen Gutachten vor, die den Hamburger Fachämtern für Jugend- und Familienhilfe eine auswärtige Internatsunterbringung empfehlen. Dabei ist das Wunsch- und Wahlrecht der Sorgeberechtigten zu beachten. Nach § 5 SGB VIII haben die Sorgeberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Den Wünschen soll entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Der § 36a SGB VIII schließt die Selbstbeschaffung einer Internatsunterbringung durch die Sorgeberechtigten aus. Drucksache 21/5308 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Es werden keine Zuschüsse zu Internatsunterbringungen gewährt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Aus welchen Gründen werden Kinder und Jugendliche von der Stadt Hamburg in auswärtigen Internaten untergebracht? 2. Auf welche Rechtsgrundlage beruft sich der Senat bei einer Betreuung in auswärtigen Internaten? Bitte genaue Paragraphen, Absätze, Punkte, Abschnitte et cetera des jeweiligen Gesetzes angeben. 3. Von welcher Stelle werden die Internate als Jugendhilfeträger anerkannt ? 4. Wer initiiert in der Regel eine auswärtige Betreuung in Internaten? a. Durch welche Stelle wird eine Internatsunterbringung angeordnet, wenn das Jugendamt zuständig ist? Welche Voraussetzungen müssen für eine solche Anordnung gegeben sein? b. Wer genehmigt eine Internatsunterbringung, falls Eltern eine solche Unterbringung bevorzugen und gegebenenfalls Zuschüsse für die Betreuung erhalten? Welche Voraussetzungen müssen für eine solche Genehmigung gegeben sein? Siehe Vorbemerkung. 5. Wie viele auswärtige Internatsunterbringungen von Kindern und Jugendlichen gab es seit 2011? Bitte nach Fall, Jahr der Überweisung, Dauer der Überweisung, Internat und Grund der Internatsunterbringung aufschlüsseln . In der folgenden Tabelle werden die Anzahl auswärtiger Internatsunterbringungen, die Verweildauern sowie die belegten Einrichtungen nach Kalenderjahren dargestellt. Die Darstellung orientiert sich an der Drs. 18/7745. Daten zum Grund der Unterbringung werden statistisch nicht erfasst. Sie zu ermitteln würde eine Auswertung aller Fallakten erfordern, die in der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand zu leisten ist. Jahr Fallzahl Verweildauer in Monaten Internat 2011 30 1 Monat bis laufend Bugenhagen Berufsbildungswerk Gem. Verein Landschulheim Burg Nordeck Hermann Lietz-Schule Spiekeroog Internat Internat Schloß Rohlstorf Landerziehungsheim Schule Marienau e.V. Landschulheim Grovesmühle Internat Landschulheim Steinmühle Schloß Varenholz Grabbe Internat Verein Evangelisches Internat Dassel e.V 2012 25 2 Monate bis laufend Bugenhagen Berufsbildungswerk CJD Jugenddorf-Christopherusschule Braunschweig Deutsche Nachschule Tingleff Gem. Verein Landschulheim Burg Nordeck Hermann Lietz-Schule Spiekeroog Internat Internat Schloß Rohlstorf Landerziehungsheim Schule Marienau e.V. Landschulheim am Solling Nordsee-Internat St. Peter-Ording Privatschule mit Internat Friedrich Krüger GmbH & Co KG Schloss Torgelow Stiftung Deutsche Landeserziehungsheime Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5308 3 Jahr Fallzahl Verweildauer in Monaten Internat 2013 29 1 Monat bis laufend Berufsbildungswerk Berlin e.V. Bugenhagen Berufsbildungswerk Fachinstitute Blauschek, Internat Gut Böddeken Hermann Lietz-Schule Spiekeroog Internat Internat Schloß Rohlstorf Landerziehungsheim Schule Marienau e.V. Nordsee-Internat St. Peter-Ording Privatschule mit Internat Friedrich Krüger GmbH & Co KG Schloß Varenholz Grabbe Internat Stiftung Louisenlund 2014 25 2 Monate bis laufend Bugenhagen Berufsbildungswerk Diakonie-Hilfswerk Schleswig-Holstein Gem. Verein Landschulheim Burg Nordeck Internat Schloß Rohlstorf Landerziehungsheim Schule Marienau e.V. Landschulheim am Solling Landschulheim Grovesmühle Internat Nordsee-Internat St. Peter-Ording Schloss Torgelow Schloß Varenholz Grabbe Internat Stiftung Louisenlund 2015 21 1 Monat bis laufend DRK Schul - und Therapiezentrum Raisdorf Hermann Lietz-Schule Spiekeroog Internat Internat Schloß Rohlstorf Landerziehungsheim Schule Marienau e.V. Landschulheim Grovesmühle Internat Nordsee-Internat St. Peter-Ording Schloss Torgelow Schloß Varenholz Grabbe Internat Stiftung Deutsche Landeserziehungsheime 2016 5 4 Monate bis laufend Friedrich Krüger Stiftung Internat Schloß Rohlstorf Landerziehungsheim Schule Marienau e.V. Quelle: 2011 PROJUGA-Datawarehouse; 2012 bis 2016 JUS-IT-Datawarehouse; Datenerfassungsstand : 16.7.2016 6. Wie hoch ist der Anteil der auswärtigen Internatsunterbringungen im Vergleich zu allen auswärtigen Unterbringungen von Kindern und Jugendlichen seit 2011? Bitte nach Jahr und Hamburger Bezirk aufschlüsseln . 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Hamburg-Mitte 1,3% 2,2% 1,6% 1,0% 1,1% 1,3% Altona 5,2% 7,7% 6,4% 6,8% 7,4% 6,7% Eimsbüttel 8,6% 7,9% 6,9% 7,7% 5,9% 4,4% Hamburg-Nord 6,8% 8,3% 9,6% 8,7% 7,9% 8,1% Wandsbek 3,0% 4,6% 4,7% 4,6% 4,4% 4,7% Bergedorf 1,8% 2,5% 3,0% 4,2% 3,9% 4,2% Harburg 0,7% 1,3% 1,7% 1,9% 1,2% 1,1% 7. In wie vielen Fällen besuchen die Kinder und Jugendlichen die angegliederten Schulen der Internate? Daten zum Besuch der angegliederten Schulen der Internate werden nicht gesondert statistisch erfasst. Sie zu ermitteln würde eine Auswertung aller Fallakten erfordern, die in der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand zu leisten ist. Drucksache 21/5308 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 8. Welche Kosten entstanden der Freien und Hansestadt Hamburg durch die auswärtige Internatsunterbringung seit 2011? Welchen Anteil trägt die Stadt Hamburg an den Gesamtkosten? In wie vielen Fällen erhalten Eltern Zuschüsse für die Internatsunterbringung? Bitte nach Gesamtkosten , Kind (Durchschnitt und Maximum), Internat und Jahr aufschlüsseln. Die Gesamtkosten der Hilfen gemäß § 34 SGB VIII in Form einer Internatsunterbringung sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Die Kosten je Kind/Jugendlichem sind abhängig von der Verweildauer des Kindes/Jugendlichen in der Einrichtung . Durchschnitts- und Maximalkosten je Kind/Jugendlichem werden statistisch nicht erfasst. Die Kostenträgerschaft bei Leistungen gemäß § 34 SGB VIII ist in §§ 91 fortfolgende SGB VIII geregelt. Vom Einkommen der Sorgeberechtigten ist abhängig, ob und in welcher Höhe von ihnen Beiträge zu den Kosten der Unterbringung zu leisten sind. Der Umfang der Kostenbeiträge der Sorgeberechtigten bei auswärtigen Internatsunterbringungen wird statistisch nicht erfasst. Eine einzelfallbezogene Auswertung ist in der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Internat 2011 2012* 2013 2014 2015 Berufsbildungswerk Berlin e.V. 4.044 € 2.696 € Bugenhagen Berufsbildungswerk 34.297 € 14.819 € 26.368 € 10.305 € 9.992 € Carpe Diem Private Ganztagsschule mit Internat 36.796 € 21.000 € 42.000 € 24.500 € CJD Jugenddorf Ebersbach 34.636 € CJD Jugenddorf- Christopherusschule Braunschweig 73.759 € 30.359 € 29.720 € 23.089 € Deutsche Nachschule Tingleff 4.260 € 1.026 € DRK Schul - und Therapiezentrum Raisdorf 3.554 € Fachinstitute Dipl. Päd. Blauschek Internat Gut Böddeken 25.751 € 6.347 € 43.779 € 34.424 € Friedrich Krüger Stiftung Privatschule mit Internat Friedrich Krüger GmbH & Co KG 12.350 € 55.204 € 67.390 € 45.720 € Gem. Verein Landschulheim Burg Nordeck 36.920 € 48.837 € 71.449 € 50.311 € Gemeinn. Schulträgerverein Landschulheim Burg Nordeck e.V. 4.350 € Hermann Lietz-Schule Spiekeroog Internat 81.555 € 34.980 € 56.701 € 40.330 € 55.927 € Internat Schloß Rohlstorf 696.467 € 340.294 € 695.597 € 663.971 € 869.683 € Krüger Internat und Schulen 4.009 € Landerziehungsheim Schule Marienau e.V. 291.076 € 602.556 € 660.854 € 596.720 € Landschulheim am Solling 15.716 € 12.347 € 35.682 € 49.417 € 74.405 € Landschulheim Grovesmühle Internat 101.091 € 56.525 € 112.128 € 136.294 € 106.086 € Landschulheim Schloß Hamborn 24.230 € Landschulheim Steinmühle 54.871 € Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5308 5 Internat 2011 2012* 2013 2014 2015 Nordsee-Internat St. Peter- Ording 114.310 € 213.808 € 312.767 € 190.380 € Odenwaldschule 23.977 € Schloss Torgelow 68.253 € 29.042 € 67.558 € 68.945 € 70.607 € Schloß Varenholz Grabbe Internat 2.150 € 42.839 € 67.779 € 76.580 € 31.425 € Schule Marienau e.V. 491.847 € Schulverein Burgberg- Gymnasium e.V. 18.000 € 0 € Stiftung Deutsche Landeserziehungsheime 14.354 € 2.337 € 66.759 € Stiftung Louisenlund 53.634 € 92.246 € 73.409 € 71.738 € Theodor-Schäfer- Berufsbildungswerk Husum 9.541 € Verein Evangelisches Internat Dassel e.V 6.909 € Gesamtergebnis 1.808.204 € 1.109.109 € 2.159.940 € 2.325.775 € 2.277.729 € Quelle: 2011 PROJUGA-Datawarehouse; 2012 bis 2015 JUS-IT-Datawarehouse, Datenerfassungsstand : 16.07.2016 * Durch den Wechsel des Fachverfahrens von PROJUGA zu JUS-IT zum 01.07.2012 liegen für das Jahr 2012 nur die Kosten für das zweite Halbjahr vor. 9. Ist es Ziel des Senats, die auswärtige Internatsunterbringung von Kindern und Jugendlichen zu reduzieren oder auszubauen? Wenn ja, welche Maßnahmen sind vorgesehen oder angedacht? Grundsätzlich verfolgt der Senat das Ziel, Hilfen zur Erziehung wohnortnah durchzuführen und leistungsschwächere wie auch leistungsstarke Schülerinnen und Schüler im Hamburger Schulsystem gezielt zu fördern. Die zuständigen Fachbehörden und die Bezirksämter haben eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen und regionale Kooperationsprojekte zwischen Schule und Jugendhilfe für die Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit besonders herausforderndem Verhalten eingerichtet. In diesen Maßnahmen stehen aktuell 419 Plätze zur Verfügung. Durch diese und weitere sozialräumliche Hilfen und Angebote, die sich an Kinder und Jugendliche mit Schulproblemen richten und in enger Zusammenarbeit mit Schulen und den ReBBZ durchgeführt werden, wird ein Beitrag zur inklusiven Bildung geleistet. Im Hamburger Schulsystem stehen 13 Regionale Bildungs- und Beratungsstellen (ReBBZ) zur Verfügung, die Kinder und Jugendliche, Eltern sowie Schulen in Bezug auf schulische Integration und schulischen Erfolg unterstützen.