BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5321 21. Wahlperiode 26.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Kruse (FDP) vom 18.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Weitere Verzögerung beim Bau der Windparks im Hamburger Hafen und eine neue Geldspritze durch die Stadt – Was ist los bei HAMBURG ENERGIE? HAMBURG ENERGIE (HE) plant seit Längerem, im Hafen sechs Windenergieanlagen (WEA) zu errichten. Ausweislich des Jahresabschlusses 2014 sollten diese bereits zum Jahreswechsel 2015/2016 in Betrieb genommen werden. Gemäß dem am 02.05.2016 durch die Gesellschafterversammlung festgestellten Jahresabschluss 2015 von HE sollten die beiden Windparks im Hamburger Hafen mit je drei WKA nach einer ersten Verschiebung des Zeitplans im zweiten Halbjahr 2016 den Betrieb aufnehmen.1 In der Presse ist nunmehr jedoch vom Frühjahr 2017 für die ersten drei Anlagen und „im Laufe des kommenden Jahres“ für die folgenden drei Anlagen die Rede.2 Aufgrund hoher Anforderungen an Sicherungsmaßnahmen im Störungsfall ist es HE nicht möglich, Standardmodelle von Windenergieanlagen zu nutzen. Somit sind die Investitionskosten aufgrund der Standortwahl mit mehr als 33 Millionen Euro enorm hoch. Es stellt sich somit die Frage nach der ökonomischen und ökologischen Sinnhaftigkeit dieser Investition von HAMBURG ENERGIE. Dies gilt umso mehr, als im besagten Artikel von einer Kapitalerhöhung von 10 Millionen Euro bei HE durch die Freie und Hansestadt Hamburg berichtet wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen, teilweise auf der Grundlage von Auskünften von HAMBURG ENERGIE (HE) und der Hamburger Wasserwerke GmbH (HWW), wie folgt: 1. An welchem Standort sollen die ersten drei WEA errichtet werden? Aus welchen Gründen dauern Genehmigung und Errichtung des zweiten Windparks offenbar noch einmal mehrere Monate länger als die des ersten Windparks? Die ersten drei WEA sollen am Standort Trimet bei Altenwerder errichtet werden. 1 Vergleiche auch Senatsantworten zu Fragen 2. bis 2. c. in Drs. 21/3837. 2 Vergleiche http://www.abendblatt.de/hamburg/article207884943/Im-Hafen-entstehen-sechsneue -Windraeder.html. Drucksache 21/5321 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Beim zweiten Projekt auf dem Gelände von ArcelorMittal ist die zeitliche Verzögerung auf Auflagen der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH zurückzuführen, die eine Umplanung der Anlagenhöhen notwendig machen. 2. Wie erklärt sich der eingangs erwähnte Widerspruch zwischen den Zeitangaben im erst Anfang Mai 2016 festgestellten Jahresabschluss (zweites Halbjahr 2016) und den nunmehr in der Presse genannten neuen Zeiträumen für die Inbetriebnahme der Windparks (Jahresverlauf 2017)? Welche konkreten Gründe haben offenbar zwischenzeitlich zu einer weiteren Verzögerung des Projekts um knapp ein Jahr geführt? Warum waren die Schwierigkeiten aufgrund der Neuartigkeit der Umstände und der an den beiden Standorten benötigen Anlagen nicht absehbar? Zur Zeit der Erstellung des Jahresabschlusses ist von einer Inbetriebnahme im Herbst 2016 ausgegangen worden. Dieser Zeitplan ist durch artenschutzrechtliche Abstimmungen im Verlauf des Genehmigungsprozesses verzögert worden. Die in der Antwort zu 1. genannten Umplanungen für die Anlagen bei ArcelorMittal verursachen eine Verzögerung und wirken sich darüber hinaus auf die Lieferzeiten der Anlagen aus. Bei beiden Projekten wurden die für die zeitliche Verschiebung ursächlichen Erkenntnisse erst im Laufe des Genehmigungsprozesses gewonnen. 3. Wie sieht der aktuelle konkrete Zeitplan für die Errichtung der sechs WEA an den einzelnen Standorten jeweils aus? Für den Windpark Trimet haben im Juni 2016 die Bauarbeiten begonnen. Die Anlagen sollen im 1. Quartal 2017 ihren Betrieb aufnehmen. Beim Windpark ArcelorMittal ist der Baubeginn im 2. Quartal 2017 und eine Inbetriebnahme im 4. Quartal 2017 geplant. 4. Wie hoch ist die Gesamtsumme, die für die Errichtung der sechs WEA erforderlich ist? (Bitte nach Planungs-, Beschaffungs- und Baukosten differenziert auflisten sowie aktivierbare Investitionssumme angeben.) Das Investitionsvolumen liegt bei circa 33.000.000 Euro. Bei der detaillierten Darstellung der Zusammensetzung der Investitionssumme handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gemäß § 7 Hamburgisches Transparenzgesetz, die im Falle einer Veröffentlichung geeignet wären, die Wettbewerbsposition der HE zu beeinträchtigen . 5. Wie hoch ist die Gesamtsumme, die für die Errichtung von einer beziehungsweise sechs ähnlichen WEA „auf der grünen Wiese“ erforderlich wäre? Die Kosten von WEA unterliegen individuellen Rahmenbedingungen und Einflüssen und lassen sich nicht abstrakt und verallgemeinernd beziffern. 6. Wie hoch ist die jährliche Pacht, die HE für die Nutzung der jeweiligen Standorte aufbringen muss? Wie lang ist die jeweilige Dauer des Pachtvertrages beziehungsweise der Nutzungsverträge? Auch bei Angaben zur Pacht handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gemäß § 7 HmbTG, siehe dazu Antwort zu 4. 7. Von welchen jährlichen Erlösen geht HAMBURG ENERGIE durch den an diesen Standorten durch die WEA erzeugten Strom aus? Die Windkraftanlagen unterliegen dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) 2014. Eine abschließende Aussage über die jährlichen Erlöse dieser Anlagen ist aufgrund des noch nicht feststehenden Inbetriebnahmedatums und der im Gesetz verankerten Degression der Vergütungen ab 2017 derzeit nicht möglich. Das Gezeichnete Kapital von HE beträgt 1 Million Euro. 2012 wurde zudem eine Kapitalrücklage von weiteren 6 Millionen Euro durch Teilumwandlung eines bislang durch die HE-Alleingesellschafterin Hamburger Wasserwerke GmbH (HWW) gewährten Gesellschafterdarlehens aufgebaut, um die dro- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5321 3 hende bilanzielle Überschuldung aufgrund der bis dahin aufgelaufenen Verluste abzuwenden.3 Ausweislich des Jahresabschlusses 2015 von HE beträgt das Eigenkapital inklusive Gewinnrücklagen, Verlustvortrag und Jahresüberschuss jedoch rund 4,3 Millionen Euro anstelle der in der Presse erwähnten 7 Millionen Euro, also der Summe von Gezeichnetem Kapital und Kapitalrücklage. Das Eigenkapital von HE ist nun offenbar um weitere 10 Millionen Euro aufgestockt worden. Hierzu heißt es im besagten Artikel: „Weitere zehn Millionen Euro hat nun die Stadt Hamburg zugeschossen.“ Eine solche Kapitalerhöhung wurde auch bereits im kürzlich veröffentlichten Jahresabschluss 2015 von HE angekündigt. Sie wird dort mit dem Ziel verbunden, eine „branchenübliche Eigenkapitalisierung“ zu erreichen und einen „überproportionalen Anstieg der Verbindlichkeiten“ zu vermeiden. Dem Artikel des „Hamburger Abendblatts“ zufolge soll die Kapitalerhöhung dazu dienen, bei Banken niedrige Zinsen für Kredite zu erhalten. Der Jahresabschluss 2015 der HE verweist in diesem Zusammenhang ferner auf die Bürgschaften der Allein- Gesellschafterin HWW und der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH), mit denen knapp 63 Millionen Euro Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten besichert werden. 8. Womit erklärt sich die Differenz zwischen den Angaben zum bisherigen Eigenkapital im Jahresabschluss 2015 und der in der Presse gemeldeten Zahlen? Inwieweit wurde hier beispielsweise ein Ausgleich des bisherigen Verlustvortrags durch HWW und/oder die FHH vorgenommen? Der Senat sieht in ständiger Praxis davon ab, zu Presseberichten Stellung zu nehmen . HE ist vom Gesellschafter mit einer Summe von 7.000.000 Euro Eigenkapital ausgestattet . Aufgrund notwendiger Anlaufkosten und entsprechend negativer Jahresabschlüsse in den ersten Jahren, die vorgetragen wurden, reduziert sich das Eigenkapital auf 4.300.000 Euro zum Bilanzstichtag 2015. Ein Ausgleich des Verlustvortrages durch HWW oder die FHH ist nicht erfolgt. 9. Was ist unter einer „branchenüblichen Eigenkapitalisierung“ zu verstehen ? (Bitte Eigenkapitalquoten-Benchmark beziehungsweise die Eigenkapitalquoten vergleichbarer Konkurrenten angeben.) Siehe Drs. 21/838. 10. Wann genau wurde durch wen und in welcher Form die erwähnte Kapitalerhöhung um 10 Millionen Euro bei HE durchgeführt? Der Aufsichtsrat der HWW beschloss am 30.Juni 2016 mit Wirkung zum 1. Juli 2016 die Eigenkapitalerhöhung in Höhe von 10.000.000 Euro durch Zuführung zur Kapitalrücklage . 11. In welchem Umfang wurden insbesondere Einlagen durch die FHH selber geleistet? Aus welcher Produktgruppe beziehungsweise welchem Aufgabenbereich wurde dies zulasten welcher Produktgruppe beziehungsweise welchen Investitionsvorhabens finanziert? Es wurden keine Einlagen durch die FHH geleistet. 12. Wurde durch die FHH – gegebenenfalls auch über die HGV – eine Zuwendung an die HWW geleistet, die auch dem Zweck der Kapitalerhöhung bei HE dienen sollte? Wenn ja, wann genau? Nein. 3 Vergleiche Gutachten des Rechnungshofs zu Hamburg Energie (Drs. 20/10086), Textziffer 63. Drucksache 21/5321 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 13. Wie hoch sind die von HE zu leistenden Garantiegebühren für die Bürgschaften der Gesellschafterin beziehungsweise der FHH prozentual und absolut? In welcher Höhe wurden sie 2015 und im bisherigen Jahresverlauf 2016 tatsächlich an jeweils wen in jeweils welcher Höhe gezahlt? Die von HE jährlich zu zahlende Bürgschaftsprovision beträgt 1 Prozent des jeweils valutierenden Haftungsvolumens. Im Jahr 2015 zahlte HE insgesamt 393.000 Euro an die FHH und 59.000 Euro an die HWW, bis Ende Juni 2016 382.000 Euro an die FHH und 48.000 Euro an die HWW. 14. Wurde der Sachverhalt der Ausfallgarantien/Bürgerschaften durch die Gesellschafterin beziehungsweise die FHH auf beihilferechtliche Konformität geprüft? Wenn ja, wann zuletzt durch wen und mit welchem Ergebnis? Ja, die beihilferechtliche Konformität wird vor jeder Übernahme einer Bürgschaft durch die für Finanzen zuständige Behörde in Abstimmung mit der jeweils zuständigen Fachbehörde geprüft. Eine Bürgschaft wird nur übernommen, wenn die Voraussetzungen der beihilferechtlichen Unbedenklichkeit vorliegen. Zuletzt wurden im Juli 2015 drei Bürgschaften zugunsten HE übernommen. Einzelne Tochterunternehmen von HE weisen gemäß Jahresabschluss 2015 ein negatives Eigenkapital auf. Dies betrifft insbesondere die Hamburg Energie Solar GmbH, deren Eigenkapital sich auf −1,1 Millionen Euro beläuft, obgleich sie von HE zu ihren 590.000 Euro Anschaffungskosten bilanziert wird. Nahezu alle weiteren Tochterunternehmen der HE, so auch die Hamburg Energie Wind GmbH, verfügen über ein deutlich niedriges Eigenkapital als ihre Anschaffungskosten 15. Wie soll mit dem negativen Eigenkapital der Hamburg Energie Solar GmbH weiter umgegangen werden? Welche Strategien und Pläne bestehen, es auszugleichen? Aufgrund der geplanten Geschäftsentwicklung und der damit zu erwartenden Ergebnisverbesserungen und Liquiditätsüberschüsse der Hamburg Energie Solar Betriebs GmbH geht die Hamburg Energie Solar GmbH von einer Verbesserung der wirtschaftliche Lage aus, sodass das negative Eigenkapital in den kommenden Jahren ausgeglichen werden kann. 16. Jeweils welche Tochterunternehmen und Beteiligungen von HE sind eigene Ausgründungen, deren Anschaffungskosten sich lediglich aus der jeweiligen Kapitaleinlage und gegebenenfalls zwischenzeitlich erfolgten Kapitalerhöhungen zusammensetzen? Wie hoch waren die jeweiligen Anschaffungskosten und wie hoch ist ihr jeweiliges Eigenkapital derzeit? Keine. 17. Welche Beteiligungen sind auf jeweils welcher anderen Grundlage, zum Beispiel einem Ertragswertverfahren oder Ähnliches, angeschafft und bilanziert worden? In allen Fällen wurde das Ertragswertverfahren zugrunde gelegt. Bei Ankäufen wurde eine Due-Diligence-Prüfung durch einen externen Wirtschaftsprüfer vorgenommen. Die Bilanzierung erfolgt auf Basis der Anschaffungskosten. Eine Übersicht der Beteiligungen ist dem Geschäftsbericht des Jahres 2015 zu entnehmen. Der Artikel im „Hamburger Abendblatt“ vom 15.07.2016 erwähnt einen Jahresumsatz von 283 Millionen Euro. Der Jahresabschluss 2015 von HE weist jedoch einen Jahresumsatz von circa 273 Millionen Euro – laut Bericht zur Geschäftsentwicklung circa 264,5 Millionen Euro – in 2015 und 242,5 Millionen Euro in 2014 aus. Für das Jahr 2016 wird dem Prognosebericht zufolge seitens HE mit einem „Umsatz von insgesamt ca. 262 Mio. Euro und einem positiven Jahresergebnis von ca. 850 TEUR“ gerechnet. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5321 5 18. Hat die Umsatz- und Ergebnis-Prognose aus dem Jahresabschluss 2015 weiterhin Bestand? Wenn nein, in welcher Weise ist sie zwischenzeitlich auf welche Zielwerte angepasst worden? Die genannte Verzögerung bei den Windparks führt im Jahr 2016 zu einem negativen Einfluss von 290.000 Euro auf das geplante Jahresergebnis. HE geht davon aus, eine Kompensation dieses Effekts durch einen positiven Geschäftsverlauf zu erreichen. 19. Wie hoch waren die Kosten der FHH und ihrer öffentlichen Unternehmen für den Bezug von Energie (Strom und/oder Gas) von HE im Jahr 2015? Mit welchen Kosten wird für 2016 gerechnet? 20. Welcher Anteil am Umsatz von HE wurde beziehungsweise wird folglich etwa mit der Kundin FHH sowie ihren öffentlichen Unternehmen gemacht? Der Umsatz inklusive durchlaufender Posten wie Netzentgelte, Umlagen und Energiesteuern belief sich in 2015 auf 117.700.000 Euro, was einem Umsatzanteil von 43 Prozent entspricht. In 2016 ist ein Umsatz von 58.600.000 Euro mit der FHH und öffentlichen Unternehmen geplant, was einem Anteil von 22 Prozent am gesamten Planumsatz entspricht.