BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5331 21. Wahlperiode 26.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 19.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Was steckt konkret hinter den Absichtserklärungen bei der Salafismusprävention ? Das Problem ist im Großen und Ganzen inzwischen auch vom rot-grünen Senat erkannt, allerdings sprechen die Zahlen auch eine deutliche Sprache. Allein aus Hamburg reisten in den letzten Jahren 70 radikalisierten Salafisten in den Dschihad Richtung Syrien und den Nordirak. Zudem beobachtet der Verfassungsschutz derzeit 580 Salafisten in Hamburg, und offenbar gibt es erhebliche Probleme mit minderjährigen Flüchtlingen, bei denen mehrere Fälle von Radikalisierung gemeldet wurden. Sozialsenatorin Melanie Leonhard hat daher angekündigt, die Mittel für die Salafismusprävention aufzustocken . 2016 sollen 1,34 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, was allerdings angesichts massiv gestiegener Probleme in diesem Bereich im Vergleich zu den 2014 beschlossenen 1,1 Millionen Euro der Drs. 20/13460 nur eine überschaubare Erhöhung darstellt. Und für die Jahre 2017/2018 heißt es nur vage „jeweils bis zu 4 Millionen Euro“. Zudem wurde nicht deutlich , welche der vorgestellten zusätzlichen Maßnahmen bereits 2016 erfolgen sollen und was für die Folgejahre geplant ist. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: In der Drs. 21/5039 hat der Senat die Arbeitsschwerpunkte für die Weiterentwicklung des Senatskonzepts „Effektive Maßnahmen gegen gewaltsamen Salafismus und religiösen Extremismus ergreifen“ in den nächsten zwei Jahren dargestellt und benannt. Die Umsetzung einzelner Maßnahmen wird sukzessive und unter Beteiligung des Beratungsnetzwerks Prävention und Deradikalisierung entwickelt und finanziert. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann hat sich das Beratungsnetzwerk, das über die zu ergreifenden Maßnahmen berät, 2015 und 2016 jeweils getroffen? Vertreter welcher Behörden und Organisationen nahmen jeweils teil? Der behördenübergreifende Steuerungskreis des Beratungsnetzwerkes Prävention und Deradikalisierung tagte 2015 und 2016 am 12.02.2015, 23.03.2015, 11.05.2015 (mit der Staatsrätin/den Staatsräten der zuständigen Fachbehörden), 20.07.2015, 22.10.2015 (mit den Staatsrätinnen/Staatsräten sowie den Spitzen der muslimischen Gemeinschaften und der Alevitischen Gemeinde), 02.12.2015, 22.01.2016, 11.04.2016, 18.04.2016 und 10.05.2016 (mit der Staatsrätin/den Staatsräten). Der nächste Termin mit der Staatsrätin/den Staatsräten sowie den Spitzen der muslimischen Gemeinschaften und der Alevitischen Gemeinde ist für den 31.10.2016 terminiert . Zu den Mitgliedern des Steuerungskreises siehe Drs. 21/5039. Das Beratungsnetzwerk Prävention und Deradikalisierung tagte 2015 und 2016 am 19.01.2015, 27.01.2015, 15.04.2015, 10.06.2015, 10.09.2015, 19.11.2015, Drucksache 21/5331 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 10.12.2015, 23.03.2016, 08.06.2016 und 22.06.2016. Alle Mitglieder des Beratungsnetzwerkes (siehe Drs. 21/5039) sind bei den Netzwerksitzungen, soweit es ihnen organisatorisch möglich ist, vertreten. 2. Für das Jahr 2016 sind 1,34 Millionen Euro vorgesehen. Woher stammen diese Mittel? Siehe Drs. 21/5039. 3. Wie viel der Gelder erhalten BASFI, BSB, JB, Polizei, LKA und LfV jeweils für die Finanzierung der von ihnen koordinierten Maßnahmen und welche sind dies jeweils? Siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/5138. 4. Für 2017/2018 sind jeweils bis zu 4 Millionen Euro vorgesehen. Wie viel davon soll jeweils vom Bund stammen? Mittel in welcher Höhe hat der Senat bei seinen Haushaltsbeschlüssen im Juni genehmigt? Eingerechnet sind nur Mittel der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Senat hat im Rahmen der Haushaltsberatungen vom 20. bis 22. Juni 2016 den Haushaltsplan- Entwurf 2017/2018 mit redaktionellen Ermächtigungen sowie unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Beratungen beschlossen. Im Rahmen dieser Anpassungsermächtigungen werden Änderungen im Haushaltsplan-Entwurf derzeit noch geprüft beziehungsweise umgesetzt. Bis zum Abschluss dieses Prozesses sieht der Senat davon ab, Auskunft über lediglich vorläufige Stände zu geben. 5. Welche Maßnahmen sollen 2017, welche 2018 mit den zusätzlichen Mittel jeweils finanziert werden? Siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/5138. 6. Bisher erhält Legato 300.000 Euro. Wie viel soll es 2016, 2017 und 2018 sein? Wieso arbeitet Legato hauptsächlich mit halben Stellen? Abgesehen davon, dass sich keiner der Mitarbeiter allein durch diese Tätigkeit seinen Lebensunterhalt verdienen kann, ist jeder der Ansprechpartner immer nur zu überschaubaren Zeiten erreichbar, dabei ist ein fester Ansprechpartner in solch einem sensiblen Bereich von großer Bedeutung . Die Beratungsstelle Legato wird ab 1. Oktober 2016 um zwei Stellen aufgestockt. Die Träger haben entschieden, ihre Stellen mit Teilzeitkräften zu besetzen, da hierdurch die notwendige Vielfalt an Fach- und Sprachkompetenzen des Legato-Teams gewährleistet werden kann. Die Erreichbarkeit der Beratungsstelle wird durch eine zentrale Rufnummer sichergestellt, die Teammitglieder sind für ihre Klientinnen und Klienten darüber hinaus regelhaft kurzfristig erreichbar. 7. Wer koordiniert die Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften? Die behördliche Ansprechpartnerin für die Religionsgemeinschaften ist die Netzwerkkoordinierung im Amt für Arbeit und Integration in der BASFI. 8. Wie viel der für die Salafismusprävention vorgesehenen Gelder erhielten die muslimischen Gemeinden 2015 und wie viel soll es 2016 sein? Es findet keine Förderung einzelner Moscheegemeinden statt. 9. Schulleitungen und Lehrkräfte sollen zum Thema Salafismus fortgebildet werden. Gibt es hierfür bereits einen Lehr- und einen Zeitplan? Welche finanziellen Mittel stehen hierfür zur Verfügung? Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) qualifiziert und berät seit 2013 laufend Schulleitungen, Lehrkräfte und Sozialpädagoginnen/-pädagogen als Teil der Regelaufgaben. Die Fortbildungen und Beratungen werden sowohl zentral als auch anfragebezogen und schulspezifisch angeboten. Bewährte Angebote im Jahresprogramm des LI sind zum Beispiel „Umgang mit Islamismus an der Schule“ und „Radikalisierung verstehen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5331 3 und begegnen. Rechts- und Handlungssicherheit im Umgang mit Islamismus und Rechtsextremismus." Dezentrale anliegenorientierte Fortbildungen werden schulspezifisch zugeschnitten, hier werden unter anderem Themen wie herausforderndes Verhalten von salafistisch orientierten Jugendlichen, Umgang mit Religion an der Schule und Fallberatung vor Ort abgefragt. Aufgrund der Anliegenorientierung liegt kein „Curriculum“ für Lehrerfortbildungen in diesem Bereich vor. Die inhaltliche Abstimmung und Weiterentwicklung findet sowohl im Rahmen des Netzwerks für Prävention und Deradikalisierung als auch der eigenen Weiterbildung der Fortbildnerinnen und Fortbildner statt. Die in Drs. 21/5039 beschriebene Weiterentwicklung der Qualifizierung von Schulen sieht vor, dass ab dem Schuljahr 2016/2017 zusätzlich zu den regelhaft angebotenen Fortbildungsmaßnahmen fachliche und vermehrt zielgruppenspezifische Angebote entwickelt werden. Im Übrigen siehe Drs. 20/13020, Drs. 20/13214, Drs. 20/13241, Drs. 20/13716, Drs. 21/58, Drs. 21/437, Drs. 21/954, Drs. 21/1204, Drs. 21/1706, Drs. 21/2622, Drs. 21/3355 und Drs. 21/3445. 10. Mädchen sollen vermehrt in den Blick der Präventionsarbeit kommen. Doch welche Maßnahmen stecken hinter dieser Absichtserklärung? Wer soll diese koordinieren und welche Mittel sind dafür vorgesehen? Siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/5139. 11. Gleich an mehreren Stellen wird in der Drs. 21/5039 zur Salafismusprävention betont, dass minderjährige unbegleitete Flüchtlinge (MuFls) eine besondere Herausforderung darstellten, weil sie über keinerlei soziales Netz verfügten und auch daher leichte „Beute“ für die Anwerbungsversuche von Salafisten seien. Allerdings werden nirgendwo Zahlen genannt. Daher: Diese Behauptung trifft sachlich nicht zu. Vielmehr wird in der Drucksache darauf hingewiesen , dass durch das Fehlen insbesondere familiärer Netzwerke den Bezugsbetreuerinnen und -betreuern eine besondere Rolle zukommt. Da Kriegserfahrungen, Fluchtgeschichten und das Ankommen der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten in Deutschland in manchen Fällen mit psychischen Problemen einhergehen, die auch zu einer Hinwendung zum religiösen Extremismus führen können, hat der Senat alle Erstversorgungseinrichtungen mit Beratungsangeboten von Kinder- und Jugendpsychiatern ausgestattet. a) Wie viele MuFls sind 2015 und 2016 wegen Hinweisen auf eine Radikalisierung ins Blickfeld der Behörden geraten? Die Sicherheitsbehörden beobachten fortlaufend die Lage. Eine auswertbare Erfassung von Personen, die im Sinne der Fragestellung ins Blickfeld der Sicherheitsbehörden gelangen, erfolgt bei der Polizei erst, soweit die Voraussetzungen für eine Speicherung in PMK (politisch motivierte Kriminalität) vorliegen, beim Landesamt für Verfassungsschutz, wenn die Voraussetzungen nach § 4 und 9 HmbVerfschG vorliegen . b) Wie oft wendeten sich LEB-Betreuer an Legato? Die Beratungsstelle Legato wird intensiv durch die Fachkräfte des Landesbetriebs Erziehung und Beratung (LEB) genutzt. Seit Juli 2015 hat Legato in 17 Fällen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LEB beraten. Zur Einordung und Bewertung dieser Zahlen wird darauf hingewiesen, dass am Stichtag 30.06.2016 1.354 unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Hamburg lebten. Davon wurden 900 im Rahmen der Erstversorgung und 454 in einer Folgeunterbringung im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung betreut. Darüber hinaus lebten zum Stichtag weitere 895 unbegleitet und minderjährig eingereiste Geflüchtete als Volljährige in Hilfen für junge Volljährige nach dem SGB VIII. Drucksache 21/5331 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 c) Wie viele Gespräche mit MuFls wurden von Legato hierzu geführt? Keine. Die entscheidenden Akteure in der Distanzierungsarbeit mit den unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten sind die Bezugsbetreuerinnen und -betreuer. Diese erhalten Beratung und Coaching durch Legato. Falls theologische Fragen relevant sind, ergänzen die Kooperationspartner aus den Religionsgemeinschaften das Beratungsangebot . d) Welche Maßnahmen ergreift der LEB, um MuFls über die Gefahren durch Salafisten zu warnen? Präventiv thematisiert der LEB mit den Betreuten in den Erstversorgungseinrichtungen die Themen religiöse Toleranz, religiös begründeter Extremismus und religiös legitimierte Gewalt in der Regel über Gruppengespräche durch das Betreuungspersonal, individuelle Ansprache durch das Betreuungspersonal bei Verdachtsmomenten wie insbesondere Veränderungen im Verhalten und der äußeren Erscheinung, gegebenenfalls auch unter Hinzuziehung der Beratungsstelle Legato, Aufklärung in Gruppen durch den polizeilichen Jugendschutz. 12. Auch heißt es, ab Juli werde verstärkt daran gearbeitet, einen Beratungsansatz für MuFls zu entwickeln. a) Wer entwickelt diesen? b) Zu wann soll er fertig sein? c) Gibt es bereits Erkenntnisse aus der Praxis der letzten Monate, die in die Ausarbeitung einfließen sollen? Die Beratungsstelle Legato entwickelt die Fachkräfteberatungen ständig im Licht neuer Entwicklungen und Erfahrungen weiter. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 13. Angeblich saßen in den letzten Monaten rund zehn MuFls in Untersuchungshaft , maximal zwei in Strafhaft (Drs. 21/3877). a) Wieso wird angesichts der überschaubaren Zahl in der Mitteilung zur Salafismusprävention die Gruppe der MuFls in der JVA Hahnöfersand dann als „besondere Herausforderung“ betrachtet? Neben der Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge stellt auch die Gruppe der heranwachsenden Flüchtlinge eine besondere Herausforderung für den Justizvollzug dar. Erfahrungen in der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand haben gezeigt, dass minderjährige und heranwachsende unbegleitete Geflüchtete überproportional an Tätlichkeiten gegen andere Gefangene beteiligt sind und Sicherheit und Ordnung der Anstalt entsprechend gefährden. Da eine geringe Impulskontrolle und erhöhte Gewaltbereitschaft sowie eine der Altersgruppe immanente Verführbarkeit, die noch durch Bindungs- und oft Perspektivlosigkeit verstärkt wird, eine erhöhe Gefährdung auch für religiösen Extremismus mit sich bringen, stellen diese Gefangenen eine besondere Herausforderung dar. b) Vier zusätzliche Sozialpädagogen, zwei Lehrkräfte und ein Ausländerberater wurden schließlich extra eingestellt. Für wen wurden diese warum eingestellt? Derzeit sind von den genannten Stellen eine Stelle für Lehrkräfte im Umfang von 50 Prozent und eine Stelle Ausländerberater ebenfalls im Umfang von 50 Prozent besetzt. Das Besetzungsverfahren der anderen Stellen dauert an. Die Lehrerin führt Sprachunterricht durch. Der arabisch sprechende Ausländerberater steht für die Verständigung – auch unter Beachtung interkultureller Aspekte – sowie für die Freizeitgestaltung der minderjährigen und heranwachsenden unbegleiteten Geflüchteten zur Verfügung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5331 5 c) Aus welchen Herkunftsländern stammen die MuFls und was waren die Haftgründe? Bitte nach Monaten aufschlüsseln. Herkunftsland 1. Januar 2016 1. Februar 2016 1. März 2016 1. April 2016 20. Juli 2016 Ägypten 2 4 2 2 1 Algerien 3 2 3 3 3 Marokko 4 5 4 5 3 Tunesien 1 2 2 1 1 Syrien 1 0 0 0 1 Libyen 0 0 0 1 1 Afghanistan 0 0 0 0 1 Herkunftsland ungeklärt 0 1 0 0 0 Haftgrund bei allen Untersuchungsgefangenen war Fluchtgefahr.