BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5339 21. Wahlperiode 26.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 19.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebegewahrsam am Hamburger Flughafen (III) Hamburg soll nach Plänen des Senats als erstes Bundesland einen sogenannten Ausreisegewahrsam im Transitbereich des Flughafens Hamburg erhalten. Mithilfe der Asylrechtsverschärfung der großen Koalition (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015) können strafrechtlich unschuldige Menschen vor ihrer Abschiebung bis zu vier Tage „in Gewahrsam“ genommen, also ihrer Freiheitsrechte beraubt werden. Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Inhaftierung von strafrechtlich unschuldigen Menschen zum Zwecke der Sicherstellung der Abschiebung grundsätzlich. Die mit der Inhaftierung einhergehenden psychischen und physischen Folgen seien völlig unverhältnismäßig. Der Senat konnte auf meine Schriftlichen Kleinen Anfragen (Drs. 21/3199 und Drs. 21/3600) im Februar und März nur wenig konkrete Antworten geben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Richterliche Anordnungen von Ausreisegewahrsam nach § 62b Aufenthaltsgesetz (AufenthG) setzen voraus, dass der betreffende Ausländer seiner gesetzlichen Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht nachgekommen ist und dass er fortgesetzt seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten verletzt oder er über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie ist der Stand der Planungen des Senats in der Ausgestaltung des Ausreisegewahrsams? Die Planungen sind größtenteils abgeschlossen. 2. Gibt es eine Verordnung/Dienstanweisung zur Beantragung von Ausreisegewahrsam oder wird es eine geben? Wenn ja, bitte anhängen. Eine Dienstanweisung wird derzeit erarbeitet. 3. Plant der Senat in Amtshilfe auch Personen in der Zuständigkeit anderer Bundesländer in Gewahrsam zu nehmen? Drucksache 21/5339 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Wenn ja, aus welchen Bundesländern beziehungsweise mit welchen Ländern werden Kooperationsgespräche geführt, aus welchen Ländern gab es diesbezüglich Anfragen? Siehe Drs. 21/4993. 4. Inwiefern ist vorgesehen, dass Personen aus dem Gewahrsam „freiwillig “ ausreisen können? Inwiefern werden dabei Rückkehrhilfen gewährt? Die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise besteht. Rückkehrhilfen sind zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorgesehen. 5. Will der Senat die in Gewahrsam Genommenen nach Geschlechtern getrennt unterbringen? a. Will der Senat auch Familien in Gewahrsam nehmen? Wenn ja, gemeinsam? Wenn ja, auch gemeinsam mit anderen Personen? b. Will der Senat auch Minderjährige in Gewahrsam nehmen? Wenn ja, auch unbegleitete? Siehe Drs. 21/3600. Im Rahmen der Entwicklung von Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung wird auch das Ziel verfolgt, im Rahmen von Abschiebungen eine auch vorübergehende Trennung von Kindern von beiden Elternteilen nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Anforderungen an Abschiebungen von Familien mit Kindern sind dabei besonders hoch. Diese Gesichtspunkte sind im Rahmen eines Ausreisegewahrsams besonders zu berücksichtigen. 6. Inwiefern wird es ein Besuchsrecht geben? Es wird ein Besuchsrecht geben. 7. Inwiefern wird der Zugang zu rechtlicher, medizinischer und sozialer Beratung gewährleistet? Rechtliche Beratung kann im Rahmen des Besuchsrechts wahrgenommen werden. Darüber hinaus sollen zwei Sozialpädagogen für die soziale Betreuung und Beratung vor Ort sein. Die erforderliche medizinische Versorgung wird gewährleistet sein. 8. Inwiefern sind die Verhandlungen der Innenbehörde mit dem Flughafen Hamburg über die Einrichtung eines Ausreisegewahrsams am Flughafen vorangeschritten? Mit welchen Ergebnissen? Die Verhandlungen sind abgeschlossen. Es wurde Einigkeit erzielt, den Ausreisegewahrsam auf dem Gelände des Flughafens zu errichten. 9. Inwiefern haben bauliche Maßnahmen bereits begonnen? Welche Standards soll die Einrichtung erfüllen (beispielsweise Quadratmeterzahl pro Person, Einzelzellen, Gemeinschaftsräume, Kantine und so weiter)? Die Planungen der baulichen Maßnahmen sind größtenteils abgeschlossen. Mit der Umsetzung wird im August 2016 begonnen. Die in Gewahrsam genommenen Personen werden in Einzelzimmern mit separatem Raum für WC und Waschbecken untergebracht . Die Einzelzimmer sind (eingerechnet der separate Raum für WC und Waschbecken) 14,5 m² groß. Außerdem verfügt die Einrichtung über vier Gemeinschaftsräume , zwei Raucherräume, ein Spielzimmer, eine Essensausgabe, zwei Duschbereiche und zwei Außenbereiche. 10. Inwiefern sollen in der Einrichtung auch private Firmen eingesetzt werden ? a. Wenn ja, für welche Aufgaben, mit welchen wird dazu verhandelt, beziehungsweise welche werden eingesetzt werden? b. In der Ausschreibung der Stellen für zwölf Sachbearbeiter/-innen im Ausreisegewahrsam heißt es, dass ein Sicherheitsdienst zur Unterstützung eingesetzt werden soll. Welches Unternehmen soll diese Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5339 3 Aufgabe wahrnehmen? Wie viele Sicherheitsleute sollen jeweils vor Ort sein? Aus welchem Grund beauftragt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde ein Sicherheitsunternehmen anstatt die Aufgaben mit eigenen Mitarbeitenden oder Justizvollzugsbediensteten zu erfüllen? Die Einrichtung wird mit eigenen Mitarbeitern des Einwohner-Zentralamts betrieben. Der Sicherheitsdienst wird, wie in den Dienstgebäuden des Einwohner-Zentralamts üblich, von der Firma WEKO Sicherheitsdienste GmbH gestellt. Die Zahl der eingesetzten Sicherheitskräfte steht noch nicht fest. Es werden bei Gewahrsamnahmen zu jeder Tages- und Nachtzeit auch eigene Mitarbeiter des Einwohner-Zentralamtes vor Ort sein. Im Übrigen siehe Antwort zu 12. 11. Auf welcher Fläche beziehungsweise in welchem Gebäude des Flughafens soll der Ausreisegewahrsam entstehen? Befindet sich diese/s im Transitbereich des Flughafens? Der Ausreisegewahrsam wird im westlichen Teil des Flughafengeländes errichtet. Das Gelände befindet sich nicht im Transitbereich. a. In welchem Besitz befindet sich die Fläche beziehungsweise das Gebäude? Die Fläche befindet sich im Besitz des Flughafens Hamburg. b. Mit welchen Kosten rechnet der Senat aktuell? Die zuständige Behörde kalkuliert mit monatlichen Kosten für die Anlage in Höhe von circa 40.000 Euro und Einmalkosten für die Herstellung des Geländes. Die endgültigen Kosten werden nach Fertigstellung abgerechnet. 12. Der Senat bezeichnet den Abschiebegewahrsam als „eine ausländerrechtliche und keine justizielle Einrichtung“. Was bedeutet das konkret für die Praxis? Bitte genau beschreiben. Der Ausreisegewahrsam wird vom Einwohner-Zentralamt betrieben und ist keine Einrichtung der Justizbehörde. Im Übrigen siehe Drs. 21/4993. 13. Welche Haftgründe müssen genau vorliegen, um Ausreisegewahrsam anzuordnen? Bitte detailliert darstellen auch in Abgrenzung zur Abschiebungshaft . Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme sind in § 62b AufenthG festgelegt. Die Voraussetzungen für Abschiebehaft werden in § 62 AufenthG normiert. Die Abgrenzungen ergeben sich aus den dort im Einzelnen beschriebenen Voraussetzungen für entsprechende Anordnungen. 14. Ist es denkbar, dass Menschen, deren Abschiebung scheitert, länger als vier Tage im Ausreisgewahrsam festgehalten werden? Wenn ja, auch welcher Grundlage? Nein, siehe § 62b AufenthG. 15. Sollen vor Ort künftig auch sogenannte Flughafenverfahren stattfinden? Nein. 16. Gibt es am Hamburger Flughafen derzeit schon Räumlichkeiten, wo Menschen festgenommen werden beziehungsweise sich in Gewahrsam befinden? a. Wenn ja, wie viele Plätze gibt es? b. Werden Menschen nach Ankunft zur Überprüfung des Falles festgehalten oder vor der Abschiebung oder beides? Die Polizei Hamburg verfügt über keine Räumlichkeiten im Sinne der Anfrage. Der zuständigen Behörde ist bekannt, dass die Bundespolizei als Grenzpolizei am Flughafen Hamburg über Räume verfügt, welche zur Ingewahrsamnahme zu nutzen sind, Drucksache 21/5339 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 unter anderem zur Durchführung des Verfahrens nach § 18a Asylgesetz. Die Bundespolizei wurde beteiligt, teilte jedoch mit, dass die Bundesregierung und damit die Bundespolizei nicht den Kontrollrechten einzelner Abgeordneter eines Länderparlaments unterliege und daher keinen Beitrag liefere.