BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5344 21. Wahlperiode 26.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 19.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Ermittlungsbericht - Seit Jahren Fehler in den Arbeitsabläufen? Der von Senator Steffen vorgestellte „Ermittlungsbericht zur Entlassung eines Sicherungsverwahrten im Jahr 2016“ kritisiert strukturelle Probleme in den Arbeitsabläufen, eine mangelhafte Berichtsstruktur und ein lückenhaftes Controlling. In dem Bericht wird beispielsweise deutlich, dass kein Vertreter der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel im Verfahren vor dem Landgericht und dort insbesondere an der Anhörung im Februar 2016 teilgenommen hatte.1 Das Landgericht hatte in der Terminladung zur Anhörung am 11. Februar 2016 deutlich gemacht, dass es die Anwesenheit eines Teilnehmers aus der JVA Fuhlsbüttel wünscht. Zu klären ist, inwieweit es gängige Praxis in der JVA ist, gerichtlichen Ladungen nicht Folge zu leisten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Warum war kein Vertreter der JVA Fuhlsbüttel bei der Anhörung im Landgericht im Februar 2016 anwesend? 2. Stimmt es, dass der für die Teilnahme an der Anhörung im Februar 2016 zuständige Vollzugsleiter am Tag der Anhörung nicht im Dienst war? Ja. Der für den Bereich der Sicherungsverwahrung zuständige Vollzugsleiter war an dem Tag der Anhörung nicht im Dienst. Ein Vertreter für die Wahrnehmung des Termins wurde nicht bestimmt. Wenn nein, warum wurde kein Vertreter zur Teilnahme an der Anhörung geschickt? Inwieweit war die Justizbehörde darüber informiert? Siehe Antwort zu 1. Im Übrigen war die zuständige Behörde nicht darüber informiert, dass kein Vertreter zur Teilnahme an der Anhörung geschickt wurde. 3. Entspricht es aus Sicht des Senats der üblichen Praxis an gerichtlichen Terminen nicht teilzunehmen? Wenn ja, seit wann und warum? Gerichtliche Ladungen eines Sicherungsverwahrten gehen auf dem Postweg in der Anstalt und per Fax in der Vollzugsgeschäftsstelle ein. Ein Vertreter der Anstalt nimmt jedoch nur dann am Anhörungstermin teil, wenn dies von der Strafvollstreckungskammer ausdrücklich gewünscht wird. Das ist nicht in allen Anhörungsfällen, bei Sicherungsverwahrten jedoch regelmäßig der Fall. Zwischen den Strafvollstreckungskammern und der Anstalt hat sich ein in aller Regel gut funktionierendes Verfahren 1 Ermittlungsbericht zur Entlassung eines Sicherungsverwahrten im Jahr 2016, Seite 21. Drucksache 21/5344 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 eingespielt, wonach auf der Ausfertigung der Terminladung, welche der Anstalt zur Kenntnis übersandt wird, zum Beispiel Folgendes vermerkt wird: „Um Teilnahme eines instruierten Vertreters der Anstalt am Anhörungstermin wird gebeten.“ Eine förmliche Ladung eines Vertreters der Anstalt erfolgt in der Regel nicht. Sofern die Information über die Terminierung einer Anhörung eines Sicherungsverwahrten oder Strafgefangenen den beschriebenen Hinweis enthält, entspricht es der üblichen Praxis, dass ein instruierter Vertreter der Anstalt an dem Anhörungstermin teilnimmt. 4. Nach welchen Kriterien wird die gerichtliche Teilnahme der JVAs und Staatsanwaltschaft beurteilt? Wer entscheidet darüber? Das Gericht entscheidet individuell im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit, ob es die Teilnahme eines instruierten Vertreters der Anstalt für erforderlich hält. Dies erfolgt regelmäßig, also nicht nur bei Anhörungen Sicherungsverwahrter und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilter Gefangener. Grundsätzlich nimmt an allen Anhörungen vor der Strafvollstreckungskammer, die die Vollstreckung von lebenslangen Freiheitsstrafen und von Sicherungsverwahrung sowie die Ausgestaltung der Führungsaufsicht in Fällen nach dem T.O.P.- Täterkonzept betreffen, ein Dezernent der Hauptabteilung I der Staatsanwaltschaft teil. In sonstigen Fällen von besonderer Bedeutung wird eine Teilnahme angestrebt. Über die Teilnahme entscheidet der für den jeweiligen Verurteilten zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft. 5. Inwieweit waren in den Jahren 2010 bis 2016, trotz Terminladungen von Gerichten, keine Vertreter der JVA Fuhlsbüttel in gerichtlichen Terminen, Anhörungen anwesend (bitte nach Jahren gegliedert und Verfahren darstellen )? Bei wie vielen Verfahren davon ging es um Sicherungsverwahrte ? Die Durchführung von gerichtlichen Anhörungen im Vollstreckungsverfahren wird in der JVA Fuhlsbüttel nicht gesondert erfasst. Zur Beantwortung dieser Frage müssten daher sämtliche Gefangenenpersonalakten aller Gefangenen und Untergebrachten seit 2010 händisch ausgewertet werden. Es handelt sich dabei um mehrere Hundert Akten, die sich teils im Geschäftsgang und teils im Archiv (bei entlassenen Gefangenen /Untergebrachten) oder in anderen Anstalten (bei verlegten Gefangenen/ Untergebrachten) befinden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. War ein Vertreter der Staatsanwaltschaft im Verfahren vor dem Landgericht insbesondere in der Anhörung im Februar 2016 anwesend? Wenn nein, warum nicht? Nein. Bei den Anhörungen am 18. März 2015 vor dem Senat und am 12. Mai 2016 vor der Strafvollstreckungskammer war die Staatsanwaltschaft vertreten. An der Anhörung am 11. Februar 2016 hat dagegen kein Vertreter der Staatsanwaltschaft teilgenommen . Die Terminmitteilung war am 2. Februar 2016 von der Geschäftsstelle des Landgerichts mit dem handschriftlichen Zusatz „StA z.K.“ per Fax übersandt worden. Die Mitteilung wurde offenbar nicht als Ladung verstanden und daher nicht mit der Handakte dem Rechtspfleger oder der Dezernentin vorgelegt, sodass diese keine Kenntnis vom Termin erlangten. 7. Inwieweit waren in den Jahren 2010 bis 2016 trotz Terminladungen von Gerichten keine Vertreter der Staatsanwaltschaft in gerichtlichen Terminen , Anhörungen über Verfahren von Inhaftierten der JVAs und Sicherungsverwahrten anwesend (bitte nach Jahren gegliedert und Verfahren darstellen)? Ladungen zu Anhörungen sowie Nichtteilnahmen an diesen werden im Vorgangsbearbeitungs - und Vorgangsverwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft nicht erfasst. Zur Beantwortung dieser Frage müsste eine nicht überschaubare Anzahl von Vollstreckungsakten der Staatsanwaltschaft über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5344 3 8. War der Fall Thomas B. der einzige Fall bei dem aufgrund des § 67 d Absatz 2 S. 2 StGB gemäß der Rechtslage in 2013 die Aussetzung der Sicherungsverwahrung beschlossen wurde? Ja. a. Wenn nein, welche weiteren Fälle wurden in den Jahren 2013 bis 2016 ebenfalls nach § 67 d Absatz 2 S. 2 StGB mit welchem Ergebnis , von welchem Gericht entschieden? Wie und wann hat die Justizbehörde von den Fällen Kenntnis erlangt? Entfällt. b. Gab es weitere Fälle in den Jahren 2011 bis 2013, in denen über die Aussetzung der Sicherungsverwahrung entschieden wurde? Wenn ja, wonach richteten sich die Entscheidungen? Bitte nach Jahren gegliedert darstellen. Wie und wann hat die Justizbehörde von den Fällen Kenntnis erlangt? Ja, zwei Fälle im Jahr 2011 und ein Fall im Jahr 2012. Die beiden Entscheidungen zur Aussetzung der Sicherungsverwahrung aus dem Jahr 2011 erfolgten gemäß § 67 c Absatz 1 StGB in der Fassung vom 13. November 1998. Danach prüft das Gericht für den Fall, dass eine Freiheitsstrafe vor einer zugleich angeordneten Unterbringung vollzogen wird, vor dem Ende des Vollzugs der Strafe, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist das nicht der Fall, so setzt es die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus. Die Entscheidung zur Aussetzung der Sicherungsverwahrung aus dem Jahr 2012 erfolgte gemäß § 67 d Absatz 2 StGB in der Fassung vom 22. Dezember 2010. Danach setzt das Gericht für den Fall, dass keine Höchstfrist vorgesehen ist oder die Frist noch nicht abgelaufen ist, die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Wann und in welcher Form die zuständige Behörde über die gerichtlichen Entscheidungen informiert wurde, ist nicht aktenkundig.