BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5348 21. Wahlperiode 26.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dietrich Wersich (CDU) vom 20.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Hamburg für Museumsleiter nicht attraktiv? Gerade erst konnte die Nachfolgerin des Direktors am Altonaer Museum nur nach einer Verlängerung der Ausschreibungsfrist gefunden werden. Auch die Ausschreibungsfrist für die vakant gewordene Stelle der Leitung des Völkerkundemuseums musste mangels Erfolg verlängert werden. Diese Ausschreibungen sind nicht die ersten, welche die Frage aufwerfen, was qualifizierte Bewerber an der Attraktivität der Museumsstandorts Hamburg zweifeln lässt. Für erstklassige bundes- oder sogar weltweit vernetzte Bewerberinnen und Bewerber sind – neben dem persönlichen Einkommen und der finanziellen Ausstattung des betreffenden Hauses – die vergleichsweise schwierigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen hinderlich, um neue eigene Akzente realisieren zu können. Für Bewerber kann die Frage der Länge der ersten Verpflichtung, die in Hamburg fünf Jahre beträgt, relevant sein. Speziell in Hamburg sind die Museen als (selbstständige) Stiftungen organsiert, in denen immer wieder teils massive Steuerungseingriffe seitens der Stadt erfolgen. Die aufgrund der knappen öffentlichen Zuwendungen ständig erforderliche Suche nach Spenden und Sponsoringmitteln absorbiert nach Erfahrung von Praktikern einen erheblichen Teil der Arbeitskraft. Die Frage, in welchem Maße die Freie und Hansestadt Hamburg die Grundfinanzierung des Museumsbetriebs zum Sammeln, Bewahren, Forschen und Ausstellens sicherstellt, bleibt prekär. Dies gilt insbesondere für den Bereich „Sammeln“ und nur geringen Ankaufetats der einzelnen Museen. Eine weitere Besonderheit in Hamburg ist die Leitung der Museen mit einer „Doppelspitze“ aus gleichgestellten wissenschaftlichen und kaufmännischen Leitern. Kritiker bemängeln, dass diese Regelung zu beträchtlichen Konflikten und Patt-Situationen führen kann. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Seit der Verselbständigung der ehemals staatlichen Hamburger Museen und ihrer Überführung in Stiftungen öffentlichen Rechts zum 1. Januar 1999 werden die Museumsstiftungen von einem Vorstand geleitet, der seit der Änderung des Hamburgischen Museumsstiftungsgesetzes (HmbMuStG) vom 6. Juli 2011 mit bis zu zwei Mitgliedern besetzt ist. Die Vorstandsposition kann insofern entsprechend den jeweiligen Anforderungen der Stiftung mit einem oder zwei Vorstandsmitgliedern besetzt werden. Bei der „Doppelspitze“ handelt es sich um eine in Unternehmen allgemein übliche Besetzung mit zwei Geschäftsführungspositionen, die sich in Hamburg sowohl bei den Museumsstiftungen als auch bei den Staatstheatern bewährt hat. Für Museen und Theater gilt gleichermaßen eine Befristung der Anstellungsverträge auf einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren, wobei die Wiederbestellung möglich und in der Praxis die Regel ist. Drucksache 21/5348 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Auswahlverfahren der letzten Jahre haben durchweg zu erfolgreichen Berufungen mit sehr qualifizierten und erfahrenen Bewerberinnen und Bewerbern geführt, sodass angenommen werden darf, dass sowohl der Theater- als auch Museumsstandort Hamburg für Spitzenkräfte attraktiv ist. Die Ausschreibung erfolgt auf der Grundlage eines im Stiftungsrat beschlossenen Textes über die einschlägigen Medien beziehungsweise Portale. In der Regel beträgt die Ausschreibungsfrist sechs Wochen. Abhängig von der Bewertung der Bewerbungslage kann die Bewerbungsfrist verlängert werden. Hierüber wird der Stiftungsrat in Kenntnis gesetzt. So war zum Beispiel bei der ausgeschriebenen Position der Direktion Völkerkunde aufgrund der speziellen Anforderungen von vornherein zu erwarten, dass das Bewerberfeld begrenzt bleiben würde. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Stiftung Hamburger Kunsthalle, der Stiftung Museum für Kunst und Gewerbe, der Stiftung Museum für Völkerkunde, der Stiftung Historische Museen Hamburg sowie der Bergedorfer Museumslandschaft wie folgt: 1. Zum Ausschreibungsverfahren für die Stelle des Direktors des Völkerkundemuseums : a. Wie ist die ausgeschriebene Stelle besoldungsmäßig bewertet? Die Vergütung im Anstellungsvertrag richtet sich nach dem Ergebnis der Vertragsverhandlungen . b. Entspricht das angebotene Einkommen dem der Leiter vergleichbarer großer Museen in der Bundesrepublik? Bitte Beispiele für Übereinstimmungen und Unterschiede nennen. Der zuständigen Behörde liegen dazu keine detaillierten Erkenntnisse vor. c. Wie hat die zuständige Behörde potenzielle Bewerber auf die zu besetzende Stelle aufmerksam gemacht? Neben der Ausschreibung durch direkte Ansprache. d. Unterschied sich das Vorgehen der zuständigen Behörde von vorangehenden Ausschreibungen für vergleichbare Stellen? Wenn ja: inwieweit und warum? Nein. e. Wann endete die ursprüngliche Frist, bis zu welchem Termin wurde sie verlängert? Die Frist endete am 30. April 2016 und wurde bis zum 15. Juni 2016 verlängert. f. Wer hat die Verlängerung der Ausschreibungsfrist beschlossen? Und war der Stiftungsrat an der Verlängerung der Ausschreibungsfrist beteiligt? Der Stiftungsrat. g. Wie hat die zuständige Behörde die potenziellen Bewerber über die Verlängerung der Frist informiert? Siehe Antwort zu 1. c. 2. Welche Ausschreibungen für die wissenschaftliche Leitung welcher Hamburger Museen seit 2006 mussten warum a. verlängert? 2016 wurden die Ausschreibungen für die Direktion des Altonaer Museums in der Stiftung Historische Museen Hamburg sowie die der Direktion der Stiftung Museum für Völkerkunde verlängert. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5348 3 b. neu ausgeschrieben werden? Bitte differenziert nach Jahren, ausgeschriebener Position und Museum auflisten. Entfällt. 3. Zur Länge der ersten Verpflichtung von fünf Jahren: a. In welchen Bundesländern gilt dieselbe Fünfjahresfrist, in welchen Ländern ist sie kürzer, länger oder kommt es nach einer Probezeit zu einer dauernden Berufung? Der zuständigen Behörde liegen dazu keine detaillierten Erkenntnisse vor. Infolge unterschiedlicher föderaler Voraussetzungen und Anforderungen unterscheiden sich die Museen in den einzelnen Ländern hinsichtlich ihrer Rechtsform sowie ihrer Leitungs - und Aufsichtsgremien zum Teil beträchtlich. Die in § 7 HmbMuStG geregelte Besetzung der Stiftungsräte der Hamburger Museumsstiftungen unter anderem mit Vertretungen der für Kultur beziehungsweise für Finanzen zuständigen Behörde ist im Zusammenhang mit der sich aus der in § 5 HmbMuStG geregelten Gewährträgerhaftung der Stadt Hamburg für die Verbindlichkeiten der Museumsstiftungen zu sehen, die eine verantwortungsvolle Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion durch die Stadt erforderlich macht. b. Trifft es zu, dass, anders als bei den Museen, die an Theatern ebenfalls geltende Fünfjahresfrist mit der üblichen Praxis verknüpft ist, dass eine neue Intendanz auch einen erheblichen Personalaustausch bewirken kann, dass dies aber an Museen aus arbeits- oder beamtenrechtlichen Gründen nicht möglich ist? Nein. c. Teilt die zuständige Behörde die Auffassung, dass damit in einer relativ kurzen ersten Berufungszeit die Gestaltungsmöglichkeiten einer neuen Leitung sehr eingeschränkt sind? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Nein. Die Erfahrungen mit den berufenen Vorständen und Geschäftsführungen zeigen im Gegenteil durchweg, dass Gestaltungsmöglichkeiten bestehen und genutzt werden . 4. Zur Rolle des Stiftungsrats als Aufsichtsgremium: a. Trifft es zu, dass nach dem Hamburger Stiftungsgesetz von den sechs Mitgliedern neben dem Präses der zuständigen Behörde weitere zwei weisungsgebunden Beamte der Freien und Hansestadt Hamburg sitzen und dass der Präses der zuständigen Behörde im Falle eines Patts ein Doppelstimmrecht hat? Zur Zusammensetzung des Stiftungsrats siehe § 7 HmbMuStG unter http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/ bshaprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr- MusStiftGHArahmen&doc.part=X&doc.origin=bs&st=lr. b. In welchen Bundesländern gibt es eine mit der Hamburger vergleichbare Stiftungsregelung? c. In welchen Ländern gilt eine entsprechende Zusammensetzung des Stiftungsrates mit uneingeschränkter Entscheidungsmacht des staatlichen Trägers? d. In welchen Bundesländern mit Stiftungsmodell und Stiftungsrat wird, wie in Hamburg, nur ein Drittel der Plätze von Vertretern der Zivilgesellschaft besetzt? Siehe Antwort zu 3. a. Drucksache 21/5348 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 e. Teilt der Senat die Ansicht, dass in einem so zusammen gesetzten Gremium kontroverse Diskussionen zwar einen intellektuellen Reiz haben können, sich die zuständige Behörde letztendlich aber immer durchsetzen kann? Nein. In der Praxis erfolgen die Beschlüsse in den Stiftungsräten ganz überwiegend einvernehmlich. 5. Zur Situation der sogenannten Doppelspitze an den Hamburger Museen a. In welchen weiteren Bundesländern gibt es eine solche Doppelspitze ? b. Sind der zuständigen Behörde europäische Beispiele mit entsprechenden Regelungen bekannt? Siehe Antwort zu 3. a. c. Beabsichtigt der Senat eine Änderung dieser Regelung für die anderen Häuser angesichts der Tatsache, dass die Stiftung der Historischen Museen bereits einen Alleinvorstand hat? Wenn nein, warum nicht? 6. Hat die zuständige Behörde Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Strukturen die Attraktivität Hamburger Leitungspositionen vermindern? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Welche anderen Erkenntnisse hat die zuständige Behörde zu den Ursachen für die häufigen Verlängerungen von Bewerbungsfristen für Museen ? Siehe Antwort zu 2.