BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5367 21. Wahlperiode 29.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp Heißner (CDU) vom 22.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Rückführung von außerhalb der Herkunftsfamilie untergebrachten Kindern Die Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie, aber auch die Inobhutnahme eines Kindes sind in der Regel zeitlich befristet. In vielen Fällen wird versucht, das Kind in die Herkunftsfamilie zurückzuführen, nachdem die dortigen Bedingungen einer Rückführung nicht mehr im Wege stehen. In einigen Fällen kann diese Zielsetzung jedoch tragische Folgen haben, wie der traurige Tod der kleinen Yagmur und zuletzt der Tod des kleinen Tayler vor Augen geführt haben. Trotz klarer Vorgaben hat die Entscheidung zur Rückführung den Kindern das Leben gekostet. Mit der Drs. 21/1963 hat sich die CDU-Fraktion nach umfassenden parlamentarischen Beratungen erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Senat ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gibt, welches zum einen Aufschluss darüber gibt, welche Faktoren einen – am Kindeswohl orientiert – gelingenden Rückführungsprozess fördern oder aber hinderlich sind. Dazu sollen auf Hamburg bezogen alle Rückführungsprozesse aus Pflegefamilien eines Jahres wissenschaftlich untersucht werden. Hierfür sollen die Jugendhilfeakten analysiert werden. Ergänzend sollen stichprobenartig Interviews mit Pflegefamilien, Herkunftsfamilien und Fachkräften über deren Einschätzung zur Entwicklung des Kindes und der Familiensituation durchgeführt werden sowie – bezogen auf die Stichproben – der aktuelle Verlauf von Rückführungsprozessen multiperspektivisch aus Sicht der Sozialen Dienste, Pflegekinder und -eltern sowie leiblicher Eltern und mit Blick auf Verbesserungspotenziale in Hamburg untersucht werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Laut Drs. 21/3845 (vergleiche Antwort des Senats zu Frage 10.) wurden seit 2015 insgesamt 30 Kinder in ihre Herkunftsfamilien zurückgeführt. In welchem Alter befanden sich die genannten Kinder jeweils zum Zeitpunkt der Rückführung und über welchen Zeitraum waren die Kinder jeweils außerhalb der Herkunftsfamilie untergebracht? Bitte nach Bezirk auflisten. Siehe Anlage. 2. In wie vielen dieser unter 1. genannten Fälle und mit welchem zeitlichen Abstand ist das Sorgerecht nach Rückführung zurück auf die leiblichen Eltern übertragen worden? In zwei der in der Anlage genannten Fälle erfolgte ein Sorgerechtsentzug. In einem dieser zwei Fälle wurde das Sorgerecht zwei Jahre nach Rückführung zurück auf die leiblichen Eltern übertragen. In dem anderen Fall wird aktuell in einem gerichtlichen Verfahren die Rückübertragung des Sorgerechtes verhandelt. Drucksache 21/5367 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Bei wie vielen der unter 1. genannten Kinder wurde der Rückführungsprozess aus jeweils welchem Grund gestoppt? Der Rückführungsprozess wurde in einem Fall gestoppt. Der Grund war eine Arbeitsverfügung der Bezirksamtsleitung des Bezirksamtes Altona vom 21. Dezember 2015, die besagt: „…auf weiteres werden keine Kinder in ihre Familien aus Hilfen gemäß §§ 33, 34 SGB VIII und Inobhutnahmen zurückgeführt.“ 4. Wie viele der unter 1. genannten Kinder sind nach Rückführung in die Herkunftsfamilie jeweils aus welchem Grund erneut in Obhut genommen worden? In einem Fall musste das Kind erneut in Obhut genommen werden, da die Mutter es alleine in der Wohnung gelassen hatte, während sie einer Erwerbstätigkeit nachging. 5. In wie vielen der unter 1. genannten Fälle hat der ASD angeregt, dass vor Rückführung des Kindes ein Gutachten zur Erziehungsfähigkeit in Auftrag gegeben wird? In wie vielen Fällen wurde ein Gutachten zur Erziehungsfähigkeit tatsächlich in Auftrag gegeben, in wie vielen nicht? In fünf Fällen wurden Gutachten durch den zuständigen ASD angeregt. In vier Fällen wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben. In einem der Fälle sah das Gericht von einer abschließenden Begutachtung ab. 6. Wurden alle diese Kinder unverzüglich durch das betreuende Jugendamt persönlich in Augenschein genommen? a. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? b. Wenn nein, warum nicht? In 28 von 30 Fällen haben die Jugendämter die Kinder in Augenschein genommen mit dem Ergebnis, dass eine Kindeswohlgefährdung ausgeschlossen werden konnte. In einem Fall erfolgte keine unverzügliche in Augenscheinnahme durch das Jugendamt , da das Kind mit der Rückführung zur Mutter in eine Mutter-Kind-Einrichtung gezogen ist. In einen Fall wurde vor der Rückführung die Fallzuständigkeit an ein auswärtiges Jugendamt abgegeben, sodass keine Inaugenscheinnahme durch ein Hamburger Jugendamt erfolgte. 7. Der Fall Tayler hat exemplarisch vor Augen geführt, dass auch die bestehenden Regelungen und klaren Vorgaben zu einem Rückführungsprozess von den fallführenden Fachkräften zum Teil nicht beachtet werden und Kindesrückführungen veranlasst werden, obwohl sie so nicht veranlasst werden dürften. Ausgehend von den im PUA erlangten Kenntnissen hatte dieser empfohlen, die Arbeitsrichtlinie Bewilligung von Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII (A2.4-AR12) im Hinblick auf das neue fachliche Rahmenkonzept für die Pflegekinderhilfe unter der Überschrift „Hilfen mit Rückkehroption“ dahin gehend zu ergänzen, dass nach früheren Kindeswohlgefährdungen so lange keine Rückführung in die Herkunftsfamilie vorzunehmen ist, bis eine Prüfung ergeben hat, dass im Haushalt der Eltern derzeit und absehbar keine Gefahr für das Kindeswohl besteht. Inwiefern wurde die Arbeitsrichtlinie inzwischen ergänzt? 8. Der PUA hat die Empfehlung ausgesprochen, das fachliche Rahmenkonzept für die Hamburger Pflegekinderhilfe dahin gehend zu ergänzen, dass vor einer Rückführungsentscheidung zu prüfen ist, ob angesichts des Zeitverlaufs die Rückführung an sich bereits das Kindeswohl gefährden würde. In das Rahmenkonzept sollten zudem klarere zeitliche Vorgaben für die Rückführungsentscheidung aufgenommen werden, die das Bindungsverhalten von Kindern verschiedener Altersstufen berücksichtigen . In das Rahmenkonzept sollte darüber hinaus die Vorgabe aufgenommen werden, dass im Falle einer Entscheidung über eine Rückführung deren fachliche Begründung schriftlich zu dokumentieren ist. Inwiefern wurden diese zentralen Empfehlungen inzwischen umgesetzt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5367 3 Siehe Drs. 21/741. 9. Laut Drs. 21/741 hatte die zuständige Fachbehörde in Kooperation mit den Bezirksämtern und freien Trägern im November 2014 einen Fachtag für Fachkräfte der Pflegekinderhilfe zum Thema „Perspektivklärung und Rückkehroption“ im Sozialpädagogischen Fortbildungszentraum (SPFZ) erfolgreich durchgeführt, eine weitere Veranstaltung war für November 2015 geplant. Wie viele Teilnehmer aus welchen ASDs (bitte unter Angabe der genauen Abteilungen) hatte sowohl der Fachtag als auch die entsprechende Veranstaltung? Fachtag 2014 „Perspektivklärung für Pflegekinder – mit Perspektivwechsel?!“: ASD Abteilung Anzahl teilnehmende Personen M/JA 3-ASD 2 1 N/JA 1-ASD 1 2 N/JA 1-ASD 2 1 H/JA 1-ASD 1 3 W/JA 3-ASD 3 1 W/JA 2-ASD 2 1 B/JA - ASD 2 1 Gesamt 10 Fachtag 2015 „Besuchskontakte – Belastung oder Chance?“: ASD Abteilung Anzahl teilnehmende Personen M/JA 1-ASD 2 2 M/JA 2-ASD 2 1 A/JA 1-ASD 1 1 A/JA 1-ASD 2 4 A/JA 2-ASD 1 1 A/JA 2-ASD 2 2 E/JA 2-ASD 2 2 N/JA 1-ASD 2 1 N/JA 2-ASD 1 2 N/JA 2-ASD 2 1 W/JA 3-ASD 2 2 W/JA 3-ASD 3 2 H/JA 1-ASD 1 3 H/JA 2-ASD 1 1 Gesamt 25 10. Welche thematisch ähnlich angelegten Fachtage/Veranstaltungen hat es seit November 2014 gegeben? Bitte unter Angabe der jeweiligen Teilnehmerzahl , Teilnehmer aus welchen ASDs und Abteilungen. Im Rahmen der Einarbeitung „Neu im ASD“ haben 2015 insgesamt 174 ASD- Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter an insgesamt zehn Fortbildungen zu je zwei Tagen teilgenommen. Inhalte sind unter anderem fachliche Anforderungen der Hilfeplanung, die bei außerfamiliären Hilfen immer auch die Perspektivklärung und die Rückkehroption beinhaltet. 11. Laut Drs. 21/741 wurde zum Zeitpunkt der Beantwortung der Anfrage eine 13-monatige Qualifizierungsreihe für Fachkräfte der Pflegekinderhilfe umgesetzt: Hier wurden in Kooperation mit der Universität Siegen, Prof. Dr. Wolf, in mehreren Modulen zentrale Themen praxisorientiert vermittelt, insbesondere die Themen Perspektivklärung und Rückführung . a. Wie viele Fachkräfte der Pflegekinderhilfe haben an dieser Qualifizierungsreihe teilgenommen? Drucksache 21/5367 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 An dem ersten Durchgang der Qualifizierungsreihe haben 23 Personen teilgenommen . Für den zweiten Durchgang steht erneut diese Anzahl an Plätzen zur Verfügung. b. Welche Ergebnisse hat die Qualifizierungsreihe ergeben? Die 1. Qualifizierungsreihe ist im Februar 2015 gestartet und richtet sich an alle Fachkräfte der Hamburger Pflegekinderdienste. Zentrale Themen der Qualifizierungsreihe, die in fünf Modulen à zwei Tage stattfindet und sich über einen Zeitraum von einem Jahr erstreckt, sind unter anderem Auswahl von geeigneten Pflegefamilien, Gestaltung von Übergängen, Perspektivklärung und Rückkehrprozesse, Beratung und Begleitung von Pflegefamilien, Gestaltung von Besuchskontakten und Kooperation zwischen den beteiligten Diensten. Die Anwendung der einheitlichen und verbindlichen Regularien aus der Fachanweisung Pflegekinderdienst, dem Fachlichen Rahmenkonzept für die Hamburger Pflegekinderhilfe und den relevanten Arbeitsrichtlinien des Anlagenbandes wurden vertieft und praxisnah konkretisiert. Zudem konnten Inhalte aus der aktuellen Forschung zu einem vertieften Verständnis unter anderem von Bedürfnisprofilen von Kindern in Pflegefamilien beitragen. Dies führt zu mehr Handlungssicherheit und einer weiteren Professionalisierung der Arbeit in den Pflegekinderdiensten. c. Hat es hierzu eine Fortsetzung gegeben oder ist diese geplant? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? Der zweite Durchgang der Qualifizierungsreihe für Fachkräfte der Hamburger Pflegekinderdienste wird beginnend mit einer Auftaktveranstaltung am 22. September 2016 fortgesetzt. 12. Nach dem Fall Yagmur hatten die Bezirksämter Hamburg-Mitte und Hamburg-Nord darüber hinaus festgelegt, dass Rückführungen nur mit Zustimmung der ASD-Leitung umgesetzt werden dürfen. Besteht diese Regelung in beiden Bezirksämtern nach wie vor? Welche weiteren Bezirksämter verfahren inzwischen so? Wie begründen die Bezirksämter , die dem Beispiel der Bezirksämter Hamburg-Mitte und Hamburg- Nord nicht gefolgt sind, ihre Entscheidung? Für alle Bezirksämter gelten einheitliche und verbindliche fachliche Standards für das Handeln der Fachkräfte bei Rückführungen. Diese sind in den Fachanweisungen ASD und PKD sowie im Qualitätsmanagement verbindlich geregelt. Der bei jeder Rückführung eines Kindes im Alter von null – sechs Jahren in die Herkunftsfamilie verbindlich zu nutzende Rückführungsbogen sieht neben der fachlichen Einschätzung durch die fallführende Fachkraft eine Bewertung durch die ASD Leitung und die Kenntnisnahme der Regionalleitung mit deren Unterschrift vor und ist Bestandteil der Akte. Diese Regelung gilt für alle Bezirksämter. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5367 5 Anlage Bezirksamt Alter des Kindes in Jahren Zeitraum der Unterbringung in Monaten Hamburg- Mitte 9 42 16 24 17 86 Altona 0,58 5 (Rückführung gestoppt) 11 24 Eimsbüttel 13 6 4 42 (Rückführung noch in Planung) 7 8 Hamburg- Nord 1 1 5 2 8 2 Wandsbek 7 1,5 8 1,5 9 3 4 3 12 1,5 8 1,5 4 7 0,7 8 3 0,13 4 35 4 8 7 8 1,8 1 4 1. Inobhutnahme 0,16 2. Inobhutnahme 1 1 1 1 1 4 1 4 1 2 2,7