BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5379 21. Wahlperiode 02.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 25.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Stolperfalle Gehweg (III), hier: Bordsteine als Barrieren für Rollstuhlund Rollatorfahrer? Die „Planungshinweise für Stadtstraßen in Hamburg“ (PLAST) stellen eine Sammlung von Richtlinien für den Bau und die Herstellung von Verkehrsinfrastruktur in unserer Stadt dar. Die verschiedenen Teile haben zwar keinen Gesetzescharakter, setzen aber grundsätzliche Maßstäbe. Teil 10 ist der Barrierefreiheit von Verkehrsanlagen gewidmet. Der dortige Abschnitt 2.3 befasst sich mit der Höhe der Bordsteine. Unter Kullerpunkt drei wird dort für den speziellen Fall von Querungsstellen definiert: „Bordhöhen von 3 cm Antrittshöhe werden von blinden Menschen noch wahrgenommen und können von Rollstuhlfahrern noch überwunden werden. Daher sind Bordhöhen von 3 cm an Querungsstellen immer exakt einzuhalten . An eine Bordabsenkung direkt anschließende starke Steigung kann, trotz Absenkung von 3 cm dazu führen, dass diese Absenkung von Rollatornutzern nur schwer überwunden werden kann. Bordhöhen unter 3 cm sind für blinde Menschen nicht wahrnehmbar und daher immer durch den Einsatz von Bodenindikatoren zu sichern. Im Bereich von Fußgängerquerungen sind Bordabsenkungen unter 3 cm nur bei getrennten Querungen (siehe Abschnitt 3.5.2) zulässig.“ Aus der Praxis heraus gibt es erhebliche Zweifel, ob diese Regelung die besonderen Mobilitätsbedürfnisse bewegungseingeschränkter Personen, und hier insbesondere von Rollstuhl- und Rollatorfahrern, angemessen berücksichtigt . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Seit wann gilt die oben zitierte Regelung der PLAST 10 bezüglich der Bordhöhen von 3 cm bei Querungsstellen? Die Regelung der Planungshinweise für Stadtstraßen in Hamburg (PLAST) 10 hinsichtlich der Bordhöhen von 3 cm bei Querungsstellen gilt seit der Einführung mit dem Rundschreiben Straßenverkehrsplanung 3/2012 vom 4. Mai 2012. 2. Wie war die Genese der oben zitierten Regelung der PLAST 10 bezüglich der Bordhöhen von 3 cm bei Querungsstellen, welche Änderungen wurden wann auf wessen Veranlassung bezüglich der Bordhöhen bei Querungsstellen vorgenommen? Drucksache 21/5379 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bei Einführung der PLAST 10 im Jahr 2012 galt die Absenkung der Bordhöhe auf 3 cm in Abstimmung mit den Behinderten- und Seniorenverbänden als ein geeigneter Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Anforderungen (zum Beispiel Ertastbarkeit , Überrollbarkeit und baulicher Aufwand). Die Erfahrungen haben gezeigt, dass für einen unerwartet hohen Anteil von mobilitätseingeschränkten Menschen eine Bordhöhe von 3 cm eine schwer überwindbare Barriere darstellt, die häufig nicht aus eigener Kraft bewältigt werden kann. Andererseits ist sie von blinden- und sehbehinderten Menschen als Grenzlinie zwischen Geh- und Fahrbahnbereich häufig nicht zuverlässig taktil erfassbar. Am 9. Mai 2016 veröffentlichte daher die zuständige Behörde mit dem Rundschreiben Straßenwesen RS 4/16 eine Fortschreibung des Abschnitts 3 der PLAST 10. Damit wurde die Querung mit den differenzierten Bordhöhen zum Regelfall. Querungen mit durchgängig auf 3 cm abgesenktem Bord sollen nur noch in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Sowohl die Erarbeitung der PLAST 10 als auch die Fortschreibung erfolgte in enger Abstimmung mit den Behinderten- und Seniorenverbänden. 3. Liegen dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden Daten zu der Frage vor, wie viele Querungsstellen in Hamburg nicht nach dieser Norm angelegt sind? Wenn ja, wie viele nicht nach dieser Norm angelegte Querungsstellen gibt es in Hamburg? (Bitte, wenn möglich, angeben, an wie vielen Stellen die Bordhöhen jeweils höher oder tiefer ausfallen.) Nein. 4. Wie hat sich die Zahl der Verkehrsunfälle von und mit Rollstuhl- und Rollatorfahrern seit 2011 entwickelt? (Bitte jahresweise aufschlüsseln und, wenn möglich, jeweils die Unfallursachen angeben.) Die Verkehrsunfalldatenbank Elektronische Unfalltypensteckkarte (EUSka) enthält keine Parameter für die Auswertung von Verkehrsunfällen im Zusammenhang mit Rollstuhl- und Rollatorfahrerinnen und -fahrern. Mit wenigen Ausnahmen werden diese Verkehrsbeteiligten als Fußgänger statistisch erfasst. Zur Beantwortung wäre eine händische Einzelauswertung von mehreren Tausend Vorgängen erforderlich, die in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 5. Wie hat sich die Zahl der Verkehrsunfälle von und mit Rollstuhl- und Rollatorfahrern an Querungsstellen seit 2011 entwickelt? 6. Wie hat sich die Zahl der Verkehrsunfälle an Querungsstellen seit 2011 entwickelt? (Bitte jahresweise sowie nach Verkehrsteilnehmern aufschlüsseln und, wenn möglich, jeweils die Unfallursachen angeben.) Eine Querungsstelle stellt kein such- und auswertefähiges Kriterium der Verkehrsunfalldatenbank EUSka dar. Eine Auswertung ist daher nicht möglich. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. 7. Inwiefern unterscheiden sich die Vorgaben der Plast 10 zu Bordhöhen in Abschnitt 2.3 von den straßenbaulichen und stadtplanerischen Vorgaben a) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Die Vorgaben der PLAST 10 zu Bordhöhen unterscheiden sich nicht von den entsprechenden Regelwerken der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). b) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) veröffentlicht keine eigenen Regelwerke und führt für seinen Zuständigkeitsbereich üblicherweise die Regelwerke der FGSV ein. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5379 3 c) anderer Bundesländer, d) anderer Städte in der Metropolregion Hamburg, e) der Hamburger Umlandgemeinden beziehungsweise der Landkreise rund um Hamburg? Maßgeblich für die PLAST-10-Vorgaben in Hamburg sind die einschlägigen Regelwerke der FGSV als anerkannte Regeln und die entsprechenden DIN-Normen. Die Regelwerke der FGSV und die DIN-Normen werden bundesweit abgestimmt und bilden somit einen anerkannten Standard ab. Eine Unterscheidung der PLAST-10- Vorgaben zwischen den Ländern, der Metropolregion Hamburg sowie der Hamburger Umlandgemeinden und Kreise beziehungsweise Landkreise sind der zuständigen Behörde nicht bekannt. 8. Ist die Bordsteinhöhe von 3 cm aus Sicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörden an Stellen erforderlich, wo taktile Elemente verbaut sind? Eine barrierefreie Gestaltung von Querungen setzt sich aus den taktilen Elementen und Bordsteinabsenkungen mit definierten Höhen zusammen. Für blinde und sehbehinderte Menschen sind taktil erfassbare Bordkanten zur Orientierung besonders wichtig. Sie zeigen an, wo sich die Fahrbahn (niedrigere Ebene) oder die sichere Seitenfläche oder Mittelinsel befinden. Querungen mit differenzierten Bordhöhen setzen sich aus den Absenkungen mit 6 cm (für blinde und sehbehinderte Menschen) und 0 cm (Nullabsenkung) zusammen. Da der Bereich der Nullabsenkung explizit den Anforderungen von Rollator- und Rollstuhlnutzern Rechnung trägt, wäre eine 3 cm hohe Bordkante hier kontraproduktiv. Blinde und sehbehinderte Menschen werden im Bereich von Querungen mit differenzierten Bordhöhen mithilfe von taktilen Elementen gezielt zu den für sie geeigneten Bereich geführt beziehungsweise vor der Nullabsenkung gewarnt.