BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/538 21. Wahlperiode 26.05.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ludwig Flocken (AfD) vom 20.05.15 und Antwort des Senats Betr.: Brandgefahr an Reetdachhäusern/Schutz vor Feuerwerk In einigen Gegenden Hamburgs (Vier- und Marschland, Altes Land und andere) sind reetgedeckte Häuser im Ensemble stadtbildprägend oder entwickeln als Einzelbauwerke eine besondere architektonische Faszination für die meisten Betrachter. Leider sind diese Häuser gerade wegen ihrer besonderen Bedachungsart einer erhöhten Feuergefahr ausgesetzt und benötigen deshalb auch einen besonderen Brandschutz. Im April ist wieder ein großes, 456 Jahre altes Vierländer Bauernhaus in kurzer Zeit vollständig abgebrannt, im Monat zuvor ein Reetdachhaus in Neugraben -Fischbek. Das Verbot des Abbrennens von Pyrotechnik in der Nähe von Reetdach- und Fachwerkhäusern gilt seit 1. Oktober 2009 bundesweit. Grundlage ist die 1. Verordnung zum Sprengstoffgesetz, 1. SprengV., § 23 (1) „Das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie Reet- und Fachwerkhäusern ist verboten.“ Als „unmittelbare Nähe“ wird, zumindest hinsichtlich reetgedeckter Häuser, ein Sicherheitsabstand von 200 Metern als notwendig angesehen. 1. SprengV. § 24 (2) Die zuständige Behörde kann allgemein oder im Einzelfall anordnen, dass pyrotechnische Gegenstände 1. der Kategorie 2 in der Nähe von Gebäuden oder Anlagen, die besonders brandempfindlich sind, und 2. der Kategorie 2 mit ausschließlicher Knallwirkung in bestimmten dichtbesiedelten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden zu bestimmten Zeiten auch am 31. Dezember und am 1. Januar nicht abgebrannt werden dürfen. Eine allgemeine Anordnung ist öffentlich bekanntzugeben. In Gegenden mit vielen Reetdachhäusern, zum Beispiel auf Sylt, sind deshalb Feuerwerke beziehungsweise das Entzünden von Knallkörpern, auch zu Sylvester, untersagt. Das Verbot wird konsequent umgesetzt. Auch in Neuengamme ist das Entzünden von Feuerwerkskörpern im Umkreis von 200 m um Reetdachhäuser, also de facto im gesamten Ortskern, verboten . Die Behörden sehen sich zurzeit aber außerstande, das Verbot in Neuengamme durchzusetzen. Viele Bewohner von Reetdachhäusern stehen Drucksache 21/538 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 deshalb insbesondere in der Sylvesternacht vor ihren Häusern, um ihre Dächer zu beobachten und gegebenenfalls zu löschen. Auf der Bezirksebene ist das Verbot anscheinend nicht durchsetzbar. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wann und in welcher Form wurde dieses Verbot in Hamburg öffentlich bekannt gegeben? Eine jährliche Veröffentlichung der „Anordnung für das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen zur Jahreswende“ erfolgt im „Amtlichen Anzeiger“ (zuletzt in der Ausgabe Nummer 98 vom 16. Dezember 2014, S. 2349). Darüber hinaus veröffentlicht die Behörde für Inneres und Sport entsprechende Hinweise auf den Seiten von Hamburg.de (siehe auch: http://www.hamburg.de/ contentblob/2577920/data/feuerwerk.pdf) und gibt anlassbezogene Pressemitteilungen heraus. Das Bezirksamt Bergedorf hat im Zusammenwirken mit der „Bergedorfer Zeitung“ zuletzt zum Jahreswechsel 2014 auf die Gefahren im Umgang pyrotechnischen Gegenständen und die einzuhaltenden Mindestabstände hingewiesen; es ist beabsichtigt , dies zu wiederholen. 2. Wie viele reetgedeckte Häuser sind in den Jahren 2010 – 2015 in Hamburg in Brand geraten? Der Begriff „reetgedeckte Häuser“ ist nicht als Auswertungsmerkmal in der Datenbank der Feuerwehr hinterlegt. Die Daten können daher durch die Feuerwehr nicht automatisiert erhoben werden. Durch die Feuerwehr müssten circa 55.000 Brandeinsatzberichte händisch ausgewertet werden. In der Polizeilichen Kriminalstatistik wird nicht nach Brandobjekten differenziert. Reetdachhäuser werden somit als betroffene Objekte nicht gesondert erfasst. Zur Beantwortung der Fragestellungen wäre daher eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums bei den für Brandstiftungsdelikte zuständigen Dienststellen der Polizei (mehrere Tausend Vorgänge) erforderlich. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Welches waren die jeweils ermittelten Brandursachen? 4. Welche Schadenssummen sind hierbei entstanden? Die zur Beantwortung erforderlichen Daten zur Art der Dachdeckung beim Tatobjekt werden im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht erfasst. Es müssten daher zur Beantwortung dieser Frage jedenfalls sämtliche wegen des Vorwurfs einer Straftat nach §§ 306, 306a, 306b, 306c und 306d StGB1 und – soweit es nicht zu einer Beeinträchtigung wesentlicher Bestandteile des Gebäudes kam – § 303 StGB geführten Verfahren aus den Aktenzeichenjahrgängen 2010 bis 2015 händisch ausgewertet werden. Insoweit handelt es sich um die folgende Anzahl von Verfahren2: Az-Jahrgang §§ 306, 306a, 306b, 306c, 306d StGB § 303 StGB Js UJs Js UJs 2010 246 163 4.676 18.539 2011 204 172 4.969 18.358 2012 174 155 4.528 17.370 1 Darüber hinaus könnten unter Berücksichtigung der Fragestellung aus der Schriftlichen Klei- nen Anfrage gegebenenfalls auch Verstöße gegen §§ 40, 42 SprengG in Betracht kommen. 2 Die Daten stehen unter dem Vorbehalt der vollständigen und richtigen Erfassung in MESTA; Stand: 21. Mai 2015. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/538 3 Az-Jahrgang §§ 306, 306a, 306b, 306c, 306d StGB § 303 StGB 2013 160 151 3.873 15.763 2014 146 112 3.782 15.396 2015 (bis 31.03.2015) 34 34 952 3.836 Angesichts der vorgenannten Anzahl der Ermittlungsverfahren können die Fragen in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht beantwortet werden. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. 5. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, die Reetdachhäuser und ihre Bewohner zu schützen beziehungsweise das Verbot zum Abbrennen von Feuerwerkskörpern in der Nähe von Reetdachhäusern, insbesondere zum Jahreswechsel, wie in Neuengamme, konsequent umzusetzen? Siehe Antwort zu 1. 6. Wurden die Brandursachen ausgewertet, wenn ja, welche präventiven Maßnahmen konnten aus der Auswertung abgeleitet werden? Unter dem infrage stehenden Aspekt erfolgt keine Auswertung. 7. Sofern als Ursache Brandstiftung vorlag, in wie vielen Fällen konnten die Täter ermittelt und verurteilt werden? Siehe Antworten zu 2. und zu 3. und 4.