BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5387 21. Wahlperiode 02.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 25.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Reform des Gastschulabkommens mit Schleswig-Holstein Am 12. Juli 2016 hat die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) mitgeteilt , dass sich Hamburg mit Schleswig-Holstein auf ein neues Gastschulabkommen geeinigt habe. Bislang war für Kinder, die in an Hamburg angrenzenden Regionen in Schleswig-Holstein wohnen, der Besuch an einer Hamburger Schule stark eingeschränkt, da das alte Abkommen dies nur in Ausnahmefällen vorsah (vergleiche Anfrage der FDP-Fraktion, Drs. 21/1249). Diese Praxis war familienfeindlich und widersprach der Idee einer Metropolregion Hamburg. Deshalb ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass der lange Ämterstreit endlich gelöst wird. Allerdings gilt das neue Abkommen nur für weiterführende und staatliche Schulen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: In dem Abkommen zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg zum grenzüberschreitenden Schulbesuch (Gastschulabkommen), das sich zur Zeit in der Ratifikation befindet, wird künftig die Schulbesuchsfreiheit zwischen den Ländern für die Eingangsklassen 5 und für die Oberstufen der weiterführenden Schulen gewährt. Der Zugang zu den Schulen des jeweils anderen Landes steht unter dem Vorbehalt vorhandener Kapazitäten; subjektiv-öffentliche Rechte auf einen Schulbesuch im jeweils anderen Land werden für die Schülerinnen und Schüler nicht begründet. Dies bedeutet, dass an überangewählten Schulen in Hamburg Hamburger Landeskinder vorrangig aufgenommen werden. Wie schon bisher, gewährt Hamburg weiterhin den Zugang zu Sonderschulen für die Förderschwerpunkte körperliche und motorische Entwicklung, Hören und Sehen für bis zu 150 Schülerinnen und Schüler mit einem entsprechenden speziellen sonderpädagogischen Förderbedarf. Auch der Zugang zu staatlichen Berufsschulen wird unverändert nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. Für andere Schulformen und Klassenstufen bleibt es bei der Regelung, nach der Schülerinnen und Schüler im Falle einer besonderen persönlichen Härte aufgenommen werden. Schulen in freier Trägerschaft können schon bisher wegen der grundrechtlich gewährten Privatschulfreiheit Schülerinnen und Schüler aus anderen Ländern aufnehmen, sofern die örtlich zuständige Schulaufsicht den Schulbesuch im anderen Land gestattet, für diese Schulen ändert sich mit dem neuen Abkommen daher nichts. Wie bisher dürfen Schülerinnen und Schüler, die in einem laufenden Schulverhältnis aus Hamburg fortziehen, die bisher besuchte Schule bis zum Abschluss des Bildungsgangs weiter besuchen. Vor dem 1. Januar 2017 im jeweils anderen Land begründete Schulverhältnisse können auch dann uneingeschränkt fortgesetzt werden, wenn nach den künftig geltenden Bestimmungen eine Begründung nicht möglich gewesen wäre. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/5387 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie viele Anmeldungen von in Schleswig-Holstein wohnhaften Schülern für eine Schule in Hamburg liegen für das Schuljahr 2016/2017 vor? Bitte nach Schulform und Jahrgang angeben. Die Anzahl von in Schleswig-Holstein wohnhaften Schülerinnen und Schülern wird mit der Schuljahresstatistik erfasst. Die Schuljahresstatistik für 2016/2017 wird nach derzeitigem Planungsstand im 1. Quartal 2017 veröffentlicht. 2. Wie viele Widersprüche von Eltern beziehungsweise Kindern gegen entsprechende Schulzuweisungen beziehungsweise Ablehnungen sind in dem Zusammenhang eingegangen in den Kalenderjahren 2015 und 2016? Widersprüche werden in der zuständigen Behörde statistisch erst erfasst, wenn sie mangels Abhilfe durch die Schulaufsicht der Rechtsabteilung zugeleitet werden. Im Jahr 2015 gingen in der Rechtsabteilung sechs Widersprüche gegen die Ablehnung des gastweisen Schulbesuchs in Hamburg ein, im Jahr 2016 bisher keiner. 3. In der Pressemitteilung der BSB vom 12. Juli 2016 heißt es, das neue Abkommen trete zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 in Kraft. Heißt das, das alte Abkommen wird von Ende 2016 bis zum Schuljahresbeginn 2017/2018 noch einmal verlängert? Wenn ja: zu welchen Konditionen? Wenn nein: welche alternative Regelung greift in diesem Zeitraum? Nein. Das neue Abkommen gilt ab dem 1. Januar 2017 und entfaltet erstmalig Wirkung für die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern zum Schuljahr 2017/2018. Bis zum 31. Dezember 2016 wirkt das Abkommen vom 8. Dezember 2010 nach, siehe dort Artikel 6. 4. Mit welcher Begründung können Schüler nur zweimal, nach der vierten und nach der zehnten Klasse, die Schule frei wählen? Wer entscheidet über die Genehmigung von in der PM genannten „Ausnahmefällen“, also Wechslern in andere Klassenstufen? Auch Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Hamburg können nur bei Aufnahme in eine Eingangsklasse ihre Schule frei wählen. Über spätere Schulwechsel entscheidet die Schulaufsicht nach pflichtgemäßem Ermessen. Eine Veranlassung, für die Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Schleswig-Holstein eine andere Regelung zu treffen , wurde nicht gesehen. 5. Gilt diese Regelung ab dem Schuljahr 2017/2018 für alle Schüler oder aufwachsend ab einer bestimmten Klassenstufe? 6. Haben Schüler in anderen Klassenstufen zu Beginn des neuen Abkommens einmalig die Chance, ihre Schule frei zu wählen, oder werden alle, die nicht in den Klassen 4 und 10 sind, weiter nach dem alten Abkommen behandelt? Die Regelung gilt für alle Schülerinnen und Schüler, sofern sie zum Schuljahresbeginn 2017/2018 in eine fünfte oder elfte Jahrgangsstufe übergehen. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. 7. Ist eine Amnestie geplant für Schüler, die bislang nicht nach den Regeln des Abkommens gehandelt haben? 8. Laut der PM der BSB sind die „Wohn- und Meldeadressen (…) beim Schulbesuch künftig nicht mehr maßgeblich.“ Wie verhält sich diese Regel gegenüber § 42 Absatz (7) HmbSG, nach dem „die Ermöglichung altersangemessener Schulwege“, sprich die Wohnortnähe, maßgeblich ist für die Zuweisung an eine Schule? 9. Was bedeutet die in der PM genannte „Landeskinderklausel“ konkret? Hat diese in jedem Fall Vorrang vor der Geschwisterkind-Regel, der Schulweglänge und dem Wunsch der Eltern? In welcher Reihenfolge haben diese vier Kriterien künftig Geltung? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5387 3 10. Aus welchen Gründen sind Grundschulen nicht in die neue Regel mit aufgenommen worden? 11. Aus welchen Gründen gelten die neuen Regeln nicht für berufsbildende Schulen? 12. Aus welchen Gründen wurden die Regeln für Privatschulen nicht geändert ? Siehe Vorbemerkung. 13. Wurden Vertreter der Privatschulen an den Verhandlungen beteiligt? Wenn ja: Inwieweit wurde deren Position berücksichtigt? Wenn nein: warum nicht? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 14. Welche Regeln gelten künftig für Förderschulen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf? Bitte genau erläutern. Siehe Vorbemerkung. 15. Ist die Überprüfung von Schulbus-Verbindungen geplant, um dem zu erwartenden Anstieg der Schülerströme im Umland von Hamburg gerecht zu werden? Wenn ja: Bitte konkret darstellen. Wenn nein: warum nicht? Die Planungen der zuständigen Behörden im Land Schleswig-Holstein sind noch nicht abgeschlossen. 16. Unter welchen Umständen und zu welchen Konditionen kann das neue Gastschulabkommen gekündigt werden? Welche Vorlaufzeit ist dafür vorgesehen? Das Abkommen kann ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende gekündigt werden, erstmalig zum Jahresende 2019. 17. Ist eine Evaluation des neuen Gastschulabkommens geplant? Wenn ja: wann? Wenn nein: warum nicht? Es ist geplant, nach Ablauf von zwei Jahren die Entwicklung der Schülerzahlen in den Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019 zu analysieren und unter Berücksichtigung möglicher Anpassungsbedarfe zu bewerten. 18. Wann wir das Gastschulabkommen der Bürgerschaft zur Kenntnis gegeben ? Das Abkommen soll im September unterzeichnet werden. Danach wird es der Bürgerschaft zeitnah zur Kenntnis gegeben, siehe Artikel 31 Absatz 1 Nummer 4 und Artikel 43 Satz 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg (HV). 19. Wie hoch sind die der Freien und Hansestadt Hamburg tatsächlich angefallenen Kosten durch die Beschulung von Schülern aus Schleswig- Holstein? Bitte für das Schuljahr 2015/2016 angeben. Siehe Drs. 21/4089. 20. Wie viel Geld spart Hamburg ein durch die Beschulung von Hamburger Schülern in Schleswig-Holstein? Bitte für das Schuljahr 2015/2016 angeben. Die Kosten für Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Hamburg, die an Schulen in Schleswig-Holstein beschult werden, belaufen sich im Schuljahr 2015/2016 auf rund 5,6 Millionen Euro. Drucksache 21/5387 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 21. In Drs. 21/1249, Antwort auf Frage 6., teilt der Senat mit, dass im Jahr 2016 Schleswig-Holstein 13,4 Millionen Euro im Rahmen des Gastschulabkommens an Hamburg zahlt. In der oben genannten PM der BSB sind allerdings nur 13,3 Millionen Euro genannt. Wie erklärt der Senat diese Abweichung nach unten? 22. Auf welcher Grundlage wurden die Zahlungen Schleswig-Holsteins an Hamburg in den Jahren 2016 bis 2019 ermittelt, die die BSB in ihrer oben genannten PM mitteilt? 23. Wenn der Schulsenator von steigenden Schülerzahlen aus Schleswig- Holstein nach Hamburg im Zuge des neuen Abkommens ausgeht:1 Wie erklärt sich dann die relativ geringe Steigerung der Ausgleichszahlungen auf lediglich 13,6 Millionen Euro im Jahr 2019? 24. Gibt es die Möglichkeit zur Nachverhandlung über die Ausgleichszahlungen vor 2019 im Falle erheblich ansteigender Schülerzahlen aus Schleswig-Holstein an Hamburger Schulen? Wenn nein: warum nicht? Das Abkommen knüpft an die Vereinbarungen des bisherigen Gastschulabkommens an, nach dem Schleswig-Holstein für das Jahr 2015 eine Ausgleichszahlung in Höhe von 13,2 Millionen Euro gezahlt hat. Der jährliche Steigerungsbetrag ab 2016 in Höhe von 100.000 Euro soll Kostensteigerungen auffangen. Die maßvolle Anhebung der Ausgleichszahlungen rechtfertigt sich zum einen aus bereits während der Laufzeit des bisherigen Gastschulabkommens eingetretenen Entlastungseffekten, die auf dem Rückgang der Zahl der Gastschülerinnen und Gastschüler aus Schleswig-Holstein an Hamburger Schulen in freier Trägerschaft beruhen. Zum anderen übernimmt Schleswig -Holstein unverändert die Kosten für den Schulunterricht der Kinder und Jugendlichen , die von Hamburg in schleswig-holsteinischen Einrichtungen und Pflegefamilien untergebracht sind und verhindert damit eine erhebliche Belastung der entsprechenden Haushaltsmittel der Jugendhilfe. 1 Vergleiche den Bericht von Peter Ulrich Meyer: „Freie Schulwahl über die Landesgrenze hinweg“, in: „Hamburger Abendblatt“ vom 13. Juli 2016, S. 16.