BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5394 21. Wahlperiode 02.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Joachim Körner und Detlef Ehlebracht (AfD) vom 25.07.16 und Antwort des Senats Betr.: Früherkennungsuntersuchungen U1 – U9 in Hamburg – Wie ist die Lage? Früherkennungsuntersuchungen sollen sicherstellen, dass körperliche wie geistige Fehlentwicklungen und Erkrankungen, aber auch soziale Auffälligkeiten bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern erkannt werden und so eine rechtzeitige Therapie ermöglicht wird. Ebenso sollen diese Untersuchungen aber auch Fälle von Vernachlässigung, Verwahrlosung, Misshandlung oder Missbrauch aufdecken und Sorgerechtsverletzungen durch die Erziehungsberechtigten vorbeugen. Das deutschlandweit einheitliche Vorsorgeprogramm bietet allen Kindern bis zu ihrem sechsten Lebensjahr zehn verschiedene ärztliche Untersuchungen beim Kinder- und Jugendarzt oder Hausarzt an (U1 bis U9). In einigen Bundesländern, darunter auch in Hamburg, ist für einen Teil der Untersuchungen ein Einladewesen etabliert worden. In Hamburg bezieht sich dies auf die Untersuchungen U6 und U7. Dabei erhalten in Hamburg gemeldete Eltern beziehungsweise Sorgeberechtigte von Kindern zwischen dem zehnten und zwölften sowie 21. und 24. Lebensmonat eine Einladung zur Vorsorgeuntersuchung. Durch eine codierte Karte wird die Datenübermittlung der Meldebehörde und der Ärzte ermöglicht und der Nachweis über die Teilnahme an der Untersuchung sichergestellt. Wird die Vorsorgeuntersuchung nicht wahrgenommen, setzt sich das zuständige Gesundheitsamt mit der Familie in Verbindung, um die Untersuchung nachzuholen . Es kann bei Bedarf auch ein Hausbesuch initiiert werden. Überdies wirbt die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz für die U7a-Untersuchung mit der Kampagne „Denk‘ an mich!“. Obwohl es einen gesetzlichen Anspruch auf kostenlose Kinderfrühuntersuchungen gibt, werden diese nicht von allen Eltern wahrgenommen. Laut dem im Oktober 2015 verfassten Bericht „Gesundheit Hamburger Kinder im Einschulungsalter “ der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz liegt vor allem in sozial schwierigen Stadtteilen, bei Alleinerziehenden, beruflich gering Qualifizierten und Migranten die Teilnahmequote unter dem Durchschnitt . Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Welche über die oben genannte Einladung zu den U6- und U7-Untersuchungen und der Kampagne zur U7a hinausgehenden Aktivitäten unternimmt der Senat beziehungsweise unternehmen die Behörden, um die Eltern zur Teilnahme an den Kindervorsorgeuntersuchungen zu bewegen? Bitte die Aktivitäten den einzelnen Behörden zuordnen! Drucksache 21/5394 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Hinweis auf die Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und die Unterstützung der Familie bei der Wahrnehmung der U-Untersuchungen durch die Fachkräfte der Frühen Hilfen ist fester Bestandteil des Landeskonzeptes „Guter Start für Hamburgs Kinder“. Hierbei handelt es sich um ein integriertes Konzept unterschiedlicher Fachbehörden unter Federführung der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) und der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV). Die operative Umsetzung erfolgt überwiegend durch die bezirklichen Jugend- und Gesundheitsämter. Bereits in der Geburtsklinik werden Schwangere und/oder Eltern durch die Babylotsinnen und nachfolgend durch die wohnortnahen Familienteams auf die Früherkennungsuntersuchungen und deren Nutzen hingewiesen. Darüber hinaus erhalten Mütter/Familien in den Geburtskliniken das Babywillkommenspaket rundum willkommen, in dem unter anderem auch auf die Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern hingewiesen wird. Ferner werden Sorgeberechtigte durch den bezirklichen Kinder- und Jugendgesundheitsdienst im Rahmen der Mütterberatung, bei den Baby- Begrüßungshausbesuchen und anlässlich der Untersuchung nach § 34 (4) Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) auf die Wahrnehmung der Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern hingewiesen. Bei Aufnahme in eine Tageseinrichtung ist nach § 4 des Hamburger Kinderbetreuungsgesetzes (KibeG) der Nachweis über eine altersentsprechend durchgeführte Gesundheitsvorsorge des Kindes durch Vorlage des Untersuchungsheftes oder durch eine entsprechende ärztliche Bescheinigung zu erbringen. Entsprechend haben sich die Kita-Träger gemäß § 10 Absatz 3 des Landesrahmenvertrages‚ Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen verpflichtet, vor Aufnahme eines Kindes Nachweise über die erforderliche Gesundheitsvorsorge gemäß § 4 KibeG von den Sorgeberechtigten abzufordern und dieses entsprechend zu dokumentieren. Kann der Nachweis der Früherkennungsuntersuchungen im Ausnahmefall nicht geführt werden, ist dies von der Einrichtungsleitung zu vermerken. Kitas beraten die Personensorgeberechtigten dahin gehend, fehlende Untersuchungen nachzuholen. Mit der aus Zuwendungsmitteln der BGV geförderten mehrsprachigen Informationsund Aktivierungskampagne „Enemenemu – Ich geh´ zur U“ wird unter Einsatz von Ehrenamtlichen durch den Hamburger Kinderschutzbund ebenfalls für die Teilnahme an diesen Vorsorgeuntersuchungen geworben. Diese werden vielfach durch die Mediatorinnen und Mediatoren des ebenfalls von der BGV geförderten Projektes MiMi begleitet, die Eltern mit Migrationshintergrund gezielt ansprechen und das Angebot der Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern sowie das organisierte Einladungswesen zur U6/U7 erläutern. 2. Wie hat sich die Teilnahmequote an den Untersuchungen U6, U7 und U7a seit 2010 bis heute entwickelt? Bitte aufschlüsseln nach Jahr in absoluten Zahlen und Prozent! Die Teilnahmequoten an den Untersuchungen U6, U7 und U7a seit 2010 sind der Tabelle zu entnehmen. Grundlage sind die schulärztlichen Untersuchungen. Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl U6 10.713 11.664 11.113 11.361 12.157 12.641 U7 10.466 11.410 10.921 11.167 11.913 12.552 U7a 202 867 4.403 6.867 8.196 9.217 2010 2011 2012 2013 2014 2015 in % in % in % in % in % in % U6 93,8 93,9 94,1 94,2 94,6 94,3 U7 91,6 91,8 92,5 92,6 92,7 93,6 U7a* 1,8 7,0 37,2 56,9 63,8 68,8 Quelle: Schulärztliche Daten von Kindern mit Untersuchungsheft *) Die U7a wurde am 1. Juli 2008 eingeführt. Sie wird zunehmend besser bekannt und angenommen . Sie soll durch eine Kampagne zur Bewerbung der Kindervorsorgeuntersuchung weiter bekannt gemacht werden (siehe auch Drs. 21/305). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5394 3 3. Weshalb ist das Melde- und Einladewesen nicht für die weiteren Vorsorgeuntersuchungen eingeführt worden? Bitte jeweils für die einzelnen Untersuchungen begründen! Ab einem Alter des Kindes von einem Jahr, wenn die Intensität der Betreuung durch die Frühen Hilfen in der Regel abnimmt, setzt das Einladungswesen an. Die Untersuchungen nach der U7 müssen durch das organisierte Einladungswesen nicht mit erfasst werden, da eine immer größere Zahl von Kindern auch schon im Alter von unter drei Jahren die Kita besucht. Bei der Aufnahme in die Kita wird die Vollständigkeit der Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern kontrolliert und auf die Wichtigkeit der weiteren Früherkennungsuntersuchungen hingewiesen (siehe Drs. 20/10665). 4. Wurden bei Wahrnehmung der Früherkennungsuntersuchungen Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung offenbar? Bitte für die Jahre 2010 bis 2015 in absoluten Zahlen aufführen! Die Früherkennungsuntersuchungen werden in der Regel von den niedergelassenen Kinder- und Jugendärztinnen/-ärzten durchgeführt. Stellen Ärztinnen oder Ärzte gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes fest, so kann eine Datenweitergabe an das Jugendamt unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen . Das nähere Verfahren ist in § 4 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) geregelt. Es liegen keine Kenntnisse vor, ob und in welchem Umfang es im Rahmen dieser Untersuchungen zu Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung in dem fraglichen Zeitraum gekommen ist. Bei den vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst durchgeführten Ersatzuntersuchungen wurde nach Auskunft der Bezirksämter kein Fall von Kindeswohlgefährdung festgestellt. 5. In wie vielen dieser Fälle bestätigte sich der Verdacht der Kindeswohlgefährdung ? Bitte für die Jahre 2010 bis 2015 in absoluten Zahlen aufführen ! Entfällt. 6. Wie oft wurden, wenn Eltern der Einladung zu den U6- – U7-Untersuchungen nicht nachkamen und somit das Gesundheitsamt eingeschaltet werden musste, dann Kindeswohlgefährdungen offengelegt? Bitte seit 2014 jährlich in absoluten Zahlen angeben! Die Anzahl der Kindeswohlgefährdungen ist im Rahmen des Berichtswesens für das Einladungswesen U6 und U7 in den Gesundheitsämtern bisher elektronisch noch nicht auswertbar. Auf Grundlage der derzeit in den bezirklichen Gesundheitsämtern vorliegenden Daten wurde in der Zeit von 2014 bis 2016 in einem Fall eine im Rahmen des Einladungswesens gemeldete Kindeswohlgefährdung durch den ASD bestätigt .