BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/544 21. Wahlperiode 29.05.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 21.05.15 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebepraxis In einem jüngsten Bericht bemängelt die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Rückführung (AG Rück) die deutsche Abschiebungspraxis. Abschiebungen finden in einem „gesellschaftlichen Klima der Ächtung und Ablehnung“ statt, in den Medien werden sie skandalisiert und auch in der politischen Diskussion tabuisiert . Die zuständigen Politiker und Behörden zeigen sich in diesem Kontext zunehmend handlungsunwillig. Auch Aktionen zur Verhinderung von Abschiebungen und die aktive Beihilfe bei Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht werden – so die AG Rück – nicht konsequent sanktioniert – im Gegenteil : „Sie gelten als anerkannte Formen der Zivilcourage.“ Als Folge verkümmert unser Aufenthaltsrecht zu rein formaljuristischem Hintergrundrauschen , während die massiven Unterbringungs- und Integrationsprobleme sich durch ansteigende Zahlen illegaler Einwanderer verstärken. Wenn selbst Politiker und Behörden unsere rechtlichen Rahmenbedingungen nicht mehr ernst nehmen, werden Personen ohne Aufenthaltsrecht regelrecht dazu motiviert, sich nicht an die rechtsstaatlichen Spielregeln zu halten. Stattdessen wird es zur Einreisepraxis, die Identität zu verschleiern und möglichst schnell unterzutauchen. Jüngstes Beispiel ist die illegale Einreise von fünf afghanischen Familien – insgesamt 20 Personen – die ohne Ausweispapiere mit einer Maschine der „Germania“ nach Hamburg geflogen sind. Am Startflughafen wurden die Papiere offensichtlich nicht kontrolliert. Die AG Rück kritisierte außerdem eine Überforderung der Ausländerbehörden, die die Probleme bei der Durchsetzung des Aufenthaltsrechts noch verschärfe. Die Bundesregierung forderte die Länder kürzlich ausdrücklich dazu auf, das Aufenthaltsrecht durchzusetzen und Abschiebungen nach geltendem Recht vorzunehmen. In Hamburg wurden im 1. Quartal 2005 jedoch nur 500 Abschiebungen vorbereitet, von denen 275 überhaupt nicht durchgeführt wurden. Die Politik ist an unsere verfassungsgemäße rechtliche Ordnung gebunden, deren Teil das Aufenthaltsrecht ist. Dieses soll nicht zuletzt sicherstellen, dass wir aufenthaltsberechtigten Flüchtlingen gerecht werden und eine in der Not angemessene Ressourcenverteilung bewerkstelligen können. Diese Bindung muss auch der Hamburger Senat ernst nehmen, sonst schadet er sowohl unserer rechtsstaatlichen Ordnung als auch den Hamburger Bürgern und nicht zuletzt allen Flüchtlingen, die motiviert werden, unter völlig unkontrollierten , illegalen Zuständen einzureisen und zu leben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Drucksache 21/544 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Ist eine Durchsetzung der Abschiebung in allen Fällen, in denen nach dem Aufenthaltsrecht eine Ausreisepflicht besteht, politisch in Hamburg gewollt? Bitte ausführen. Ja. Im Übrigen siehe Drs. 20/13860 und 21/299. 2. Gibt es Weisungen an die zuständigen Behörden bei der Beurteilung von ausländerrechtlichen Sachverhalten und der Ausübung von Ermessen im Aufenthaltsrecht? Wenn ja, welche und seit wann jeweils? Die Fachanweisungen sowie die sonstigen Weisungen und Anordnungen der zuständigen Behörde zum Aufenthaltsrecht sind auf den Internetseiten des EinwohnerZentralamtes sowie im Transparenzportal veröffentlicht, siehe http://www.hamburg.de/ eza/79920/einwohner-zentralamt/ und http://transparenz.hamburg.de/willkommen/#. 3. Welche Fälle von Beihilfe zu einem unerlaubten Aufenthalt gab es in Hamburg in den vergangenen zwölf Monaten? Wie wurden diese Fälle strafrechtlich behandelt? Die Polizei führt keine Statistik im Sinne der Fragestellung. Für die Beantwortung wäre eine händische Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge erforderlich. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Unabhängig davon leitet die Polizei bei Verdacht einer entsprechenden Straftat immer ein Ermittlungsverfahren ein. Der zur Beantwortung der Frage erforderliche Umstand, ob es sich bei dem Tatvorwurf um eine Beihilfe-/Unterstützungshandlung zugunsten eines sich illegal in Deutschland aufhaltenden Ausländers handelt, wird im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht erfasst. Es müssten daher zur Beantwortung dieser Frage sämtliche wegen des Vorwurfs einer Straftat nach §§ 95 Absatz 1 Nummern 1 – 4, Absatz 2, Absatz 6 und 96 AufenthG1 geführten Verfahren aus dem Zeitraum Mai 2014 bis Mai 2015 händisch ausgewertet werden. Insoweit handelt es sich für die Zeit vom 1. Mai 2014 bis 15. Mai 2015 um 5.034 Verfahren gegen bekannte (Js) und 31 gegen unbekannte (UJs) Beschuldigte.2 Angesichts der vorgenannten Anzahl der Ermittlungsverfahren kann die Frage in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht beantwortet werden. 4. Wie viele Identitätsfeststellungen hat die Ausländerbehörde in Hamburg innerhalb der letzten zwölf Monate durchgeführt? Bitte pro Monat angeben . Um wie viele Vollzeitäquivalente wurde die Ausländerbehörde in den letzten zwölf Monaten verstärkt? Der folgenden Übersicht ist die Zahl der Anträge auf Ausstellung eines Passersatzpapieres für ausreisepflichtige Personen bei den zuständigen Auslandsvertretungen zu entnehmen, die gleichzeitig auch der Identitätsfeststellung dienen: Monat Zahl der Personen Mai 14 87 Jun 14 97 Jul 14 103 Aug 14 140 Sep 14 97 Okt 14 112 1 Darüber hinaus könnten – sofern der Täter dem Ausländer gegebenenfalls falsche oder frem- de Urkunden zur Verfügung stellen oder dieses vorbereiten würde – insbesondere auch Straftaten gemäß §§ 267, 273 – 276a, 281 StGB in Betracht kommen. 2 Die Daten stehen unter dem Vorbehalt der vollständigen und richtigen Erfassung in MESTA; Stand: 21. Mai 2015. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/544 3 Monat Zahl der Personen Nov 14 166 Dez 14 118 Jan 15 201 Feb 15 114 Mrz 15 269 Apr 15 192 Summe 1.696 Die Abteilung für Ausländerangelegenheiten des Einwohner-Zentralamtes wurde im Zeitraum 1. Mai 2014 bis 30. April 2015 um 22 Personen verstärkt. Das entspricht einem Vollzeitäquivalent von 21,77. 5. Welche Konsequenzen zieht der Senat aus der illegalen Einreise der 20 Personen mit dem Luftfahrtunternehmen „Germania“? Wird das Unternehmen sanktioniert? Wenn ja, wie, wenn nein, warum nicht? Die für die in § 63 Absätze 2 bis 4 AufenthG gegen Beförderungsunternehmer vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten zuständige Bundespolizei hat auf Nachfrage erklärt, zu Angelegenheiten der Bundespolizei im Zusammenhang mit Parlamentarischen Anfragen eines Landesparlamentes keine Antwort übermitteln zu können. Die Bundespolizei unterliege ausschließlich dem Kontrollrecht und dem damit korrelierenden Fragerecht des Deutschen Bundestages.