BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/547 21. Wahlperiode 29.05.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 21.05.15 und Antwort des Senats Betr.: Verteilung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen Die Richtlinie 2013/33/EU trat am 19. Juli 2013 in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, also bis 20. Juli 2015, diese umzusetzen. Besonders schutzbedürftige Frauen sind in der Regel Schwangere ab Feststellung der Schwangerschaft und Alleinerziehende mit Kindern. Nach Recherchen des WDR (http://www1.wdr.de/studio/siegen/ themadestages/fehlgeburt-fluechtling100.html) (Abruf am 10.05.2015) verlor eine asylsuchende Frau, die aufgrund des „Königsteiner Schlüssels“ aus Hamburg zunächst nach Dortmund und dann nach Siegen „verteilt“ wurde, ihr Kind durch eine Fehlgeburt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Hamburger Senat: 1. Welche besonderen Schutzmaßnahmen gibt es für schwangere Frauen im Asylverfahren in Hamburg? a. Ab welchem Monat gelten diese Schutzmaßnahmen? Schwangere werden in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung bevorzugt behandelt. So wird ihr Fall in der leistungsrechtlichen Bearbeitung vorgezogen, um einen schnellen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung, insbesondere zu den Vorsorgeuntersuchungen , sicherzustellen. Den Schwangeren wird leistungsrechtlich ein „Mehrbedarf Schwangerschaft“ gewährt, der 17 Prozent des maßgeblichen Grundleistungsbetrages nach § 3 AsylbLG entspricht (derzeit 24,31 Euro monatlich). Werdende Mütter erhalten nach Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche einen einmaligen Pauschalbetrag in Höhe von 113 Euro für die Beschaffung von Schwangerschaftsbekleidung . Zudem erhalten die Schwangeren einmalig eine Wöchnerinnenpauschale in Höhe von 77 Euro als Barleistung für Vorlagen, zusätzliche Unterwäsche, Still-BHs und Einlagen. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter von f & w fördern und wohnen AöR (f & w) und dem DRK beraten und unterstützen die Schwangeren, zum Beispiel bei der Suche nach gynäkologischer Betreuung, und können den Kontakt zu einer Hebamme und der Mütterberatung herstellen. Sie halten auch den Kontakt zu den Krankenhäusern und bereiten nach der Entbindung die Rückkehr der Mutter in die Unterkunft vor. Bei individuellen Bedürfnissen findet eine gesonderte Absprache statt, um im Rahmen des Möglichen eine optimale Lösung zu finden. Die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung arbeitet eng mit der vom Senat geförderten und beim Flüchtlingszentrum angesiedelten „Clearingstelle zur medizinischen Versorgung von Ausländern“ zusammen und vergibt Sondertermine für Schwangere, die sich unerlaubt in Deutschland aufhalten, um die medizinische Versorgung der Schwangeren und des meist kurzfristig erwarteten Kindes sicherzustellen. Drucksache 21/547 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Der Senat schreibt in seiner Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Schneider, Drs. 21/441, „Eine Verteilung erfolgt weder bei Risikoschwangerschaften – ihre Kenntnis vorausgesetzt – noch während der Mutterschutzfrist.“ Wie ist der Verzicht auf Verteilung lediglich während der kurzen Mutterschutzfrist mit den oben genannten Vorgaben der EU-Richtlinie zum Schutz besonders schutzbedürftiger Personen zu vereinbaren? a. Wie wird eine Risikoschwangerschaft hier definiert? b. Wenn eine Risikoschwangerschaft jeweils durch ärztliches Attest nachgewiesen werden muss: Wie wird sichergestellt, dass die behandelnden Ärzte genaue Kenntnis über die Lebensumstände und die drohende Verteilung ihrer Patientinnen haben? Eine bestehende Schwangerschaft ist kein Grund, grundsätzlich von einer Verteilung abzusehen, denn der Senat geht davon aus, dass eine den Anforderungen der Richtlinie 2013/33/EU genügende Versorgung von Schwangeren bundesweit gewährleistet wird. Wenn eine Schwangerschaft komplikationslos verläuft und keine anderen Gründe einer Verteilung widersprechen, wird diese deshalb vorgenommen. Hierbei werden die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt. Eine Risikoschwangerschaft liegt vor, wenn ein ärztliches Attest diese bescheinigt und das Attest mit den Eintragungen im Vorsorgeheft der Schwangeren (sofern vorhanden ) übereinstimmt. Die Schwangeren erhalten die Möglichkeit, ein ärztliches Attest über eine Risikoschwangerschaft vorzulegen. Hierbei wird ihnen erklärt, was dieses Attest beinhalten muss. Ihre Lebensumstände schildern die Schwangeren den behandelnden Ärztinnen oder Ärzten persönlich. 3. Wo sind die Rechte besonders Schutzbedürftiger festgeschrieben? Die vorstehend beschriebene Verwaltungspraxis entspricht der Richtlinie 2013/33/EU. 4. Inwiefern können besonders Schutzbedürftige Einfluss nehmen, zum Beispiel auf ihre Unterbringung, Verteilung und so weiter? a. Wenn nicht, warum nicht? Schutzbedürftige können Einfluss nehmen, in dem sie Gründe, die einer Verteilung entgegenstehen könnten, mitteilen und alle entsprechenden Unterlagen vorlegen. Der Vortrag wird bei der Verteilungsentscheidung berücksichtigt. Grundsätzlich werden alle Personen, die einen Asylantrag stellen oder unerlaubt eingereist sind, verteilt. Es besteht allerdings die Möglichkeit, aufgrund der Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise von der Verteilung abzusehen. Die Person wird dann auf die Quote Hamburgs angerechnet. Allerdings melden sich mehr als doppelt so viele Personen in Hamburg als Asylsuchende als es der Aufnahmequote für Hamburg entspricht. Viele der Flüchtlinge haben ein Verfolgungsschicksal, das Anhaltspunkte für ein Absehen von der Verteilung bieten könnte. Insofern erleichtert die Vorlage eines aussagekräftigen Attestes die Einordnung als besonders schutzbedürftiger Mensch. 5. Gibt es eine Hamburgische Durchführungsanordnung oder Ähnliches für die Verteilung und/oder die landesinterne Verteilung von Asylsuchenden und/oder besonders Schutzbedürftigen? Wenn ja, bitte alles anhängen. Nein, die Länder haben sich im Jahr 2004 auf Fallkonstellationen verständigt, in denen von einer Verteilung abgesehen werden kann. Diese interne Absprache ersetzt die Prüfung jedes Einzelfalls jedoch nicht. 6. Inwiefern trifft es zu, dass die Frau trotz eines Krankenhausaufenthaltes wegen Blutungen und trotz fortgeschrittener Schwangerschaft aus Hamburg nach Dortmund verlegt wurde? a. Wenn ja, warum? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/547 3 b. Wenn ja, geschah es möglicherweise auf ihren ausdrücklichen Wunsch oder gegen ihren ausdrücklichen Wunsch? Der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung war lediglich bekannt, dass die Frau schwanger war. Von einem Krankenhausaufenthalt oder Beschwerden haben die Eheleute nichts berichtet. Entsprechende Unterlagen wurden nicht vorgelegt. Anderenfalls wäre dieser Umstand entsprechend gewürdigt worden. Mit der Verteilungsentscheidung waren die Eheleute einverstanden. Es bestand daher keine Veranlassung, von der getroffenen Verteilungsentscheidung abzusehen. 7. Wurde ihre Schwangerschaft nach den Blutungen und nach dem Krankenhausaufenthalt als eine Risikoschwangerschaft eingestuft? a. Wenn nein, warum nicht beziehungsweise in welchem Krankenhaus wurde sie behandelt? 8. Hatten die zuständigen Stellen Kenntnis von ihrem Krankenhausaufenthalt ? a. Wenn ja, warum wurde sie trotzdem verteilt? b. Wenn nein, warum nicht? c. Welche waren die zuständigen Stellen? Siehe Antwort zu 6. 9. Wer hat die Verteilung der Frau angeordnet? Die Verteilung erfolgte durch die Anlaufstelle der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung über das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Verfügung gestellte computergestützte Verteilungsverfahren namens EASY. 10. Inwiefern haben Hamburger Behörden die Möglichkeit, Widerspruch gegen die Anordnung des BAMF zur Verteilung in andere Bundesländer einzulegen? a. Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage? b. Wenn ja, warum haben sie es in diesem Fall nicht getan? Behördliche Rechtsmittel innerhalb dieses Verfahrens sind nicht vorgesehen. Eine Anfechtung kann nur durch die Betroffenen erfolgen. Im Übrigen siehe Antwort zu 6. 11. Inwiefern trifft es zu, dass Strafanzeige gegen die zuständigen Behörden erstattet wurde? 12. Liegen in diesem Zusammenhang Vorwürfe gegen Hamburger Behörden vor? a. Wenn ja, welche? Eine Strafanzeige liegt der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht vor. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft Siegen von Amts wegen ein Unbekannt-Verfahren eingeleitet, das von der Staatsanwaltschaft Hamburg übernommen wurde. Konkrete Vorwürfe wurden bislang nicht benannt, vielmehr werden zunächst strafrechtliche Verantwortlichkeiten für die in Siegen eingetretene Fehlgeburt geklärt. Geprüft wird insbesondere auch, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte einer Straftat der für die medizinische Behandlung oder für die Überstellung der Kindsmutter nach Dortmund Verantwortlichen vorliegen. 13. Teilt der Senat die Einschätzung, dass es für eine Schwangere, gegebenenfalls mit einem oder mehreren weiteren Kindern und gegebenenfalls mit Komplikationen bei der Schwangerschaft, nicht zumutbar ist, in eine andere Aufnahmeeinrichtung, gegebenenfalls in einem anderen Bundesland , gegebenenfalls sogar mehrfach, umziehen zu müssen? Es ist immer eine Einzelfallprüfung notwendig, in die alle Umstände einzubeziehen sind. Auch in Hamburg müssen Schwangere in der Regel einmal den Standort innerhalb des Stadtgebietes wechseln, und zwar von der Harburger Poststraße in einen Drucksache 21/547 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 anderen Standort. Auch hiervon gibt es allerdings Ausnahmen, wenn die Geburt unmittelbar bevorsteht oder der Schwangeren ein Standortwechsel nicht mehr zumutbar ist.