BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/548 21. Wahlperiode 29.05.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Deniz Celik (DIE LINKE) vom 21.05.15 und Antwort des Senats Betr.: Wie geht Hamburg mit schwangeren Asylsuchenden um? Die Richtlinie 2013/33/EU trat am 19. Juli 2013 in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, also bis 20. Juli 2015, diese umzusetzen. Besonders schutzbedürftige Frauen sind in der Regel Schwangere ab Feststellung der Schwangerschaft und Alleinerziehende mit Kindern. Vor diesem Hintergrund frage ich den Hamburger Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf Grundlage von Auskünften des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) wie folgt: 1. Können Flüchtlinge, die in Hamburg untergebracht sind, im Notfall und/ oder für Entbindungen alle Krankenhäuser aufsuchen beziehungsweise ist jeweils das nächstgelegene Krankenhaus zuständig? Bitte begründen . Flüchtlinge, die Ansprüche nach dem SGB II, dem SGB XII oder nach § 2 AsylbLG haben, werden über eine Krankenkasse im Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versorgt, entweder im Rahmen einer Mitgliedschaft bei einer Krankenversicherung oder im Rahmen einer Krankenversorgung gemäß § 264 Absatz 2 SGB V. Flüchtlinge, die leistungsberechtigt nach §§ 1, 1a AsylbLG in Verbindung mit §§ 4 und 6 AsylbLG sind, werden grundsätzlich durch eine Krankenkasse (die AOK Bremen/ Bremerhaven) gemäß § 264 Absatz 1 SGB V betreut. Sie werden dabei verfahrensund leistungsrechtlich grundsätzlich den Mitgliedern der GKV gleichgestellt. Allerdings gibt es aufgrund der §§ 4 und 6 AsylbLG einige Leistungseinschränkungen und -ausschlüsse, zum Beispiel beim Zahnersatz. Einschränkungen im Hinblick auf die Wahl des Krankenhauses bestehen nicht. Nach den Maßstäben der GKV können die vorgenannten Leistungsberechtigten die stationäre Einrichtung zur Entbindung grundsätzlich frei wählen. Nach § 24f Satz 5 SGB V gilt § 39 Absatz 2 SGB V allerdings entsprechend. Danach können Versicherten , die ohne zwingenden Grund ein anderes als in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus wählen, die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden. Ein schwerwiegender Notfall stellt einen zwingenden Grund dar. Siehe auch Antwort zu 3. Flüchtlinge, die in Hamburg untergebracht sind, können im Notfall alle Hamburger Krankenhäuser aufsuchen, die an der Not- und Unfallversorgung beteiligt sind. Für schwangere Frauen stehen die zwölf Hamburger Krankenhäuser mit geburtshilflichen Abteilungen zur Verfügung. Im UKE werden die über Rettungsdienste oder als „Selbsteinweiser“ als Notfall eintreffenden Personen unabhängig von ihrem Versicherungsstatus oder einem Status als Drucksache 21/548 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Asylsuchende oder Flüchtlinge in dem zur Abklärung und Behandlung einer akuten Erkrankung beziehungsweise Notfalllage erforderlichen Umfang versorgt. Nach Auskunft der Zentralen Notaufnahme (ZNA) des UKE gilt dort bei Asylsuchenden das folgende etablierte Verfahren: Bei der Anmeldung wird die eintreffende Person nach einem Ausweispapier/einer Meldebescheinigung gefragt und eine Kopie davon gemacht. Liegen keinerlei Papiere vor, werden auch diese Patienten ausnahmslos für eine Notfallbehandlung angenommen . Anschließend füllt das UKE eine sogenannte Nothelferbescheinigung zum Antrag auf Leistungen nach SGB II, SGB XII oder AsylbLG aus. Diese Bescheinigung wird vom behandelnden Arzt gegengezeichnet und bestätigt, dass eine Notfallbehandlung dringend geboten und eine Zurückweisung des Patienten nicht möglich ist. Das Zentrale Case-Management des UKE reicht diese Bescheinigung später zur Abrechnung der erbrachten medizinischen Leistungen beim Sozialamt ein. 2. Wurden Flüchtlinge in den vergangenen zwölf Monaten von Krankenhäusern abgewiesen, weil der Krankenversicherungsstatus nicht geklärt war? Die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz hat hierzu die Hamburger Plankrankenhäuser befragt, die an der Not- und Unfallversorgung teilnehmen. Nach Darstellung der befragten Krankenhäuser wird keine Patientin/kein Patient (unabhängig vom Versicherungsstatus, Herkunft, Aufenthaltsstatus et cetera) im Notfall abgewiesen . Eine medizinisch notwendige Notfallbehandlung findet jederzeit statt. 3. Im Ausschuss für Soziales, Integration, Flüchtlinge und Arbeit des Bezirks Altona berichtete der Sozialarbeiter des Quartiersmanagements Bahrenfeld, es komme vor, dass frisch entbundene Mütter mit ihren Säuglingen vom UKE trotz Unkenntnis der deutschen Sprache sich selbst und den öffentlichen Verkehrsmitteln überlassen würden. Dazu bietet der persönliche Fahrplan auf www.hvv.de für die Fahrt vom UKE in die Schnackenburgallee in deutscher Sprache folgendes an: Vom UK Eppendorf den M20 Umsteigen Gärtnerstraße in den M5 Umsteigen Siemersplatz in den M22 Bis Schnackenburgsallee und dann 19 Minuten Fußweg. Oder mit dem M22 bis S-Bahn Stellingen Und ein weiteres Mal umsteigen in den Bus 180 bis „Am Volkspark“ und dann 9 Minuten Fußweg. Ist diese Schilderung zutreffend? Nein. Die Fahrtstrecke vom UKE zur Haltestelle „BAB-Auffahrt Volkspark“ beinhaltet ein einmaliges Umsteigen. a. Wenn ja, wer ist dafür verantwortlich, dass frisch entbundenen Müttern diese Strapazen erspart bleiben? b. Wenn ja, inwiefern plant der Senat eine schnelle Abhilfe? c. Wenn nein, wie ist der Transport zum und vom Krankenhaus für Schwangere/Entbundene geregelt? Bitte genau beschreiben. Zu den leistungsrechtlichen Rahmenbedingungen siehe Antwort zu 1. Eine Fahrtkostenübernahme kommt im Rahmen des Leistungsspektrums der GKV unter den Voraussetzungen des § 60 SGB V in Betracht. Welches Fahrzeug dabei benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Der Transport ins Krankenhaus wird dementsprechend auch von der AOK Bremen/ Bremerhaven finanziert. Wenn die Bewohnerin noch nicht bei der AOK Bremen/ Bremerhaven versichert ist, werden die Kosten übernommen. Hierzu wird mit der Unterstützung durch das Sozialmanagement ein Formular ausgefüllt, in dem die Daten der Bewohnerin festgehalten werden. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/548 3 Das UKE ist zuständig und verantwortlich für die Organisation und Sicherstellung des Rücktransports in die Erstaufnahmeeinrichtung, sofern eine medizinische Indikation für eine Krankenbeförderung besteht. Im Übrigen greifen für die Entlassung von frisch entbundenen Müttern mit ihren Säuglingen und hier besonders bei der Entlassung von Asylsuchenden nach einer Entbindung im UKE die folgenden Verfahrensregelungen: Abhängig vom Einzelfall nimmt das UKE Kontakt zum jeweiligen Sozialmanagement der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen beziehungsweise der Folgeunterkünfte sowie zu kirchlichen Stellen auf, um Unterstützung zu erhalten. Wenn möglich, versucht das UKE, ortskundige Landsleute zu kontaktieren, die Mutter und Kind begleiten bzw. auf bestehende persönliche/soziale Netzwerke der Frauen zurückzugreifen, um eine Begleitung sicherzustellen. Sofern ein Transport mit einem Taxi erfolgen soll, ist hierfür eine ärztliche Verordnung zur Krankenbeförderung erforderlich, die die medizinische Indikation für einen solchen Transport bescheinigt. In diesen Fällen klärt das UKE die Kostenübernahme und organisiert den Transport. Nach Auskunft des UKE kommt es jedoch wiederholt vor, dass Frauen nach der Entbindung das Krankenhaus auf eigenen Wunsch verlassen, bevor eine Transportmöglichkeit gefunden werden kann. 4. Der Senat beschreibt in seiner Antwort 4. c. auf die Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Schneider, Drs. 21/441, die Möglichkeiten der Vor- und Nachsorge für schwangere Asylsuchende in den ZEAs in Hamburg . a. Gibt es weitere Angebote? Bitte genau beschreiben mit Angabe der Häufigkeit. Schwangere und Mütter mit Neugeborenen werden, wenn sie es wünschen, und dies ist die Regel, sehr intensiv vom Sozialmanagement begleitet. Das Sozialmanagement sorgt für die Anbindung an gynäkologische Praxen, fordert die Schwangeren auf, zur Vor- und Nachsorge zu gehen und berät über die weiteren Schritte. F & w führt eine Dringlichkeitsliste für Personen, die vorrangig in eine Folgeunterkunft verlegt werden sollen. Dazu gehören auch Frauen mit einer Risikoschwangerschaft. b. Wie viele Vor- und Nachsorgetermine durch Hebammen werden Frauen bei normal verlaufenden Schwangerschaften empfohlen? Der Umfang der Vorsorgetermine ist in den Mutterschafts-Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) beschrieben. Vorsorgetermine können bei Ärzten und Ärztinnen, welche die vorgesehenen Leistungen aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen erbringen können, nach der ärztlichen Berufsordnung dazu berechtigt sind und über die erforderlichen Einrichtungen verfügen oder, mit Ausnahme von Ultraschalluntersuchungen, durch Hebammen wahrgenommen werden. Die vorgesehenen Vorsorgetermine- und Laboruntersuchungen sind im Mutterpass nach Art und Umfang beschrieben. Die Versicherten können wählen, ob und inwieweit sie Untersuchungen bei einem Arzt oder einer Ärztin oder einer Hebamme wahrnehmen. Die Zahl der Termine richtet sich nach dem individuellen Bedarf. Nachsorgetermine als Wochenbett-Betreuung durch Hebammen können bis zu acht Wochen nach der Geburt erfolgen. Bis zum zehnten Tag nach der Geburt kann jede Mutter maximal 20 Hebammenbesuche beanspruchen. Nach den ersten zehn Tagen kann Hebammenhilfe bis zu 16-mal telefonisch oder als Hausbesuch in Anspruch genommen werden, bis das Kind acht Wochen alt ist, auf ärztliche Anordnung auch länger. c. Wie viele Frauen, die Vor- und Nachsorge in Anspruch nehmen können, lebten in den vergangenen sechs Monaten durchschnittlich in den unter Drs. 21/411 4. c. genannten Unterkünften? Die Anzahl der schwangeren Frauen kann nicht exakt ermittelt werden, da nicht alle (frühen) Schwangerschaften f & w zur Kenntnis gebracht werden. In den letzten sechs Monaten wurden f & w 16 Geburten bekannt. d. Reicht das unter Drs. 21/411 4. c. genannte Angebot aus, damit alle untergebrachten Frauen die empfohlenen Vor- und Nachsorgeuntersuchungen wahrnehmen können? Drucksache 21/548 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Ja. e. Haben schwangere Asylsuchende in Hamburg die Möglichkeit, an Geburtsvorbereitungskursen teilzunehmen? Wenn nein, warum nicht? f. Inwiefern werden mögliche Verständigungsprobleme zwischen Arzt/ Ärztin beziehungsweise Hebamme und Patientin dabei berücksichtigt ? Zum Leistungskatalog der GKV zählen nach § 24d SGB V (Ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe) auch die von den Hebammen durchgeführten Geburtsvorbereitungskurse , sodass die gesetzlich versicherten beziehungsweise durch eine Krankenkasse betreuten Schwangeren diese Leistungen in Anspruch nehmen können. Für den Partner gilt dies nicht. Die Übernahme von Dolmetscherkosten ist im Leistungskatalog der GKV nicht vorgesehen. Lediglich für Leistungsberechtigte nach §§ 4 und 6 AsylbLG kann deshalb gegebenenfalls im Einzelfall eine Übernahme von Dolmetscherkosten in Betracht kommen, wenn und soweit der Anspruch auf die Behandlung ohne Sprachmittlerdienste nicht oder nicht im medizinisch gebotenen Umfang erfüllt werden kann. Allerdings müssen Leistungsberechtigte zunächst vorhandene Möglichkeiten einer unentgeltlichen Sprachvermittlung durch Verwandte, Bekannte oder sonstige ihnen nahestehende Personen ausschöpfen. 5. Inwiefern berücksichtigt der Senat auch Flüchtlingsfamilien (in ZEAs und Folgeunterbringung) bei der Planung der Angebote der „Frühen Hilfen“? a. Wenn nicht, warum nicht? b. Wenn ja, inwiefern werde dabei Sprachmittler/-innen eingesetzt? Die Angebote der Frühen Hilfen stehen auch den Familien aus der Zentralen Erstaufnahme und den Einrichtungen zur Folgeunterbringung von Flüchtlingsfamilien zur Verfügung. Sprachmittlerinnen beziehungsweise Sprachmittler werden im Bedarfsfall und im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten eingesetzt. 6. Werden sogenannte „Babybegrüßung-Besuche“ auch Flüchtlingsfamilien (in ZEAs und Folgeunterbringung) angeboten? a. Wenn nein, warum nicht? b. Wenn ja, inwiefern werde dabei Sprachmittler/-innen eingesetzt? In allen Bezirken in Hamburg werden den Eltern von Neugeborenen, unabhängig von der Herkunft und Wohnsituation, Babybegrüßungs-Hausbesuche angeboten. Diese werden teilweise allen Neugeborenen des Bezirkes, teilweise selektiv angeboten und erfolgen im Kontext der Frühen Hilfen. Sprachmittler werden nur selektiv entsprechend vorhandener Ressourcen angeboten. 7. Inwiefern beziehen die „Babylotsen Hamburg“ auch Flüchtlingsfamilien (in ZEAs) in ihre Angebote mit ein beziehungsweise stimmen ihre Angebote auf sie ab? a. Wenn nicht, warum nicht? b. Wenn ja, inwiefern werde dabei Sprachmittler/-innen eingesetzt? Das Projekt „Babylotsen Hamburg“ ist im Rahmen des § 6c Absatz 6 des Hamburgischen Krankenhausgesetzes in den Geburtskliniken tätig. Das Angebot der Babylotsen Hamburg richtet sich an alle Frauen/Familien in den Hamburger Geburtskliniken. Zur Bewerbung des Angebotes sind derzeit Flyer in elf Fremdsprachen in Vorbereitung .