BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5504 21. Wahlperiode 09.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 03.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Was tut der Senat gegen die Radikalisierung in den JVAs? Im Herbst 2015 kündigte der Senat ein Handlungskonzept für den Justizvollzug an, um dem religiösen Extremismus entgegenzuwirken (Drs. 21/1674). Dieses liegt aber immer noch nicht vor. Der Blick auf Tatverdächtige beziehungsweise schon verurteilte Täter aus dem islamistischen Milieu, die sich im Gefängnis befinden, muss durchgehend erfolgen. Denn es besteht die Gefahr, dass sich diese Personen weiter radikalisieren oder durch andere Häftlinge radikalisiert werden. Bereits seit 2011 informiert der Hamburger Verfassungsschutz auf seiner Internetseite1 über die Unterstützung von Gefangenen durch das Onlineportal „Ansarul Aseer“: „Damit hatte die deutschsprachige jihadistische Szene einen ersten Schritt zur organisierten Gefangenenhilfe unternommen.“ Fraglich ist, wie sich die Radikalisierung in den Justizvollzugsanstalten entwickelt hat und wie der Senat dem aktuell entgegenwirkt. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat hat mit der Drs. 21/5039 am 28. Juni 2016 ein umfangreiches Programm zur Prävention von Salafismus verabschiedet. Darin werden auch die Maßnahmen im Justizvollzug beschrieben. Darüber hinaus hat sich der Senat zur Salafismusprävention im Justizvollzug in den Drs. 21/3586 und 21/2466 bereits geäußert. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse haben der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden über die Radikalisierung von Personen während oder nach ihrem Aufenthalt in hamburgischen Justizvollzugsanstalten? a. Wie hat sich die Radikalisierung von Gefangenen zum religiösen Extremismus aus Sicht des Senats seit 2012 entwickelt? b. Welche religiösen und politischen Radikalisierungen konnte der Senat seit 2012 insgesamt feststellen? 2. Gibt es neue Erkenntnisse hinsichtlich der Aktivität von Salafisten im Umfeld von Justizvollzugsanstalten? Wenn ja: bitte darstellen. 1 http://www.hamburg.de/innenbehoerde/schlagzeilen/3115808/gefangenenhilfe-in-derjihadistischen -szene-fhh-hamburg/. Drucksache 21/5504 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie viele mutmaßliche Islamisten befinden sich zurzeit in hamburgischen Justizvollzugsanstalten? Siehe Vorbemerkung. 4. Wie viele andere Extremisten befinden sich zurzeit in hamburgischen Justizvollzugsanstalten? Bitte aufschlüsseln nach JVA, Anzahl und Gruppe. Es gibt insgesamt drei Gefangene, die aufgrund von anderen politisch motivierten Straftaten inhaftiert sind. In der Untersuchungshaftanstalt befinden sich zwei Gefangene , die der PKK zuzurechnen sind. Ein als rechtsextrem einzustufender Gefangener , der keiner politischen Gruppierung zugeordnet werden kann, befindet sich in der JVA Billwerder. 5. Wie viele muslimische Seelsorger beziehungsweise Imame sind aktuell in hamburgischen Justizvollzugsanstalten tätig? Bitte nach fest angestellten und ehrenamtlich tätigen Seelsorgern differenzieren. a. Wie sieht aktuell der Umfang der Betreuung durch muslimische Seelsorger beziehungsweise Imame in den hamburgischen Justizvollzugsanstalten aus? b. Welche Fluktuation herrscht bei den eingesetzten muslimischen Seelsorgern? Wie werden die muslimischen Seelsorger in den Justizvollzugsanstalten bezahlt? Siehe Vorbemerkung. c. Wie viele christliche Seelsorger sind aktuell in den hamburgischen Justizvollzugsanstalten tätig? Wie werden diese bezahlt? Wie bewertet der Senat die Fluktuation? Im Auftrag der evangelisch-lutherischen und der römisch-katholischen Kirche sind insgesamt zehn christliche Seelsorger (Pastoren, Diakone und Pastoralreferenten), teilweise auch in Teilzeit, in den Vollzugsanstalten eingesetzt. Deren Anstellungsträger sind die beiden Kirchen. Es gibt keine nennenswerte Fluktuation. Die ganz überwiegende Anzahl der Seelsorgerinnen und Seelsorger sind seit Jahren in den Anstalten tätig. 6. Sind dem Senat in Hamburg Fälle bekannt, in denen Netzwerke zur Gefangenenhilfe Personen der salafistischen Szene unterstützen? Gab es irgendwelche Hinweise auf derartige Unterstützung, beispielsweise Besuche der Prozesstermine oder „Erbauungsbriefe“ in der Haft mit dem Ziel, Reue zu verhindern und Resozialisierungsprozesse zu unterbinden ? Wenn ja, was hat der Senat dagegen getan? Wie häufig kam das in Hamburg vor? Nein. 7. Welche aktuellen Erkenntnisse liegen dem Senat über das Onlineportal „Ansarul Aseer“ vor? Im Jahre 2011 wurde durch die jihadistische Szene mit Gründung von „Ansarul Aseer“ erstmals der Versuch unternommen, Inhaftiertenunterstützung in Deutschland in organisierter Weise anzubieten. Das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg hat schon damals zeitnah auf diese Entwicklung hingewiesen und die Öffentlichkeit sowie die Justizvollzugsanstalten gemäß seinen gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben informiert. „Ansarul Aseer“ ist als Teilorganisation von „Millatu Ibrahim“ beziehungsweise „Tauhid Germany“ durch das Bundesministerium des Inneren (BMI) verboten worden. Eine entsprechende Internetseite ist in Deutschland nicht mehr aufrufbar. Es gibt derzeit keine aktuellen Erkenntnisse mehr zu „Ansarul Aseer“. 8. Wann wird das in Drs. 21/1674 bereits für November 2015 angekündigte Handlungskonzept für den Justizvollzug vorgelegt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5504 3 9. Was unternimmt der Senat, um der Radikalisierung von Gefangenen entgegenzuwirken? 10. Wird es eine personelle Aufstockung geben, um im Justizvollzug im Bereich Salafismus im Sinne der Intervention oder Prävention tätig zu werden? Wenn ja: In welchem Umfang, zu wann und in welcher Behörde/Institution konkret? Wenn nein: warum nicht? Siehe Vorbemerkung.