BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5552 21. Wahlperiode 16.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Hannemann (DIE LINKE) vom 10.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Werden nun auch Dritte durch das SGB II in Haftung genommen und mit Bußgeldern bedroht? Aufgrund der neunten Gesetzänderung SGB II zum 1. August 2016 ergeben sich zahlreiche Änderungen, die auf der einen Seite zu Unsicherheiten in den Jobcentern führen und auf der anderen Seite auch bei den Arbeitslosengeld- II-Leistungsberechtigten. Ein Punkt betrifft unter anderem die Datenschutzregelungen in Bezug auf Anforderungen von Daten, Auskunftspflicht und deren Übermittlung. Hierbei tritt auch § 60 SGB I in den Vordergrund, welcher die Angabe von Tatsachen beim Sozialleistungsbezug fordert und nach dem auch „auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen“ ist. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) und der Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur) wie folgt: 1. Nach § 67a Absatz 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten beim Betroffenen zu erheben. Dieses betrifft auch die Prüfung von Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) nach § 22 SGB II. Sind die Leistungsberechtigten nach SGB II dazu verpflichtet, eine vom Jobcenter ausgegebene Vermieterbescheinigung beim/bei der Vermieter/-in vorzulegen? Wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage? 2. Gilt die ausgegebene Vermieterbescheinigung durch Jobcenter t.a.h. als Beweisurkunde im Sinne von § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB I? 3. Welche Folge hat die Nichtvorlage der Vermieterbescheinigung für Leistungsberechtigte nach Arbeitslosengeld II? Bitte ausführlich mit zuständigen SGB-Gesetzen begründen. 4. Sind Vermieter nach Frage 2. dazu verpflichtet, die Vermieterbescheinigung auszufüllen? Wenn ja, auf welcher genauen Gesetzesgrundlage in Verbindung mit den Sozialgesetzbüchern basiert diese Auskunftspflicht? Die in den Fragestellungen genannte „Vermieterbescheinigung“ ist Jobcenter nicht bekannt. Es besteht keine Verpflichtung zur Vorlage einer Bescheinigung beim Vermieter. Sofern durch die Kundinnen und Kunden Leistungen für anfallende Kosten für die Unterkunft und Heizung beantragt werden, besteht die Pflicht, diese anfallenden Kosten in geeigneter Weise nachzuweisen. Drucksache 21/5552 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Gilt § 63 (1) Nummer 6 SGB II auch für Vermieter? Wenn ja, auf welcher sozialdatenschutzrechtlichen Grundlage? Nein. 6. Welche Gruppen/Personen sind als Dritte nach § 63 (1) Nummer 6 SGB II inkludiert? Bitte einzeln auflisten. Der § 63 Absatz 1 Nummer 6 SGB II bezieht sich auf § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB I (Angabe von Tatsachen). 7. Welche Gruppen/Personen sind als Dritte nach § 60 Absatz 1 SGB I inkludiert und spielen in der Ausübung von Auskunftsersuchen durch Jobcenter t.a.h. eine tragende Rolle? Die benannte Norm bezieht sich auf Personen, die Sozialleistungen beantragt haben oder beziehen. 8. Innerhalb welcher Frist müssen Dritte auf Aufforderung durch Jobcenter t.a.h. geforderte Auskünfte vorlegen? Die Frist muss angemessen sein. Die Angemessenheit von Fristen bemisst sich in der Regel an dem Aufwand zur Beschaffung der vorzulegenden Informationen, an der Dringlichkeit der Vorlage – insbesondere im Hinblick auf eine zügige Entscheidung über die Leistungsgewährung – sowie an der gängigen Verwaltungspraxis. Die Auskunftspflicht und Mitwirkungspflicht Dritter ist in § 60 SGB II geregelt. 9. Wurde der „Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit “ (HmbBfDI) in die Planung der neunten Gesetzänderung SGB II im Vorfeld um sozialdatenschutzrechtlichen Rat durch den Senat, in Vertretung für Jobcenter t.a.h., angefragt? Wenn ja, welche Aussagen hat diese im Vorfeld zu den Gesetzänderungen gegeben? Wenn nein, warum nicht? 10. Wurde die „Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit “ (BfDI) in die Planung der neunten Gesetzänderung SGB II im Vorfeld um sozialdatenschutzrechtlichen Rat durch den Senat, in Vertretung für Jobcenter t.a.h., angefragt? Wenn ja, welche Aussagen hat diese im Vorfeld zu den Gesetzänderungen gegeben? Wenn nein, warum nicht? Für die gemeinsamen Einrichtungen gilt das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. Zuständig ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Der Senat hat sich damit nicht befasst. 11. Nach § 52 SGB II ist Jobcenter t.a.h. berechtigt, einen automatisierten Datenabgleich vorzunehmen. Dieses gilt auch neu für nicht leistungsberechtigte Personen in einer Bedarfsgemeinschaft. Führt Jobcenter t.a.h. abweichend von Satz 1 nach § 52 (1) SGB II einen monatlichen Datenabgleich für nicht leistungsberechtigte Personen in einer Bedarfsgemeinschaft durch oder ist dies geplant? Die Bundesagentur für Arbeit plant, generell einen monatlichen Datenabgleich vorzunehmen . Mit der Änderung aufgrund des 9. Änderungsgesetzes zum SGB II wurde lediglich klargestellt, dass sich der § 52 SGB II auch auf nicht leistungsberechtigte Personen bezieht. 12. Nach § 25 Absatz 5 SGB X haben Leistungsberechtigte nach SGB II, SGB III und SGB XII zur Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen das Recht auf Einsicht ihrer Akten. Ist den Leistungsberechtigten aus Kos- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5552 3 tengründen gewährt, mithilfe einer Digitalkamera oder eines Handys Kopien ihrer Akte abzufotografieren? Wenn nein, welche gesetzlichen Gründe sprechen dagegen? Wenn ja, wie werden Leistungsberechtigte nach dem SGB II, III, X auf dieses Recht durch die beteiligten Behörden hingewiesen? Bitte jeweils ausführliche begründen. Nach § 25 Absatz 1 SGB X hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Soweit die Behörde grundsätzlich verpflichtet ist, Einsicht zu gewähren, können die Beteiligten nach § 25 Absatz 5 SGB X Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. So werden zum Beispiel bei Jobcenter diese Kopien kostenlos für die Kundinnen und Kunden gefertigt. Es besteht auch das Recht, dass die einsichtsnehmende Person selber Kopien fertigt (zum Beispiel mit einer Digitalkamera). Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, hat die Behörde nach § 25 Absatz 5 SGB X ein Ermessen, wie sie den Beteiligten Akteneinsicht gewährt, zum Beispiel indem sie Unterlagen ausdruckt, elektronische Dokumente auf dem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder elektronischen Zugriff auf die Akte gestattet. Es bestehen deshalb keine Bedenken, dass auch Ablichtungen mit dem Handy zugelassen werden. Diese Alternative birgt allerdings für den Kunden den Nachteil, dass Ablichtungen vom Handy im Streitfall gegebenenfalls nicht als Beweismittel bei den Gerichten akzeptiert werden könnten.