BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5560 21. Wahlperiode 19.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 11.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Aktueller Justizskandal – Inhaftierter sendet „Hass-Parolen“ auf Facebook und die Behörde wusste mal wieder von nichts! Der Inhaftierte Abdul S. hat in der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand über ein Smartphone aus seiner Zelle sogenannte Hass-Videos, Wutgesänge gegen den Staat aufgenommen und diese auf Facebook gestellt. Obwohl in den JVAs Handys und Internetverbindungen aus Sicherheitsgründen strengstens verboten sind, konnte das Smartphone in die Zelle von Abdul S. gelangen und 19.201 User haben sein erstes Hass-Video vom 5. Juli 2016 aufgerufen. In der Justizbehörde hatte niemand etwas bemerkt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie konnte das Smartphone in das Gefängnis zu Abdul S. geschmuggelt werden? Wem gehört das Smartphone? Welche Maßnahmen zur Bewachung haben nicht gegriffen? (Bitte aus Sicht und nach Kenntnissen der zuständigen Behörde darstellen .) Siehe Drs. 21/5544. 2. Wie viele „Hass-Videos“, Wutgesänge und andere verletzte Äußerungen gegen Personen, Ämter, den Staat et cetera konnte Abdul S. über sein Smartphone in welchem Zeitraum versenden? In dem Facebook-Account „Apo29“ gab es seit dem 5. Juli 2016 bis zur Sicherstellung des Smartphones am 11. Juli 2016 16 Eintragungen. 3. Ab welchem Zeitpunkt und durch wen wurde bemerkt, dass der Inhaftierte ein Smartphone hatte und regelmäßig darüber „Hass-Videos“ und andere Äußerungen aus seiner Zelle auf Facebook gestellt hat? Siehe Drs. 21/5544. 4. Warum hat die Justizbehörde erst so spät Kenntnis von dem Vorfall erlangt? Werden Facebook oder Internet in der Behörde insbesondere vom Senator nicht regelmäßig eingesehen, verwendet? Die zuständige Behörde hat umgehend Kenntnis von dem Vorfall erlangt, siehe Drs. 21/5544. Eine verdachtsunabhängige Kontrolle des Internets sowie sämtlicher sozialen Medien dahin gehend, ob Gefangene unerlaubt Inhalte in das Internet einstellen, ist nicht möglich. 5. Welche Maßnahmen hat die Justizbehörde im Fall Abdul S. eingeleitet? Wie sollen derartige Vorfälle in Zukunft vermieden werden? Drucksache 21/5560 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Siehe Drs. 21/5544. 6. Zeigten sich Auffälligkeiten im Verhalten bei dem Inhaftierten Abdul S.? Wenn ja, seit wann und durch wen wurden diese dokumentiert? Alle vollzugsrelevanten Ereignisse, zu denen insbesondere auch Auffälligkeiten gehören , werden grundsätzlich von den diese wahrnehmenden Bediensteten in der Gefangenenpersonalakte des betroffenen Gefangenen dokumentiert. In Bezug auf Abdul S. war dies seit Haftbeginn im Februar 2015 hinsichtlich Auffälligkeiten unterschiedlicher Art der Fall. 7. Wurden neben dem Ladekabel und dem Handy noch weitere Gegenstände in der Zelle des Abdul S. am 11. Juli 2016 bei der Zellendurchsuchung konfisziert? Wenn ja, welche? Siehe Drs. 21/5544. 8. Wie viele Justizvollzugsbedienstete sind in der JVA Hahnöfersand derzeit beschäftigt? Wie viel Personal war in den Jahren 2010 bis 2016 in Hahnöfersand beschäftigt? Die Bedienstetenzahlen bezogen auf die der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hahnöfersand zugewiesenen Bediensteten der Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt, Fachrichtung Justiz, Laufbahnzweig Strafvollzugsdienst1, mit Ausnahme des Wertes für 2016 jeweils zum Stichtag 31.12. jedes Jahres, haben sich wie folgt entwickelt: 2010: 163 Bedienstete, 2011: 163 Bedienstete, 2012: 154 Bedienstete, 2013: 156 Bedienstete, 2014: 139 Bedienstete, 2015: 138 Bedienstete, 31.07.2016: 112 Bedienstete. Die Personalentwicklung im AVD erklärt sich dabei neben regulären und außerplanmäßigen Abgängen (Ruhestände, Versetzungen, Abordnungen, Umsetzungen, turnusmäßige Wechsel von Probezeitbeamten) sowie neben der 2012 für den Justizvollzug erstmals vorgenommenen Personalbedarfsbemessung für den Justizvollzug insgesamt unter anderem in folgenden weiteren Punkten: Im Jahr 2013 wurde aufgrund der Entwicklung der Gefangenenzahlen das Haus I geschlossen. Im 1. Quartal 2016 erfolgte schließlich die Verlagerung der Teilanstalt für Frauen (TAF) in die JVA Billwerder. Im gesamten erfragten Zeitraum war die JVA Hahnöfersand inklusive TAF und Jugendarrest zudem mit Blick auf die tatsächliche Belegungsfähigkeit zu maximal 57 Prozent ausgelastet, bei einer personellen Ausstattung für 100 Prozent. Die Auslastung der JVA ohne die TAF zum Stichtag 31. Juli 2016 betrug 61 Prozent. 9. Wie viele Stellen im Justizvollzug sind derzeit nicht besetzt? Warum sind diese Stellen nicht besetzt (bitte nach JVAs aufgliedern, insbesondere Hahnöfersand)? Gründe für nicht besetzte Stellen sind unter anderem reguläre (planbare) Abgänge, wie zum Beispiel Altersabgänge. Daneben gibt es außerplanmäßige Abgänge, wie zum Beispiel Versetzungen, Umsetzungen und Abordnungen. Zu den nicht besetzten 1 Ehemals Allgemeiner Vollzugsdienst – AVD, ohne Krankenpflege. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5560 3 Stellen in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) und bezogen auf den AVD siehe im Übrigen Drs. 21/5520. 10. Wie viele Stellen stehen derzeit für sogenanntes Wachpersonal der Inhaftierten in den JVAs zur Verfügung (bitte nach den einzelnen JVAs gliedern)? Wie viele Stellen sind davon aus welchen Gründen nicht besetzt? Wie viele Stellen müssten in den JVAs, insbesondere in Hahnöfersand , besetzt sein, um eine ausreichende Bewachung der Inhaftierten zu gewährleisten? 11. Wie viele Stellen standen in den Jahren 2010 bis 2015 für sogenanntes Wachpersonal der Inhaftierten in den JVAs zur Verfügung (bitte nach Jahren und JVAs gliedern)? Bei dem Tätigkeitsfeld der AVD-Bediensteten im Justizvollzug handelt es sich um eine vielseitige Aufgabe mit hoher sozialer Verantwortung. Im Justizvollzug werden keine dieser Bediensteten ausschließlich für Bewachungsaufgaben eingesetzt. 12. Wie viele Stellen in welcher Entgeltgruppe für welche Bereiche plant der Senat im Justizvollzug neu zu besetzen? Laufen derzeit Bewerbungsverfahren ? Für die im Justizvollzug ausgeübten hoheitlichen Tätigkeiten dürfen grundsätzlich nur Beamte eingesetzt werden. Zu den Ausbildungsbemühungen im Justizvollzug siehe zuletzt Drs. 21/5520. 13. Wie hat sich die monatliche Fehlzeitenquote seit 2010 bis Juli 2016 für Justizvollzugsbedienstete, insbesondere das „Wachpersonal“ in den JVAs, entwickelt? Wie hoch ist der Krankenstand bei den Justizvollzugsbediensteten in den JVAs? Das Fehlzeitenmanagement und -controlling bildet grundsätzlich jeweils nach Ablauf von zwei Monaten qualitätsgesicherte Daten ab. Die Datenauswertung erfolgt bis zum 19. des Monats rückwirkend für den vorletzten Monat. Eine Abbildung der Fehlzeitenquoten für Juni und Juli 2016 ist aufgrund der noch andauernden Qualitätssicherung nicht möglich. Eine Darstellung der bislang elektronisch abschließend erfassten Datensätze wäre vorläufig und würde keine seriöse Vergleichbarkeit der Daten ermöglichen . Eine nicht elektronische und zudem nachträgliche Erhebung ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Hierzu müssten sämtliche Besetzungsstärken, Krankheitsfälle et cetera tages- und schichtweise ausgewertet werden. Dies gilt auch für die erfragten monatlichen Daten für das Jahr 2010. Im Übrigen stellte sich die Entwicklung bezogen auf alle Bedienstete der Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt, Fachrichtung Justiz, Laufbahnzweig Strafvollzugsdienst (ehemals Allgemeiner Vollzugsdienst – AVD, inklusive Krankenpflegepersonal) in den Justizvollzugseinrichtungen wie folgt dar: 2010 gesamt AVD 14,6 Alle 14,1 2011 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez gesamt AVD 17,0 17,0 17,4 16,6 16,4 15,6 15,6 15,5 16,0 15,4 17,0 17,1 16,4 Alle 16,0 16,1 15,9 15,2 15,2 14,3 14,1 14,3 14,6 14,3 16,2 15,9 15,2 2016 Mai gesamt AVD 11,3 12,6 Alle 10,3 11,7 Siehe im Übrigen Drs. 21/378 und 21/5121. 14. Wird aus Sicht des Senats eine Bewachung der Inhaftierten in den JVAs durch ausreichend Personal gewährleistet? Drucksache 21/5560 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn nein, warum nicht? Die derzeitige Stellenbesetzung gewährleistet eine ausreichende Bewachung. Auch die Besetzung aller vorhandenen Stellen könnte nicht sicher verhindern, dass unerlaubte Gegenstände in die Justizvollzugseinrichtungen eingebracht und missbräuchlich genutzt werden. Das Einbringen von unerlaubten Gegenständen in Einrichtungen des geschlossenen Justizvollzuges ist ein bundesweit bestehendes Problem. Im Hamburger Justizvollzug begegnet man dem zum Beispiel mit Kontrollen und Durchsuchungen im Zusammenhang mit Besuchen sowie regelmäßig stattfindenden beziehungsweise anlassbezogenen Revisionen. 15. Nach welchen Kriterien werden die Stellen besetzt und die Bewachung gewährleistet? Bezogen auf die Bediensteten der Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt, Fachrichtung Justiz, Laufbahnzweig Strafvollzugsdienst2 stellt sich die Besetzung der Stellen wie folgt dar: Die Stellen werden je nach Bewerberlage durch Versetzungen von Laufbahnbewerberinnen und -bewerbern (AVD) aus anderen Ländern sowie regelmäßig mit Bediensteten besetzt, die die Laufbahnprüfung für den AVD in Hamburg bestanden haben, siehe hierzu zuletzt Drs. 21/5520. In beiden Fällen erfolgt die Verteilung mit dem Ziel, möglichst sachgerecht zu verteilen sowie die Vakanzen in den einzelnen Justizvollzugseinrichtungen gleichmäßig niedrig zu halten. 16. Zu welchen Zeiten befand sich der Inhaftierte in seiner Zelle und wie oft hatte er Besuch erhalten? Inwiefern waren Justizvollzugbedienstete in seiner Nähe beziehungsweise war eine Bewachung sichergestellt? War aus Sicht der Behörde ausreichend Personal in Hahnöfersand im Jahr 2016 vorhanden? Wenn nein, warum nicht? 17. Wäre aus Sicht der Behörde der Vorfall mit Abdul S. auch passiert, wenn ausreichend Personal an Bediensteten in der JVA Hahnöfersand vorhanden gewesen wäre (bitte begründen)? Der Gefangene befand sich zu den Einschlusszeiten im Haftraum, das ist wochentags zwischen 18.30 beziehungsweise 19.00 bis 6.30 Uhr morgens, am Wochenende von 17.30 beziehungsweise 18.00 Uhr bis 10.00 Uhr morgens und zum Mittagseinschluss von 12.00 bis 14.00 Uhr. Wann er sich während der Stationsfreizeit am Nachmittag im Haftraum aufhielt, kann nicht festgestellt werden. Die Gefangenen im Wohngruppenvollzug dürfen sich während dieser Zeit frei auf der Station bewegen und sich gegenseitig in den Hafträumen besuchen. Im Zeitraum Januar 2016 bis August 2016 hat der Gefangene 23 Mal Besuch erhalten . Die Besuche von Gefangenen werden regelmäßig durch Bedienstete und zusätzlich mittels optisch-elektronischer Einrichtungen (Videoüberwachung) überwacht. Im Übrigen siehe Antwort zu 14. 18. In wie vielen Fällen in den Jahren 2010 bis 2016 wurden Gegenstände zu Inhaftierten in die JVAs geschmuggelt (bitte nach Jahren und JVAs aufgliedern)? In wie vielen Fällen ging es dabei um Handys? Wann hatte jeweils die Justizbehörde Kenntnis von den Vorfällen erlangt (bitte nach den jährlichen Fällen darstellen)? Welche Konsequenzen wurden aus den Vorfällen gezogen beziehungsweise durch welche Maßnahmen hat die Behörde Änderungen in den JVAs veranlasst? Siehe Drs. 21/276 und Drs. 21/5544. Statistisch erfasst wird die Anzahl und Art der Funde, sodass zur Frage der Kenntniserlangung der Vorfälle keine Aussage getroffen werden kann. Zur Beantwortung müssten für mehrere Tausend Fälle Akten händisch 2 Ehemals Allgemeiner Vollzugsdienst – AVD, ohne Krankenpflege. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5560 5 ausgewertet werden. Das ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Gegen die Gefangenen, denen der Besitz unerlaubter Gegenstände nachgewiesen werden konnte, wurden Disziplinarmaßnahmen verhängt und/oder besondere Sicherungsmaßnahmen und/oder die getrennte Unterbringung während der Arbeit und Freizeit angeordnet. Die Kontrollen von Hafträumen, Gefangenen und Besuchern werden im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten weiterhin regelmäßig durchgeführt. 19. Wer ist aus Sicht der zuständigen Behörde für den Vorfall mit dem Inhaftierten Abdul S. verantwortlich und welche Konsequenzen werden daraus gezogen? Die Verantwortung liegt bei dem Gefangenen, im Übrigen siehe Drs. 21/5544 und Drs. 21/276.