BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5561 21. Wahlperiode 19.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 11.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Situation in der Hamburger Justiz – Weiterhin hohe Belastung am Landgericht Bisher schafft der eingerichtete Stellenpool1 keine langfristige Lösung für die Situation der Gerichte, insbesondere am Landgericht. Die Einrichtung einer weiteren Schwurgerichtskammer am Landgericht sollte Entlastung bringen. Steigende Anforderungen und zunehmende Größe sowie Komplexität der Verfahren erfordern zusätzliche Vorschläge und Maßnahmen des Justizsenators . Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Belastungssituation der gesamten Justiz wird ständig überprüft. Unter anderem erfolgt dies regelmäßig zu den Quartals- und Halbjahresberichten sowie im Rahmen der Haushaltsaufstellung und darüber hinaus im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen oder Meldungen. Auf dieser Basis und aufgrund der Arbeitsberichte der Gerichte und Staatsanwaltschaften wurde auch der Einsatz des Richterpools im letzten Jahr entschieden. Flankierend wurden Maßnahmen ergriffen, um Abwesenheiten auszugleichen, die im Richterbereich durch längere Erkrankungen oder Abordnungen entstanden sind. Durch diese und weitere Maßnahmen konnte die Kennzahl „Richter in Rechtssachen“ in der Personalverwendungsstatistik insgesamt beim Landgericht im ersten Halbjahr 2016 um 6,2 Vollkräfte im Vergleich zum Vorjahr gesteigert werden. Konkret konnte so eine halbe Jugendkammer und eine halbe allgemeine Kammer wieder eingerichtet werden, die letztes Jahr zugunsten der hochbelasteten Zivilkammern geschlossen wurden. Die Landgerichtspräsidentin trägt im Zusammenhang mit der im Sommer erfolgten Bitte um Aktualisierung der Arbeitsberichte vor, dass dennoch weitere Verstärkungs- Maßnahmen erforderlich sind. Die Prüfung und Bewertung dieses Schreibens ist noch nicht abgeschlossen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche aus der Drs. 21/1979 vorgesehenen Stellenveränderungen sind tatsächlich im Landgericht umgesetzt worden (bitte nach Zivilkammern und Strafkammern differenziert darstellen)? Die Stellenveränderungen sind so umgesetzt worden, wie in Drs. 21/1979 beantragt. 2. Was sind die Hauptursachen für die Überlastung der Zivilkammern und Strafkammern des Landgerichts? 1 Vergleiche Drs. 21/1979 vom 20.10.15, Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 3. September 2015 „Stärkung der Justiz“ (Drs. 21/1425). Drucksache 21/5561 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Siehe Vorbemerkung. 3. Hat die Einrichtung einer dritten Schwurgerichtskammer ausgereicht, um die Arbeitsbelastung der Strafkammern am Landgericht zu reduzieren? Wenn nein, warum nicht? Die Einrichtung der dritten Schwurgerichtskammer erfolgte aus dem Bestand und hat daher in erster Linie im Schwurgerichtsbereich eine Entlastung gebracht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Welche Ziele verfolgt der Senat, um das Landgericht langfristig zu unterstützen beziehungsweise zu deren Entlastung beizutragen (bitte nach Zivilkammern und Strafkammern differenziert darstellen)? Die Richterkapazität des Landgerichts ist bereits erheblich verstärkt worden. Die weitergehenden Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen, siehe Vorbemerkung. Hat der Senat seine Ziele in 2016 erreicht? Wenn nein, warum nicht? Siehe Drs. 21/5600 und Vorbemerkung. 5. Wann wird die Belastungssituation des Landgerichts Hamburg wie überprüft werden? Siehe Vorbemerkung. 6. Wie hoch sind die Fallzahlen bezogen auf Eingänge, Bestände und Erledigungen bei den Strafkammern und Zivilkammern am Landgericht (bitte darstellen für die Jahre 2012 bis August 2016 und nach Kammern gliedern)? a. Wie viele Nichthaftsachen bei den Strafkammern sind nicht beendet worden (bitte den Zeitraum von 2012 bis 2016 betrachten)? b. Wie viele Verfahren sind in den Baukammern am Landgericht in den Jahren 2012 bis August 2016 eingegangen und wie viele sind in dieser Zeit erledigt worden (bitte auch nach Großverfahren differenzieren )? Inwieweit stellen Großverfahren eine überdurchschnittliche Belastung in den Kammern am Landgericht dar? Was wird der Senat unternehmen, um diese Situation zu verbessern? Zivilkammern einschließlich Kammern für Handelssachen 1. Instanz 2012 2013 2014 2015 2016 1. Halbjahr* Neuzugänge 14.741 14.921 15.006 14.786 7.115 Erledigungen 14.699 13.831 14.198 13.992 7.547 Bestand 11.636 12.643 13.448 14.242 13.810 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 8,6 8,9 9,7 10,3 11,0 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine) 9.338 9.830 10.377 10.779 6.050 darunter Bausachen** Neuzugänge 1.017 923 910 926 448 Erledigungen 883 836 843 889 448 Bestand 1.196 1.284 1.361 1.398 1.376 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 12,0 12,6 13,8 16,5 16,0 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine) 858 896 976 1.149 572 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5561 3 Zivilkammern 2. Instanz 2012 2013 2014 2015 2016 1. Halbjahr* Neuzugänge 1.703 1.686 1.771 1.618 724 Erledigungen 1.976 1.770 1.695 1.509 848 Bestand 1.137 1.054 1.131 1.244 1.138 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 9,2 7,4 7,2 7,7 8,8 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine) 1.041 1.010 891 913 436 darunter Bausachen* Neuzugänge 49 43 35 44 17 Erledigungen 40 42 39 49 16 Bestand 37 38 34 29 30 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 6,7 10,0 10,0 11,5 12,4 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine) 23 26 27 37 10 Große Strafkammern 1. Instanz 2012 2013 2014 2015 2016 1. Halbjahr* Neuzugänge 352 325 294 299 172 Erledigungen 324 329 300 280 170 Bestand 213 204 198 217 219 davon Nichthaftsachen *** 120 138 126 123 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 6,2 6,8 6,5 7,3 6,0 Hauptverhandlungstage 1.568 1.450 1.658 1.361 995 Kleine Strafkammern Berufungen (einschließlich Gr. Jugendkammer ) 2012 2013 2014 2015 2016 1. Halbjahr* Neuzugänge 1.599 1.519 1.457 1.578 806 Erledigungen 1.711 1.469 1.485 1.449 827 Bestand 548 586 557 685 664 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 3,9 3,9 4,1 4,5 4,4 Hauptverhandlungstage 1.797 1.550 1.659 1.509 866 *) Die Daten sind den Ergebnistabellen der Zählkartenstatistik entnommen, sie werden vom Statistikamt Nord quartalsweise erstellt. **) Hier werden Verfahren ausgewiesen, die das Sachgebiet 10, „Bau-/Architektensachen (ohne Architektenhonorarsachen)“ betreffen. Eine Bausache liegt vor, wenn das Verfahren Forderungen aus Werk- oder Werklieferungsverträgen betrifft, die aufgrund von Bauvorhaben geschlossen worden sind, insbesondere wenn der Schwerpunkt der Streitigkeit in einem Streit um bauwerkbezogene Mängel (§ 634a Absatz 1 Nummer 2 BGB) liegt. **) Die Nicht-Haftsachen werden nicht über eine standardisierte Statistik abgebildet. Vielmehr wird seit 2013 eine Handliste beim Landgericht geführt. Hier ohne Strafvollstreckungskammern , nur erstinstanzliche Verfahren. „Großverfahren“ werden in der Statistik schon deshalb nicht erfasst, weil es für diesen Begriff keine feste Definition gibt. Insofern ist auch keine Aussage darüber möglich, inwieweit sogenannte Großverfahren eine überdurchschnittliche Belastung in den Kammern des Landgerichts darstellen. Die Belastung der Baukammern ist genauso Teil der Gesamtbewertung der Belastung , wie die anderer Zivil- und Strafkammern. Der Ausgleich der Belastung der Kammern untereinander liegt in erster Linie in der Verantwortung des Präsidiums des Landgerichts. Drucksache 21/5561 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 7. Wie lange dauern durchschnittlich Verfahren bei dem Landgericht (bitte nach Strafkammern, Zivilkammern insbesondere der Baukammern für die Jahre 2012 bis August 2016 darstellen)? Siehe Antwort zu 6. bis 6. b. 8. Wie hoch ist der Krankenstand bezogen auf die Vollzeitäquivalente und die Teilzeitstellen bei den Strafkammern, den Zivilkammern des Landgerichts (bitte die tatsächlichen Zahlen und in Prozenten in den Jahren 2012 bis August 2016 bezogen auf die Kammern, die Richter/-innen und Geschäftsstellen darstellen)? Was sind Hauptursachen für gegebenenfalls Anstieg der Krankenstand/Krankenquote? Die in der Freien und Hansestadt einheitlich geführte Fehlzeitenstatistik lässt lediglich eine Auswertung zu den absoluten Fehltagen und der Fehlzeitenquote nach Berufsgruppenkategorie einer Organisationseinheit zu. Eine Gliederung nach Voll- beziehungsweise Teilzeitbeschäftigten ist nicht möglich. Die Daten dieser Statistik liegen erst seit 2013 einheitlich vor. Für den vorangehenden Zeitraum siehe Drs. 21/4134. Landgericht 2013 2014 2015 2016 Berufskategorien Tage Prozent Tage Prozent Tage Prozent Tage Prozent Bürofach-/Bürohilfskräfte 4.124 9,0 % 3.948 8,6 % 4.370 9,5 % 2.313 8,7 % Datenverarbeitungsfachleute 64 3,7 % 89 5,1 % 70 4,9 % 16 1,8 % Leitende/entscheidende Verwaltungsfachleute 90 7,5 % 56 7,5 % 22 2,9 % 8 1,8 % Pförtner/-innen, Hauswartpersonal 144 8,3 % 247 13,0 % 141 8,0 % 84 8,2 % Raum-, Hausratreinigungskräfte 177 18,0 % 82 11,0 % 84 14,3 % 10 3,0 % Rechtspflegerschaft 240 4,8 % 170 3,2 % 290 5,8 % 368 12,5 % Richter/innen, Staatsanwälte /-innen 727 1,4 % 563 1,1 % 825 1,6 % 658 2,2 % Sozialpäd. Fachkräfte 27 6,8 % 20 4,9 % 17 3,9 % 5 2,2 % Übrige Dienstleistungsberufe 74 29,6 % 43 17,2 % 22 8,7 % 28 19,2 % Vollstreckungs-/ Vollzugspersonal 1.231 15,4 % 766 9,0 % 942 10,9 % 493 9,9 % keine Angabe 0 0% 2 0,2 % 13 0,6 % 5 0,3 % Berufskategorien Gesamt 6.898 5,9 % 5.986 5,0 % 6.796 5,7 % 3.988 5,7 % Ein genereller Anstieg der Fehlzeiten liegt nicht vor. 9. Wie viele Sitzungstage in Strafsachen und in Zivilsachen insbesondere in Verfahren vor den Baukammern am Landgericht hatten Hamburger Richter/-innen von 2012 bis August 2016 zu bewältigen? Siehe Antwort zu 6. bis 6. b. 10. Wie viele Richterinnen und Richter haben in den Jahren 2010 bis August 2016 den gesetzlichen Anspruch auf Elternzeit in welchem Umfang wahrgenommen? Wie wurden diese Stellen im Landgericht besetzt? Die Beurlaubungen wegen Elternzeit werden statistisch nicht erfasst. Zur Beantwortung der Frage müssten mehrere Hundert Personalakten aller im fraglichen Zeitraum am Landgericht Hamburg tätigen Richterinnen und Richtern ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Sofern es sich um einen längeren Zeitraum handelt, in dem Elternzeit genommen wurde, wurden diese Stellen grundsätzlich nachbesetzt. 11. Wie oft wurde durch Schreiben, E-Mails, Gespräche auf die Belastungssituation in 2015 und 2016 am Landgericht aufmerksam gemacht? Wer Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5561 5 innerhalb der Justizbehörde hat wann dazu durch wen Kenntnis erhalten ? Zwischen dem Landgericht und der Justizbehörde gibt es hierzu einen regelmäßigen Austausch im Zusammenhang mit den Quartals- und Halbjahresberichten sowie im Rahmen der Haushaltsaufstellung sowie und darüber hinaus im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen oder Meldungen (siehe auch Antwort zu 12.). Der Austausch erfolgt sowohl zwischen der Verwaltung des Landgerichts mit beiden Ämtern der Justizbehörde als auch mit der Behördenleitung direkt. Diese Gespräche, Telefonate und Mails sind häufig informell und gehen thematisch über die Frage der Belastung hinaus . Gegenstand sind beispielsweise auch Raum- und Gebäudefragen sowie rechtspolitische Themen. Eine Statistik hierüber wird nicht geführt. Selbst eine Auswertung sämtlicher Verwaltungsakten, die in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich wäre, gäbe keine vollständige Zahl, da nicht über jedes Gespräch/Telefonat ein Protokoll zu den Akten gelangt. 12. Hat die Justizbehörde im Laufe der letzten zwölf Monate Berichte der Präsidentin des Landgerichts über die Arbeitslast eingefordert? Wenn ja: wann und mit welchem Inhalt? Der Bericht der Landgerichtspräsidentin vom 8. Oktober 2015 ist Teil der Veröffentlichung der Arbeitsberichte der Gerichte und Staatsanwaltschaften vom 4. November 2015. Die von der Leiterin des Zentralamts der Justizbehörde erbetene Aktualisierung ist erfolgt. Der Inhalt und dessen Bewertung wird Teil der parlamentarischen Beratung des Haushaltsplanentwurfs werden. 13. Wie viele Mittel in welcher Höhe sind im Haushaltsplan 2017/2018 für das Landgericht vorgesehen? Mit der Vorlage des Haushaltsplan-Entwurfs 2017/2018 wird die Ermächtigung, Kosten zu verursachen, in Höhe von 39.811.000 Euro beantragt.