BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5609 21. Wahlperiode 23.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver und Dennis Gladiator (CDU) vom 17.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Kohlenmonoxid-Vergiftungen in Hamburg: Tut der Senat zu wenig für die fachgerechte Behandlung der Patienten und für den Schutz von Einsatzkräften? Nach dem letzten tragischen Fall im Dezember 2014 in Harburg mit drei Todesfällen und 13 Verletzten durch eine Kohlenmonoxid-Vergiftung wurde eine flächendeckende Beschaffung von Geräten zur Detektion von Kohlenmonoxid (CO)-Emissionen beschlossen. Das war eine für Bürger und Einsatzkräfte richtige Entscheidung. Denn nur so kann die Gefahr, die von diesem unsichtbaren und geruchslosen, giftigen und lebensgefährlichen Gas ausgeht, eingedämmt werden. Das große Risiko für Leib und Leben wird auch durch weitere Fälle aus dem letzten Jahr belegt: Anfang August 2015 gab es bei einem Bunkerbrand in Hamburg laut Presse mindestens 38 Verletzte, alle mit leichten bis mittelschweren Rauchgasvergiftungen. Am Ende desselben Monats erlitten sechs Personen bei einem Kabelbrand an einer S-Bahn-Station eine Rauchgasvergiftung . Von der Gefahr einer CO-Vergiftung besonders betroffen sind Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Rettungsdienste, denn sie sind es, die bei entsprechenden Ereignissen gerufen werden und ohne CO-Melde-Geräte nicht erkennen können, in welcher Gefahr sie bei ihren Rettungseinsätzen selber schweben. Nach Aussage des Senats sind alle 81 Rettungswagen (RTW) der Berufsfeuerwehr und die 18 Erstversorgungswehren der Freiwilligen Feuerwehr mit entsprechenden CO-Melde-Geräten ausgestattet. Doch was ist die Konsequenz aus einer verbesserten CO-Warnung? Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Meldungen von CO-Gefährdungen gab es durch die Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Polizei seit Beginn der flächendecken Ausstattung der Einsatzfahrzeuge? (Bitte jahresweise aufschlüsseln sowie Einsatzort und Anzahl der Verletzen angeben.) Die Polizei führt keine Statistik im Sinne der Fragestellung. Eine händische Auswertung aller infrage kommenden Einsatzanlässe ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar. Die Einführung der Kohlenstoffmonoxid(CO)-Eingasmessgeräte im Rettungsdienst der Feuerwehr Hamburg erfolgte im April 2016. Die Geräte dienen dem Eigenschutz und dem Erkennen von Gefahrenlagen durch CO. Eine automatische Auswertung ist derzeit nicht möglich. Drucksache 21/5609 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Feuerwehr erfasst CO-Einsätze in einem gesonderten Formblatt. Es sind insgesamt vier Meldungen eingegangen (jeweils Fälle von Suizid). Aufgrund der geringen Fallzahl erfolgen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Angaben zum Einsatzort und zur Anzahl der Verletzten, da sonst Rückschlüsse auf die betroffenen Personen gezogen werden könnten. 2. Welche Stelle wertet diese Meldungen mit welchen Konsequenzen aus? Die strategische Einsatzplanung der Feuerwehr wertet die eingehenden Rückmeldungen mit dem Ziel aus, gegebenenfalls erkennbare Häufungen und spezielle Szenarien zu identifizieren. Soweit entsprechende Sachverhalte identifiziert werden können, werden die notwendigen Maßnahmen veranlasst (zum Beispiel Schulungen, Anpassungen der Einsatzkonzepte, veränderte Geräteausstattung et cetera). Die bisherigen Rückmeldungen lassen aufgrund der geringen Anzahl keine entsprechenden belastbaren Aussagen zu. 3. Warum verzögert sich die Anfang des Jahres 2015 zugesagte flächendeckende Ausstattung sämtlicher Löschfahrzeuge von Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr mit CO-Meldern und wann wird diese nach jetzigem Stand abgeschlossen sein? Siehe Drs. 21/4981. 4. Ist die Zahl der bekannten CO-Gefährdungen seit Einführung der CO- Melde-Geräte gestiegen? Siehe Antworten zu 1. und 2. 5. In welche Krankenhäuser wurden die Verletzten verbracht und in welcher Form erfolgte die Therapie? Folgende Krankenhäuser haben mitgeteilt, dass sie in der Vergangenheit bereits Patientinnen und Patienten mit einer Kohlenmonoxid-Vergiftung versorgt haben: Asklepios Klinik Altona Asklepios Klinik Barmbek Asklepios Klinik Harburg Asklepios Klinik Wandsbek Asklepios Klinik Nord Asklepios Klinik St. Georg BG Klinikum Hamburg Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Über Therapien haben die Krankenhäuser keine Angaben gemacht. 6. In welchen Krankenhäusern Hamburgs ist die Messung von Carboxyhämoglobin (COHb), welches bei einer Rauchgasvergiftung im Körper des Betreffenden entsteht, möglich? Die Messung von COHb ist in den in der Antwort zu 5. genannten Krankenhäusern mittels Blutgasanalysatoren (BGA-Geräte) möglich. Darüber hinaus werden entsprechende laborchemische Untersuchungen in allen Notfallkrankenhäusern der Freien und Hansestadt Hamburg vorgenommen. 7. Handelt es sich hierbei um Krankenhäuser mit einer entsprechenden Notfallversorgung (Druckkammern) für CO-Vergiftungen? Nein. 8. Wie viele Druckkammern (welchen Typs) gibt es im norddeutschen Raum, in denen Patienten mit CO-Vergiftungen behandelt werden können ? In der Metropolregion Hamburg stehen Druckkammern in Hamburg (Zentrum für Hyperbarmedizin Hamburg ZHH GmbH), in Kiel (Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine) und Soltau (Zentrum für Hyperbarmedizin Soltau, HNO-Praxis) zur Verfügung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5609 3 9. Wie viele davon sind für den Notfall – sprich 24 Stunden Bereitschaft – gerüstet? Nach Kenntnis der zuständigen Behörde stehen die drei genannten Druckkammern zur Verfügung. 10. Wenn es keine Notfall-Druckkammer in Hamburg beziehungsweise in der Metropolregion gibt, warum und was hat der Senat seit 2011 getan, um eine Druckkammer in Hamburg einzurichten? Entfällt. 11. Worin unterscheidet sich der CO-Einsatzplan der Rettungskräfte (Feuerwehr und Rettungsdienst) der Stadt Hamburg im Vergleich zu dem von Berlin? CO ist Inhalt eines Einsatztaktikstandards bei der Feuerwehr Hamburg. Die Schulung des Einsatzpersonals beinhaltet die Gefährdung durch verschiedene gefährliche und/oder giftige Gase wie Schwefelwasserstoff, Chlor, Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid (CO), Rauchgasgemische et cetera, die jederzeit im Feuerwehreinsatz auftreten können. In Hamburg wurde darüber hinaus das Einsatzpersonal bezüglich der Risiken durch CO flächendeckend sensibilisiert und im Rahmen der Einführung von CO-Messgeräten unterwiesen. Eine vergleichende Betrachtung der Einsatzkonzepte aus Berlin und Hamburg ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 12. Welche Indikationen können neben CO-Vergiftungen in Druckkammern behandelt werden? Genannt werden von den Zentren zum Beispiel in Hamburg: Morbus Ahlbäck Chronische Wunden, Problemwunden bei Diabetes mellitus und arterieller Verschlusskrankheit Hörsturz mit und ohne Tinnitus Schalltrauma – Knallschaden Migräne Bestrahlungs-Spätfolgen Aseptische Knochennekrosen, Chronische Borreliose/Lyme-Arthritis Harnblasen- und Enddarmschäden nach Bestrahlung (Strahlenzystitis und Strahlenproktitis ) Interstitielle Zystitis Nach eigener Darstellung litten bisher 90 Prozent der Patientinnen/Patienten an Innenohrstörungen. 13. Werden alle diese Indikationen von den Akteuren des Gesundheitssystems unterstützt? Wenn nein, welche werden von welchen Akteuren des Gesundheitssystems unterstützt, welche nicht und warum nicht? Zu dieser Frage liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor. 14. Sieht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde zukünftig einen Bedarf für eine Notfall-Druckkammer in Hamburg beziehungsweise in der Metropolregion? Drucksache 21/5609 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, an welchem Standort? Siehe Antworten zu 8. bis 10. Darüber hinaus beabsichtigt die zuständige Behörde, sich zur Frage der Versorgungssituation grundsätzlich mit den norddeutschen Ländern auszutauschen. 15. Gibt es analog zu Hessen einen Leitfaden für die Einsatzkräfte (Feuerwehr und Rettungsdienst) bei einem CO-Einsatz oder eine vergleichbare Schulung und Sensibilisierung zum Schutz der Betreffenden vor dem Risiko einer Rauchgasvergiftung? Siehe Antwort zu 11. 16. Offensichtlich sieht der Senat keinen Versorgungsauftrag bezüglich einer CO-Vergiftung. Worin begründet sich diese Einschätzung des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde und welche Konsequenz zieht er aus den zum Teil tödlich endenden Fällen von CO-Vergiftung seit dem Jahr 2014? In Hamburg stehen in den in der Antwort zu 5. genannten Krankenhäusern Versorgungsangebote für die Notfallversorgung rund um die Uhr zur Verfügung. 17. Vor wenigen Tagen gab es 19 Verletzte bei einem Feuer in einem Flüchtlingsheim in Kassel, von denen viele eine Rauchgansvergiftung erlitten. Gibt es für einen solchen Anfall von CO-Vergifteten einen Notfallplan der Feuerwehr beziehungsweise der leitenden Notärzte in Hamburg ? Siehe Antworten zu 5. und zu 6. 18. In der Antwort auf Fragen 5. und 6. aus Drs. 21/1315 gibt der Senat zu Protokoll, dass die 87. Gesundheitsministerkonferenz im Jahre 2014 bezüglich der Versorgungslage Sauerstoffüberdrucktherapie zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die diesbezügliche Versorgung in Deutschland insgesamt ausreichend sei. Auf Nachfrage an die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) als Hamburgisches Mitglied der Gesundheitsministerkonferenz über die Dokumentation dieses Beschlusses erteilt das Büro der Senatorin folgende Antwort: „Die Länder haben das Thema im Rahmen der 87. GMK 2014 erörtert, gleichwohl wurde hierzu aber kein formaler Beschluss befasst. Insofern können wir Ihnen hierzu keine weiteren Unterlagen zu Verfügung stellen“. a) Worauf gründet sich die Aussage des Senats in Drs. 21/1315 bezüglich der Versorgungslage Sauerstoffüberdrucktherapie, wenn die betreffenden Erörterungen der Gesundheitsministerkonferenz offensichtlich nicht dokumentiert sind? b) Gibt es andere Informationen oder Dokumentationen, die die in Drs. 21/1315 vom Senat genannte Einschätzung der Gesundheitsministerkonferenz bezüglich der Versorgungslage Sauerstoffüberdrucktherapie nachvollziehbar machen? c) Welchen Aussagewert gibt die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz einer Erörterung auf der Gesundheitsministerkonferenz , zu der kein formaler Beschluss gefasst worden ist und der offensichtlich keinen Niederschlag in der Dokumentation gefunden hat? d) Kann die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz darlegen, welche fachlichen Gründe auf der 87. Gesundheitsministerkonferenz für eine ausreichende Versorgungssituation für eine Sauerstoffüberdrucktherapie in Deutschland angegeben worden sind und wenn ja, welche Gründe sind dies? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5609 5 Die Erörterung im Rahmen der 87. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) basierte auf vorbereitenden Gesprächen mit den anderen Ländern auf Fachebene. Das Vorsitzland der 88. GMK 2015 hat das Thema nicht für eine formale Beschlussfassung in der Jahrestagung der GMK vorgesehen. Darüber hinaus siehe Antwort zu 14.