BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5614 21. Wahlperiode 23.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) vom 17.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Reduzierung von Verkehrslärm Medienberichten zufolge fordern der BUND und die GRÜNEN, dass es mehr Tempo-30-Zonen geben soll, um Verkehrslärm und Luftverschmutzung zu senken, insbesondere auch nachts. Ich frage den Senat: 1. Werden durch die Absenkung des Tempolimits von etwa 50 auf 30 km/h der Verkehrslärm und Schadstoffe reduziert? Wenn ja, um welchen Betrag? Ob und in welchem Umfang eine Lärmreduzierung durch Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer Bestandsstraße erzielt werden kann, ist von den konkreten Verhältnissen im Einzelfall, zum Beispiel von dem Fahrbahnbelag, der Verkehrsstärke , der umgebenden Bebauung, der tatsächlichen Geschwindigkeit, der Fahrbahnsteigung, der Verkehrszusammensetzung und weiteren Faktoren abhängig. Ein allgemeingültiger Rechenwert lässt sich nicht angeben. Bezüglich der Luftschadstoffe sind in Abhängigkeit von spezifischen lokalen Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Straßenneigung, Verkehrsbelastung und -zusammensetzung , Verflüssigungsgrad und tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten sowohl Minderungen als auch Erhöhungen der Stickoxid- und Feinstaubbelastung möglich. Bezüglich NOx Feinstaub und CO2 liegt eine Studie der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden Württemberg für das Jahr 2012 vor, die zu folgenden Ergebnissen kommt (https://www.thueringen.de/mam/th8/tlug/content/abt_1/ v_material/2015/04/04_scholz_lubw_03-2015_senkung_der_no2-belastung_durch_ verkehrsverstetigende_massnahmen.pdf): Auf ebenen Hauptverkehrsstraßen mit hohem Konstantfahrtanteil verursachen Tempo 30 und Tempo 40 höhere NOx-, PM- und CO2-Emissionen als Tempo 50 (Beispiel Stuttgart). An Steigungsstrecken und auf ebenen Strecken mit niedrigem Konstantfahrtanteil kann Tempo 30 beziehungsweise Tempo 40 zu geringeren NOx-Emissionen führen (–10 Prozent im optimalen Fall). Für CO2 und motorbedingte Feinstaubimmissionen ist Tempo 30 in allen Fällen negativ. 2. Gibt es motorisierte Fahrzeuge, die besonders viel Verkehrslärm verursachen ? Wenn ja, welche? Drucksache 21/5614 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Welche Lärmbelastung entsteht bei jeweils 50 und 30 km/h durchschnittlich durch folgende Fahrzeugtypen (bitte in Dezibel angeben): a. Pkw (Verbrennungsmotor), b. Pkw (Elektromotor), c. Lkw, d. Motorräder, e. Motorroller und Mopeds, f. Busse? Grundsätzlich gilt, dass Kraftfahrzeuge gemäß § 49 Absatz 1 Straßenverkehrs- Zulassungsordnung (StVZO) so beschaffen sein müssen, dass die Geräuschentwicklung das nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Maß nicht übersteigt. Eine Vielzahl von Richtlinien der Europäischen Union und die Regelungen Nummer 41 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) – „Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Krafträder hinsichtlich ihrer Geräuschentwicklung “ und Nummer 51 UN/ECE – „Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern hinsichtlich ihrer Geräuschemissionen“ legen die Anforderungen an die Schalldämpferanlage und den zulässigen Geräuschpegel fest, denen alle Kraftfahrzeuge in Deutschland entsprechen müssen. Verkehrsbedingte Geräuschemissionen lassen sich nicht allein unter Berücksichtigung der Fahrzeugart und der gefahrenen Geschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs bestimmen . Weitere Faktoren wie beispielsweise der Fahrstil, das Fabrikat des Kraftfahrzeugs , Motordrehzahl, befahrener Untergrund, Reifentyp und -marke haben Einfluss auf die vom Fahrzeug ausgehende Geräuschemission. Die Grenzwerte für Geräuschpegel für Fahrzeuge der Klasse M und N (Pkw, Lkw, Busse) liegen gemäß der genannten UN/ECE-Regelung Nummer 51 bei höchstens 80 dB(A) und für Fahrzeuge der Klasse L3 (Motorräder) gemäß der genannten UN/ECE Regelung Nummer 41 bei höchstens 78 dB(A). Diese Grenzwerte werden jedoch in festgelegten Testverfahren ermittelt. Die tatsächlichen Geräuschpegel können abhängig von den genannten weiteren Faktoren auch darüber liegen. 4. Welche Regelungen zur Reduzierung von Fahrzeuglärm an einzelnen Fahrzeugen gibt es und wie werden diese von wem durchgesetzt? Die Durchsetzung der in der Antwort zu 2. und 3. genannten Vorschriften erfolgt durch das Kraftfahrtbundesamt im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens. Dabei wird nachgewiesen, dass die vorgeschriebenen Geräuschgrenzwerte eingehalten werden. Kraftfahrzeuge, die diese Grenzwerte überschreiten, werden nicht genehmigt. Bei Änderungen an einem Kraftfahrzeug, durch die sich das Geräuschverhalten verschlechtert , erlischt die Betriebserlaubnis. Zusätzlich beinhalten allgemeine polizeiliche Verkehrskontrollen von Kraftfahrzeugen auch Sicht- und Hörkontrollen, die sich auf Veränderungen/Manipulationen und Defekte an vorgeschriebenen Fahrzeugteilen sowie die Verwendung nicht zugelassener Bauteile erstrecken. Hierzu zählen auch für die Geräuschemission relevante Fahrzeugteile. Neben den polizeilichen Kontrollen wird im Rahmen der regelmäßigen technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen bei der Hauptuntersuchung auch das Geräuschverhalten geprüft. Bei Auffälligkeiten werden entsprechende Geräuschmessungen durchgeführt. Dadurch können Manipulationen an Schalldämpferanlagen von Kraftfahrzeugen regelmäßig erkannt und sanktioniert werden. 5. Wie viele Bußgelder in welcher Gesamthöhe wurden seit 2012 für Fahrzeuge verhängt, die zu laut waren? Bitte nach Fahrzeugtyp (Pkw, Lkw, Motorrad et cetera) aufschlüsseln. Bei den nachfolgend aufgeführten Tatbeständen ist zu berücksichtigen, dass übermäßige Lärmentwicklungen aufgrund unzulässiger technischer Änderungen nach der StVZO geahndet werden, im Sinne der Fragestellung jedoch nicht direkt auswertbar sind. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5614 3 Tatbestands- Nummer Tatbestandstext Geldbuße Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 (bis 17.08.2016) 130100 Sie verursachten bei der Benutzung des Fahrzeugs unnötigen Lärm. 10 € 36 davon 24 Pkw 1 Lkw 11 Krafträder 38 davon 31 Pkw 3 Lkw 4 Krafträder 43 davon 41 Pkw 2 Krafträder 45 davon 42 Pkw 3 Krafträder 39 davon 33 Pkw 2 Kraftomnibusse 4 Krafträder 331042 Sie ordneten die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs an, obwohl eine übermäßige Abgas- oder Geräuschentwick - lung festgestellt wurde bzw. ließen sie zu. 30 € 4 davon 2 Pkw 1 Sattelzug - maschine 1 Kraftrad 3 davon 1 Pkw 2 Lkw 1 davon 1Krafträ der 8 davon 6 Pkw 2 Krafträder 5 davon 3 Pkw 2 Lkw 1 Krafträder 349000 Sie nahmen das Kraftfahrzeug trotz übermäßiger Geräuschentwicklung in Betrieb . 20 € 9 davon 6 Pkw 1 Mofa 2 Krafträder 3 davon 2 Pkw 1 Lkw 2 davon 1 Pkw 1 Lkw 8 davon 3 Pkw 5 Krafträder 2 davon 1 Pkw 1 Leichtkraftrad 349100 Sie führten das Kraftfahrzeug, dessen Schalldämpferanlage defekt war. 20 € 6 davon 6 Pkw 9 davon 7 Pkw 2 Krafträder 4 davon 4 Pkw 1 davon 1 Pkw 1 davon 1 Pkw 349101 Sie führten das Kraftfahrzeug, dessen Schalldämpferanlage defekt war und belästigten dadurch andere. 30 € 2 davon 2 Pkw 3 davon 2 PKW 1 Kraftrad 0 0 0 6. Welche weiteren Maßnahmen zur Reduzierung von Verkehrslärm gibt es und welche Lärmreduzierung ist hier möglich? Verkehrsrechtlich ist stets diejenige Maßnahme vorzuziehen, die den geringsten Eingriff in den Straßenverkehr darstellt. Berechnungen und Entscheidungen erfolgen nach Maßgabe der RLS 90 sowie der Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV). Sie bilden die Grundlage für rechtmäßige verkehrsbeschränkende Anordnungen der Straßenverkehrsbehörde nach § 45 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 i.V.m. § 45 Absatz 9 Satz 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm. Die Lärmschutz-Richtlinien-StV fordern im Regelfall eine Pegelminderung von mindestens 3 d (A). Im Lärmaktionsplan Hamburg 2013 (Stufe 2) werden vielfältige Möglichkeiten von Maßnahmen gegen Lärm durch Straßenverkehr aufgeführt und erläutert. Genannt sind insbesondere: Förderung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes Erstellen einer Radverkehrsstrategie Erarbeitung eines Lkw-Führungskonzepts Förderung der Elektromobilität Drucksache 21/5614 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung und -entlastung Gewährleistung eines guten (ebenen) Fahrbahnzustandes Einsatz lärmmindernder Fahrbahnbeläge Herabsetzung der zulässigen Geschwindigkeiten Kontrollen der Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeiten Verstetigung des Verkehrsflusses durch adaptive Netzsteuerungen/Koordinierungen Aktiver Schallschutz in Form von Schallschutzwänden (innerstädtisch als Ausnahme zu betrachten) Nutzung passiver Schallschutzmaßnahmen (Lärmschutzfenster, Fassadendämmung , Vorhängefassaden) Die tatsächlich erreichte Lärmreduzierung ist stets abhängig von unterschiedlichen Faktoren und kann nicht im Einzelnen aufgelistet werden.