BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5624 21. Wahlperiode 26.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 18.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Nordafrikanischer Intensivtäter – Hat der Senat versagt? Die Polizei hat einen nordafrikanischen Intensivtäter (Hassan S.) festgenommen , der seit drei Jahren durch Gewalttaten polizeibekannt sein soll. In den vergangenen zwei Monaten soll er gleich mehrere schwere Straftaten, mitunter unter Zuhilfenahme eines Messers begangen haben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Zur besseren Übersicht werden die drei mutmaßlichen Straftäter im Folgenden mit Person A, B und C bezeichnet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann sind Hassan S. und seine beiden ebenfalls festgenommenen Landsleute jeweils über welchen Drittstaat nach Deutschland eingereist? Person Einreisedatum nach eigenen Angaben Drittland A 02.10.2012 Italien B 24.05.2014 Keine Angaben C 11.07.2014 Keine Angaben 2. Was waren und sind jeweils die Rechtsgrundlagen für ihren Aufenthalt in Deutschland? Person Rechtsgrundlage ursprünglich aktuell A §§ 55 und 63 Asylverfahrensgesetz § 60a Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz B § 60a Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz unverändert C §§ 55 und 63 Asylverfahrensgesetz unverändert 3. Wie gestaltete sich das ausländerrechtliche Verfahren bezüglich dieser Personen jeweils? Warum jeweils wurden die Personen, sofern sie ausreisepflichtig sind, bislang nicht abgeschoben? Person A Nach seiner Einreise und Meldung wurde der Betroffene aufgrund seiner nach eigenen Angaben bestehenden Minderjährigkeit durch den Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) in Obhut genommen. Dort bestanden keine Zweifel an der Altersangabe . Am 16.10.2012 stellte der Betroffene einen Asylantrag. Drucksache 21/5624 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Seit Abschluss des Asylverfahrens wird der Aufenthalt wegen fehlender Heimreisedokumente geduldet. Die Duldung ist aktuell bis zum 15.09.2016 befristet. Person B Nach seiner Einreise und Meldung wurde er aufgrund seiner nach eigenen Angaben bestehenden Minderjährigkeit durch den LEB in Hamburg in Obhut genommen. Dort bestanden keine Zweifel an der Altersangabe. Der Betroffene beantragte am 12.01.2015 unter Berufung auf ein etwaiges Abschiebungsverbot die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Nach § 72 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beteiligt. Mit Schreiben vom 13.04.2015 stellte das BAMF ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz fest. Mit Bescheid des Einwohner-Zentralamtes vom 20.06.2016 wurde der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen wiederholter strafrechtlicher Verfehlungen abgelehnt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine strafgerichtliche Verurteilung vorliegt . Der Aufenthalt wird wegen des vom BAMF festgestellten Abschiebungsverbots und wegen fehlender Ausweisdokumente geduldet. Die Duldung ist aktuell bis zum 01.09.2016 befristet. Person C Nach seiner Einreise und Meldung wurde der Betroffene aufgrund seiner nach eigenen Angaben bestehenden Minderjährigkeit durch den LEB in Obhut genommen. Die vom LEB veranlasste Altersschätzung durch das Institut für Rechtsmedizin ergab am 21.07.2014, dass der Betroffene minderjährig sei. Am 01.09.2014 stellte der Betroffene einen Asylantrag. Über diesen Asylantrag hat das BAMF noch nicht entschieden, der Betroffene ist somit nicht ausreisepflichtig. Das Einwohner-Zentralamt hat das BAMF um priorisierte Bearbeitung gebeten. Die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ist bis zum 08.12.2016 befristet. 4. Wann ist jeweils mit einer Abschiebung dieser Personen zu rechnen? Person A Sobald für den Betroffenen Heimreisedokumente vorliegen, wird die Abschiebung erfolgen. Ein genauer Zeitpunkt kann gegenwärtig nicht benannt werden. Die zuständige Behörde hat nach Abschluss des Asylverfahrens umgehend die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthaltes, hier zur Klärung der ägyptischen Staatsangehörigkeit und zur Beschaffung des für die Aufenthaltsbeendigung erforderlichen Passes beziehungsweise Passersatzpapieres eingeleitet, ist dafür aber auf die Mitwirkung der ägyptischen Behörden angewiesen. Person B Eine Abschiebung ist wegen des nach § 60 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz bestehenden Abschiebungsverbots nicht möglich. Person C Da gegenwärtig noch ein Asylverfahren mit unbekanntem Ausgang anhängig ist, können dazu aktuell noch keine Angaben gemacht werden. 5. Wie gestaltete sich jeweils das Asylverfahren bezüglich dieser Personen ? Person A Am 09.08.2013 wurde der Betroffene vom BAMF zu seinem Asylbegehren angehört. Das BAMF entschied am 06.02.2014, dass keine Überstellung nach der sogenannten Dublin-Verordnung erfolge, da der Betroffene minderjährig sei. Damit war eine Rücküberstellung nach Italien nicht möglich. Daraufhin wurde ein nationales Asylverfahren in Deutschland durchgeführt. Mit Bescheid vom 20.03.2014 wurde der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Abschiebungsverbote wurden nicht festgestellt. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der Nichtausreise innerhalb der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5624 3 gesetzten Frist wurde ihm die Abschiebung nach Ägypten oder einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Gegen den Bescheid wurde beim Verwaltungsgericht Hamburg am 02.04.2014 Klage erhoben und ein Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen. Mit der Rücknahme der Klage wurde das Verfahren mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 17.04.2014 eingestellt. Das Asylverfahren ist damit rechtskräftig negativ beendet. Eine Aufenthaltsbeendigung war wegen fehlender Dokumente bisher nicht möglich. Siehe Antwort zu 3. Italien ist auch nach Abschluss des Verfahrens nicht zur Rückübernahme verpflichtet. Person B In diesem Fall wurde kein Asylantrag gestellt, sondern ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Person C Dem Einwohner-Zentralamt liegen bisher weder eine Niederschrift zum Asylbegehren noch ein Bescheid des BAMF vor. 6. Wie viele Polizeibeamte waren an der Festnahme beteiligt? Zum Zeitpunkt der Festnahme befanden sich 31 Polizeibeamte am Einsatzort. 7. Bestehen häufiger Situationen, in denen die Polizei mit einem größeren Aufgebot an Kräften als für eine Festnahme üblich, anrücken muss, weil Widerstand von Gruppen gefürchtet wird? Statistiken im Sinne der Fragestellung werden bei der Polizei nicht geführt. Die Anzahl der eingesetzten Kräfte für die Durchführung einer polizeilichen Maßnahme richtet sich nach der jeweiligen Beurteilung der Lage anhand einer Vielzahl verschiedener Informationen. Für die Beantwortung der Frage wäre die händische Auswertung aller einsatzbezogen Unterlagen und aller Anzeigen notwendig. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 8. Waren die mutmaßlichen Täter der Polizei bereits bekannt? Wenn ja, a) wann wurden die mutmaßlichen Täter jeweils wegen welcher Delikte auffällig? b) wann erfolgten gegebenenfalls erkennungsdienstliche Behandlungen ? c) wegen welcher Taten wurden gegen die mutmaßlichen Täter jeweils Ermittlungsverfahren eingeleitet? d) wurde wegen der Taten Anklage erhoben? Wenn ja, gegen wen, wegen welcher Straftatbestände und mit jeweils welchem Ergebnis? Wenn nein, weshalb nicht? Die zur Beantwortung der Fragen 8. a), 8. c) und 8. d) erforderlichen Daten, insbesondere die konkreten Tatdaten und Tatvorwürfe, werden im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem der Staatsanwaltschaft (MESTA) nur bedingt erfasst. So wird lediglich das führende Delikt sowie – bei mehreren Taten – das früheste Tatdatum registriert. Da möglicherweise von der Polizei oder bei der Staatsanwaltschaft auch mehrere Tatvorwürfe mit unterschiedlichen Delikten und Tatzeiten in einer Verfahrensakte zusammengeführt worden sein können, hat eine Auskunft anhand der MESTA-Daten, die hier vorliegend der Beantwortung zugrunde gelegt wird, daher – unter dem weiteren Vorbehalt der zutreffenden und vollständigen Erfassung – einen nur sehr beschränkten Aussagewert. Für eine gesicherte Auskunft müssten vielmehr sämtliche Verfahren, die in MESTA für die drei Betroffenen aufgeführt sind, händisch ausgewertet werden. Dies ist vor dem Hintergrund, dass mehrere (entscheidende) Drucksache 21/5624 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Akten entweder an die Polizei versandt oder nach Anklageerhebung verschiedenen Gerichten – gegebenenfalls als Beiakten zu anderen Verfahren – vorliegen, nicht möglich. Im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen A und B und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes sieht der Senat im Übrigen davon ab, etwaige weitere Verfahren mitzuteilen, die durch einen Freispruch oder eine Einstellung beendet worden sind. Dasselbe gilt für Ermittlungsverfahren, die zu einem Abschluss geführt haben, der entweder nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen oder nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes nicht mehr zu berücksichtigen ist. Wegen folgender Taten wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet: Person A Verfahren 1: Ermittlungsverfahren wegen räuberischen Diebstahls, Tatzeit 17.10.2015 Verfahren 2: Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung: Tatzeit 06.05.2016 Verfahren 3: Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, Bedrohung und Nötigung, Tatzeiten 18.6.2016 22.06.2016, 27.06.2016, 02.07.2016 und 29.07.2016 Verfahren 4: Ermittlungsverfahren wegen Erschleichens von Leistungen, Tatzeit 03.07.2016 Verfahren 5: Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Tatzeit 02.07.2017 Verfahren 6: Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Tatzeit 31.07.2016 Verfahren 7: Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls, Tatzeit 08.08.2015 Aufgrund der neuerlichen Tat befindet sich die Person nunmehr in Untersuchungshaft. Person B: Verfahren 1: Wegen Körperverletzung in zwei Fällen, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, Diebstahls in vier Fällen, Diebstahls in besonders schwerem Fall in sechs Fällen, Raubes in zwei Fällen, Sachbeschädigung in zwei Fällen und Bedrohung, Tatzeiten 18.04.2015, 27.05.2015, 28.5.2015, 12.06.2015, 20.6.2015, 12.09.2015, 20.09.2015, 24.09.2015, 27.09.2015, 18.10.2015, 25.10.2015, 26,10.2015, 29.10.2015, 07.11.2015, 11.11.2015, 12.11.2015, 15.11.2015, 9.12.2015, 12.12.2015 Verfahren 2: Wegen Diebstahls geringwertiger Sachen, Tatzeit 07.06.2016 Verfahren 3: Wegen gefährlicher Körperverletzung, Tatzeit 22.06.2016 Verfahren 4: Wegen gefährlicher Körperverletzung, Tatzeit 02.07.2016 Verfahren 5: Wegen gefährlicher Körperverletzung, Tatzeit 31.07.2016 Person C: Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Tatzeit 22.06.2016 Erkennungsdienstliche Behandlungen erfolgten bei A am 08.06 2014, 06.08.2015 und am 26.06.2016, bei B am 06.05.2015 und 16.08.2016 sowie bei C am 16.08.2016. Wegen folgender Taten wurden Anklagen erhoben: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5624 5 Person A: Es wurde Anklage erhoben hinsichtlich der oben mitgeteilten Verfahren 1, 2, 4 und 7. Hinsichtlich der Anklagen zu 1, 2 und 4 stehen die Hauptverhandlungen noch aus. In dem Verfahren 7 wurde der Angeklagte zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten mit Bewährung verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Person B: Es wurden zwei Anklagen erhoben, die vom Gericht zu dem oben mitgeteilten Verfahren 1 verbunden wurden. Der Angeklagte wurde zu einer Jugendstrafe von elf Monaten mit Bewährung verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt. Person C: Gegen diese ist bisher keine Anklage erhoben worden. e) welche der mutmaßlichen Täter werden seit jeweils wann als Intensivtäter und/oder PROTÄKT-Täter geführt? Person A ist seit dem 01.08.2016 und Person B seit dem 29.05.2015 als Intensivtäter ausgeschrieben. Beide Personen wurden durch die Staatsanwaltschaft im August 2016 zu PROTÄKT-Tätern (Projekt täterorientierter Kriminalitätsbekämpfung) erklärt. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft datiert vom 03.08.2016. f) welche sonstigen Maßnahmen wie zum Beispiel Meldungen an das Familieninterventionsteam oder ein anderes Jugendamt wurden wann jeweils hinsichtlich welcher der mutmaßlichen Täter ergriffen? Die Polizei informiert nach Abschluss der kriminalpolizeilichen Ermittlungen regelhaft bei Minderjährigen das zuständige Jugendamt und bei ausländischen Tatverdächtigen auch die Ausländerbehörde über den vorliegenden Verdacht einer Straftat. Person B wurde am 12.12.2014 in das Obachtverfahren aufgenommen, um einen noch engeren und kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden zu gewährleisten. Darüber hinaus führt die Polizei alle erforderlichen Maßnahmen durch, die sich am jeweiligen Einzelfall und den Tatverdächtigen orientieren. Die unter 8. a) bis d) genannten Taten haben mit Ausnahme der Taten von Person A am 08.06., 27.06. und 08.08.2016 sowie der Taten von Person B am 20.9., 12.12. und 15.11.2015 jeweils zeitnah zu einer Meldung an die Jugendhilfe geführt. Weitere Meldungen ergingen im Hinblick auf Verfahren, die aufgrund des Persönlichkeitsschutzes sowie der Wertungen des Bundeszentralregisters nicht benannt werden. Eine detaillierte Darstellung aller durch die Polizei durchgeführten Maßnahmen könnte nur durch eine händische Auswertung der jeweiligen Akten erfolgen. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Soweit bei der Beantwortung dieser Frage Sachverhalte der Jugendhilfe betroffen sind, handelt es sich um geschützte Sozialdaten im Sinne der §§ 35 SGB I, 61 fortfolgende SGB VIII, 67 fortfolgende SGB X, die aus Rechtsgründen nicht dargelegt werden dürfen. 9. Wo wohnten die mutmaßlichen Täter jeweils (Art der Einrichtung/Stadtteil )? Person Art der Einrichtung Stadtteil A Jugendwohnung Wilhelmsburg B Erstversorgungseinrichtung Hammerbrook C Jugendwohnung Jenfeld