BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5631 21. Wahlperiode 26.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 18.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Präsentationsprüfungen im Abitur – Eine sozialdemokratische Ungerechtigkeit In Hamburg wurde die mündliche Abiturprüfung aufgeweicht. Prüflinge erhalten zwei Wochen vor der Prüfung ihr Prüfungsthema, das sie dann in aller Ruhe zuhause vorbereiten können. Bei dieser Art von Prüfung kommt es dann vor allem auf die „Präsentationsleistung“ an und weniger auf das erlernte Wissen oder eine kritische Reflexionsfähigkeit im Umgang mit fachspezifischen Fragen. Die Folge ist eine einseitige Bevorzugung von Kindern aus bildungsnahen Familien. Denn wer 14 Tage Vorbereitungszeit zuhause hat, erhält in aller Regel Unterstützung von den Eltern, sofern diese über einen entsprechenden Bildungshintergrund verfügen. Im Zweifel lässt sich auch professionelle Hilfe einkaufen zum Erstellen der Präsentation. Kinder aus sozial benachteiligten Stadtteilen haben diese Chance oft nicht: Ihnen können die Eltern oftmals nicht helfen, da sie selbst nicht einen vergleichbaren Bildungshintergrund haben. Auch die Möglichkeit, sich professionelle Hilfe einzukaufen, entfällt bei diesen Kindern aufgrund der anderen Einkommenssituation . In der Studienstufe darf eine solche Präsentationsprüfung im Übrigen auch eine Klausur ersetzen. Die Folge dieser Prüfungsart in Hamburg ist also eine Ungerechtigkeit und weitere Spaltung in Bildungsgewinner und -verlierer in Abhängigkeit vom Elternhaus. In Bayern hingegen findet nach wie vor die herkömmliche mündliche Prüfung statt: Hier erhält der Prüfling 30 Minuten vorher die Aufgaben und muss sich selbstständig und alleine vorbereiten, nur auf der Grundlage seines erlernten Wissens aus dem vorangegangenen Unterricht in der Studienstufe . Keine Eltern können hier helfen. Das ist Chancengerechtigkeit richtig verstanden. Bislang hat sich SPD-Schulsenator Rabe geweigert, diese Niveauabsenkung zulasten der Kinder aus bildungsfernen Familien zurückzunehmen. Nun ist vom Deutschen Lehrerverband Hamburg DLH e.V. zu hören, der Landesschulrat in der Schulbehörde Altenburg-Hack habe einen Prüfauftrag zugesagt , um die Probleme, die sich mit der „Präsentationsprüfung“ ergeben, zu untersuchen.1 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Darstellung der Fragestellerin ist unzutreffend. Die Möglichkeit, die mündliche Prüfung im Abitur als Präsentationsprüfung abzulegen, wurde bereits mit Erlass der 1 Helge Pepperling/plomi: „Gespräch mit dem LSR Altenburg-Hack“, in: „Blickpunkt Bildung“, hrsg. v. DLH e.V., Heft 2/2016, Seite 12 folgende. Drucksache 21/5631 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife vom 25. März 2008 (HmbGVBl. S. 137, 145) – APO-AH – eingeführt. Für die mündliche Abiturprüfung im vierten Prüfungsfach können die Prüflinge in Hamburg wählen, ob sie die mündliche Prüfung als „klassische“ mündliche Prüfung oder als Präsentationsprüfung ablegen wollen. Ist das profilgebende Fach viertes Prüfungsfach , wird die Prüfung immer als Präsentationsprüfung durchgeführt, siehe § 26 Absatz 3 Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife (APO-AH). Beide Prüfungsformate werden auf der Grundlage der Anforderungen im Bildungsplan durchgeführt und erfordern neben der Fähigkeit zur Präsentation von Inhalten die kritische Reflexion und Bewertung des Dargestellten auf der Grundlage des erlernten Wissens. Eine Ungerechtigkeit für Jugendliche aus bildungsfernen Elternhäusern ist nach Auffassung der für Bildung zuständigen Behörde nicht zu erkennen. Im anschließenden 15 Minuten dauernden Fachgespräch muss der Prüfling Rede und Antwort stehen und auch unter Beweis stellen, dass die Präsentation selbständig erarbeitet wurde. Das Fachgespräch dient darüber hinaus dazu, die fachlichen und methodischen Kenntnisse des Prüflings in einem weiteren Kompetenz- und Inhaltsbereich zu ermitteln. Im Übrigen gibt es seitens der für Bildung zuständigen Behörde keinerlei Initiativen, das Prüfungsformat zu ändern oder abzuschaffen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Hat die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) einen solchen Prüfauftrag erteilt? 2. Wenn ja: Wann wurde der Prüfauftrag erteilt? 3. Wenn nein: a. Wird sie das noch tun? Wann genau? b. Wie berichtet die BSB vom Inhalt des Gesprächs mit dem DLH? 4. Wer wurde oder wird mit diesem Prüfauftrag betraut? Handelt es sich um Mitarbeiter der BSB oder werden auch externe Fachleute einbezogen? 5. Welchen Inhalt konkret hat dieser Prüfauftrag oder wird er haben? 6. Zu wann liegen Ergebnisse der Prüfung vor? Die im Gespräch mit einigen Mitgliedern des DLH-Vorstands vorgebrachten Kritikpunkte zum Thema Präsentationsprüfung, veröffentlicht in der Zeitschrift „Blickpunkt Bildung 2/2016“ des DLH e.V., wurden von der Leitung des Amtes für Bildung zur Kenntnis genommen und beraten. Die zuständige Behörde sieht derzeit keinen Bedarf für eine Änderung der Rahmenbedingungen der Prüfungsformen der mündlichen Prüfung zur Allgemeinen Hochschulreife. Im Übrigen: entfällt. 7. Wann wurde in Hamburg die klassische mündliche Prüfung ersetzt durch die Präsentationsprüfung und wer hat das seinerzeit veranlasst? Siehe Vorbemerkung. 8. Wie stellen sich die Ergebnisse der mündlichen Abiturprüfungen dar? Bitte den durchschnittlichen Wert dieser Prüfung stadtweit sowie für jede Schule und dazu den jeweiligen KESS-Sozialindex angeben. Bitte für alle Jahrgänge seit Einführung der Präsentationsprüfung angeben. Die zuständige Behörde erfasst im Rahmen des jährlichen Monitorings die Ergebnisse der mündlichen Abiturprüfungen erst seit dem Schuljahr 2015/2016. Die von den Schulen gelieferten Daten werden im Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) auf Vollständigkeit, Konsistenz und Plausibilität geprüft. Dazu ist ein Abgleich der Rückläufe, die Identifizierung von Inkonsistenzen und der fehlenden Angaben erforderlich. Die Rückkoppelungsgespräche mit den Schulen sind erst nach den Sommerferien möglich, wenn die Schulen für die entsprechenden Nachfragen wieder zur Verfügung stehen. Die Vervollständigung der Einzeldatensätze der Schu- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5631 3 len zu einem Gesamtdatensatz wird erfahrungsgemäß mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Erst mit einem entsprechend aufbereiteten, qualitätsgesicherten Datensatz, der der für Bildung zuständigen Behörde nach derzeitiger Planung im letzten Quartal 2016 vorliegen wird, ist es möglich, die erfragten Ergebnisse der mündlichen Abiturprüfungen zu berichten. 9. Welche weiteren Rückmeldungen (neben der offenbar kritischen vom DLH) über die Präsentationsprüfung sind der BSB oder dem Senat bekannt? Die Ergebnisse der Abiturprüfung werden in den regelmäßigen Besprechungen im Rahmen zum Beispiel der Abteilungsleitersitzungen Oberstufe beraten. Darüber hinaus liegen der für Bildung zuständigen Behörde keine weiteren Rückmeldungen zu den Präsentationsprüfungen vor. 10. Wie bewertet der Senat die Präsentationsprüfung im Vergleich zur klassischen mündlichen Prüfung? Die Präsentationsprüfung wird von der für Bildung zuständigen Behörde als eine zeitgemäße Prüfungsform bewertet, die entsprechend den Anforderungen in Studium und Beruf die selbstständige Recherche, Erarbeitung und Präsentation komplexer Themengebiete und Fragestellungen besonders fordert. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 20/10116. 11. Erfolgt zu dem Thema Präsentationsprüfung ein Austausch mit anderen Bundesländern oder in der Kultusministerkonferenz (KMK)? Wenn ja: In welcher Form und welche Erkenntnisse liegen dem Senat oder der BSB vor über die Einschätzung und Erfahrung anderer Bundesländer ? Wenn nein: warum nicht? Die Anforderungen und formalen Bestimmungen der Prüfungen für die Allgemeine Hochschulreife werden im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft „Gymnasiale Oberstufe“ der KMK beraten, in der auch Hamburg vertreten ist. Einschätzungen und Erfahrungen anderer Länder zur Präsentationsprüfung wurden bislang nicht erhoben, da andere Arbeitsschwerpunkte im Vordergrund standen.