BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5657 21. Wahlperiode 30.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Kruse (FDP) vom 22.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Aktive Standortpolitik oder heiße Luft? Wie interessant ist Hamburg für Unternehmen aus Großbritannien nach dem Brexit? Die Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien sind für Hamburg von großer Bedeutung. Mehr als 1.000 Unternehmen in Hamburg haben geschäftliche Beziehungen zu Großbritannien. Das Außenhandelsvolumen von Hamburg mit Großbritannien betrug in 2015 fast 9,3 Millionen Euro.1 Problematisch ist die anhaltende Unsicherheit nach dem Referendum der Briten über den Austritt aus der EU, denn diese kann Auswirkungen auf die Handels- und Geschäftsbeziehungen haben. Eine Chance könnte die Ansiedlung von Unternehmen unterschiedlicher Branchen aus Großbritannien sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Großbritannien ist der viertwichtigste Handelspartner Hamburgs. Die Hamburger Wirtschaft hat daher ein großes Interesse, die Geschäftsmöglichkeiten mit Großbritannien auch nach dem Brexit uneingeschränkt fortsetzen. Hamburg wird im Gegensatz zu anderen Standorten keine aktive Anwerbung der britischen Wirtschaft via Medien proklamieren , sondern Unternehmen mit Standortwechselinteresse die Vorteile des Standortes Hamburg aufzeigen. Der Brexit spielt für die Ansiedlung von Unternehmen derzeit noch keine Rolle. Großbritannien wird nach Angaben von Premierministerin May den Antrag auf Austritt aus der Europäischen Union (EU) erst im Jahr 2017 stellen und für die Verhandlungen über das künftige Verhältnis zwischen EU und dem Großbritannien sind zwei Jahre angesetzt. Erst wenn diese Rahmenbedingungen feststehen, werden in Großbritannien ansässige Unternehmen Standortentscheidungen treffen. Derzeit befinden sie sich in der Sondierungsphase. Im Übrigen siehe Drs. 21/5005. Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der HWF Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH (HWF) wie folgt: 1. Wie viele Unternehmen aus Großbritannien haben nach der Abstimmung zum Brexit in Hamburg aus welchen Gründen Anfragen gestellt? Wie viele Unternehmen haben seit Jahresbeginn und vor dem Brexit Anfragen in Hamburg gestellt? Die erbetenen Angaben werden grundsätzlich statistisch nicht erfasst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wie viele Unternehmen aus Großbritannien haben sich in den Jahren 2011 bis August 2016 in Hamburg neu angesiedelt? (Bitte nach Jahren getrennt angeben). 1 Vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/5005 vom 24.06.2016. Drucksache 21/5657 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a. Wie viele Hauptniederlassungen und wie viele Zweigniederlassungen sind darunter? Welche Unterschiede in der Zeit vor und nach dem Brexit sind erkennbar? b. Wie viele Unternehmen aus Großbritannien sind durch Maßnahmen der HWF von 2011 bis August 2016 neu angesiedelt worden? c. Wie viele Arbeitsplätze sind dadurch in Hamburg von 2011 bis August 2016 in welchen Branchen entstanden? Grundsätzlich gibt es keine Meldepflichten gegenüber der Freien und Hansestadt Hamburg. Die HWF hat jedoch im Rahmen einer Quellmarktuntersuchung für die Jahre 2012 bis 2014 über einen externen Dienstleister Daten über Niederlassungsgründungen , die von ausländischen Unternehmenszentralen ausgegangen sind, ermittelt. Danach gab es folgende Ansiedlungen von Dependancen der in Großbritannien ansässigen Unternehmen (siehe Tabelle). Dabei handelt es sich vielfach um Unternehmen aus Übersee mit einer Europazentrale in London, die in Hamburg eine Deutschlandniederlassung gegründet haben. Ansiedlungen in Hamburg 2012 20 2013 33 2014 35 Im Jahr 2013 gab es vier und im Jahr 2015 eine durch die HWF betreute Ansiedlungen von Unternehmen aus Großbritannien. Die Unternehmen gehörten zu den Bereichen Schifffahrt, IT und Erneuerbare Energien. Sie hatten beim Start in Hamburg insgesamt zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sind inzwischen auf 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsen. Darüber hinaus verlagerte im Jahr 2015 eine asiatische Reederei einen Geschäftsbereich mit 25 neuen Arbeitsplätzen mit Unterstützung der HWF aus London nach Hamburg . Weitergehende Erkenntnisse liegen nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Wie viele bestehende Unternehmen aus Großbritannien haben nach dem Brexit die Beratung der HWF in Anspruch genommen? Wie viele bestehende Unternehmen aus Großbritannien haben vor dem Brexit die Beratung der HWF in Anspruch genommen? In wie vielen Fällen konnte die HWF zu einer Problemlösung beitragen? Die HWF differenziert die Erfassung von Beratungsprojekten nach Ansiedlungs- und Bestandsunternehmen. Ist ein Unternehmen bereits in Hamburg, wird eine mögliche ausländische Muttergesellschaft nicht erhoben. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. 4. Welche Strategie verfolgt die HWF, um stärker die Vorteile Hamburgs als attraktiven Wirtschaftsstandort für Unternehmen aus Großbritannien herauszustellen? Welche zuständigen Stellen arbeiten dafür wie zusammen? Wie soll die neue Projektmanagerin UK/USA darin eingebunden sein? Welche konkreten Aufgaben hat sie in welchem Zeitraum zu erfüllen? Die HWF führt seit vergangenem Sommer Einzelgespräche mit Unternehmen, die an einem Standortwechsel nach Hamburg interessiert sind. Hier sind folgende Zielgruppen zu nennen: Da britische Unternehmen absehbar keine Entscheidungen über Unternehmensverlagerungen kurzfristig treffen, hat die HWF zusätzlich Unternehmen in Übersee im Fokus, die nach Europa expandieren wollen und London als ersten europäischen Standort ins Auge gefasst haben. Diese müssen ihre Standortentscheidung zeitnah treffen. Hier wird Hamburg als alternativer Standort zu London in der Eurozone profiliert. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5657 3 Die zweite wichtige Zielgruppe sind Unternehmen mit einer Konzernmutter in Übersee und europäischen Zentralfunktionen in London und Deutschlandzentrale in Hamburg. Hier werden fortlaufend Gespräche über stärkere Aktivitäten in Hamburg geführt. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. bis 2. c. Die dritte Zielgruppe sind die mit Hamburg wirtschaftlich verbundenen Unternehmen aus dem UK. Sie werden hinsichtlich der Gründung von Dependancen angesprochen . Branchenschwerpunkte sind Handels- und Schiffsfinanzierung, technologieorientierte /wissensbasierte Produktion, Start-up sowie Handel/Vertrieb. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Hierbei arbeiten die Senatskanzlei, die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation , die Handelskammer sowie die Unternehmen der Hamburg Marketing Holding zusammen. Aufgabe der neuen Projektmanagerin, die zum 1. August 2016 ihre Arbeit aufgenommen hat, ist es zunächst, den neuen Geschäftsbereich aufzubauen und die Marktbearbeitung vorzubereiten. Bereits Anfang September werden in London Gespräche mit Unternehmen geführt, die aufgrund des Brexit-Votums über eine Verstärkung ihrer Aktivitäten in Hamburg nachdenken. Außerdem werden noch im Jahr 2016 Aktivitäten für die Zielgruppe Start-up stattfinden. 5. Welche Ziele haben sich der Senat und die HWF gesetzt, um Hamburg für Unternehmen aus Großbritannien nach der Abstimmung zum Brexit interessanter zu machen? Welche Marketingstrategie, Mittel aus dem Haushalt sollen dazu zur Verfügung stehen? Inwieweit wird es dazu eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Hamburg Marketing GmbH geben? Die Finanzierung von Maßnahmen erfolgt im Rahmen der Haushalte der beteiligten Organisationen durch Umschichtung. Es findet bereits eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Hamburg Marketing GmbH (HMG) statt. Darüber hinaus passt die HMG ihre übergreifende Hamburg Kommunikation den wechselnden Erfordernissen an und hat bereits die Medienarbeit in Großbritannien verstärkt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 6. Wann wird die HWF zu einer One-Stop-Agency für Ansiedlungen und Investitionen ausgebaut werden? Siehe Drs. 21/5398 und Drs. 21/4512. 7. Wann wird die HWF das entwickelte Dienstleistungspaket wem vorstellen , das für die Ansiedlung von kleinen und mittleren Unternehmen entwickelt wurde, um damit im Ausland für Hamburger Unternehmen zu werben? Was beinhalten die zwei kundenorientierten Servicepakete, die in der Sitzung des HWF Aufsichtsrates im Juli 2016 beschlossen worden sind? Der HWF Aufsichtsrat hat in seiner Aufsichtsratssitzung vom 15. Juli 2016 im Rahmen der neuausgerichteten Investitionsstrategie zwei kundenorientierte Servicepakete für Unternehmen beschlossen. Die Details der Umsetzung werden derzeit zwischen der zuständigen Behörde und der HWF abgestimmt. Im Übrigen siehe Drs. 21/5398. 8. Welche Cluster werden in die Aktivitäten der HWF in Bezug auf Unternehmen aus Großbritannien wie eingebunden? Wie viele Unternehmen profitieren seit 2015 davon in Hamburg (bitte genau begründen)? Die Ansiedlung von Unternehmen gehört nicht zu den primären Aufgaben der Cluster, gleichwohl kooperiert die HWF mit den Clusterorganisationen bei Ansiedlungen von Unternehmen. Erhebungen werden hierüber nicht geführt.