BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5664 21. Wahlperiode 30.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 22.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Minderheitenschutz in Hamburger Flüchtlingsheimen – Und die Christen ? Seit die Bundesregierung im September 2015 den Entschluss traf, die Staatsgrenzen zu öffnen, ist mittlerweile ein Jahr vergangen. Seither ist auch Hamburg damit beschäftigt, die nach Deutschland strömenden Menschenmassen unterzubringen und zu versorgen. Aktuellen Daten zufolge wurde von den 61.598 schutzsuchenden Personen, die bis zum 31. Dezember 2015 nach Hamburg kamen, bislang insgesamt 22.299 Menschen der Aufenthalt in der Hansestadt gewährt, woraufhin eine Wohnsitznahme in städtischen Folgeunterbringungen erfolgte. Die Vergleichsdaten für das erste Halbjahr (bis 30. Juni 2016) betragen 10.985 beziehungsweise 6.879 Personen, woraus sich eine Gesamtzahl von 29.178 ergibt. Tatsächlich jedoch halten sich gegenwärtig insgesamt 47.741 Flüchtlinge in der Hansestadt auf, von denen allein 60 Prozent (28.804 Personen) aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und dem Irak stammen.1 Die numerische Überlegenheit, die die Muslime seit Beginn der Flüchtlingskrise damit innehaben, ist dafür verantwortlich, dass es in Hamburger Erstund Folgeunterkünften regelmäßig zu Diskriminierungen von religiösen Minderheiten kommt, wovon vor allem Christen betroffen sind.2 In mehreren Drucksachen sowie einem Antrag3 hat die AfD-Fraktion den Senat bereits dazu aufgefordert, Stellung zu diesem Phänomen zu beziehen und zu erklären , was er zu tun beabsichtigt, um die Christen angemessen zu schützen. Leider hat der Senat bislang stets deutlich gemacht, dass es sich bei Übergriffen auf Christen um Einzelfälle handele und religiöse Gründe lediglich vorgeschoben seien.4 Selbst ein einschlägiger Bericht der „Tagesthemen“ vom 3. Februar 2016, der sich auf mehrere in Hamburg bekannte Fälle von Diskriminierung christlicher Flüchtlinge beruft, sowie eine einschlägige Studie von Open Doors haben daran nichts geändert. Umso überraschender war dann, dass der Senat am 4. August 2016 in einer Pressemitteilung bekannt gab, als Minderheiten diskriminierte Flüchtlinge besser schützen zu wollen. Allerdings ging es dabei nicht um die Christen, 1 Hinzu kommen noch zahlreiche weitere Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit wie Bosnien, Somalia, Ägypten, Kosovo, Türkei, Albanien und andere. Selbst die Zuwanderung aus der Russischen Föderation ist nahezu ausschließlich muslimisch geprägt, weil sie aus dem Nordkaukasus erfolgt. http://www.hamburg.de/fluechtlinge-daten-fakten/. 2 „Muslimische Flüchtlinge bedrohen Christen mit dem Tod.“ „Die Welt“ online vom 9. August 2016. 3 Hierzu Drs. 21/3166, 21/3293 und 21/3921. 4 Confer Drs. 21/3166. Drucksache 21/5664 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 sondern um die sogenannten LSBTI-Geflüchteten (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Intersexual Persons). Dabei handelt es sich offenbar um Menschen, die irregulären sexuellen Randgruppen angehören. Um sie vor dem psychischen Druck ihrer Mitbewohner zu schützen, werden gegenwärtig Appartements reserviert, die gemäß dem Frauenhaus-Modell genutzt werden sollen. Da der Senat dazu verpflichtet ist, gleichermaßen alle Opfer von Diskriminierung zu schützen und die Christen dabei fast immer auch von physischer Gewalt betroffen sind, stellt sich die Frage, welche Schutzmaßnahmen bislang für christliche Flüchtlinge unternommen worden sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität sind wesentliche Aspekte der grund- und menschenrechtlich verbürgten Persönlichkeit eines jeden Menschen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Angaben der Einrichtungsträger wie folgt: 1. Wie viele Flüchtlinge in Hamburg geben an, dem christlichen Glauben anzugehören? Diese Daten werden nicht erfasst. Siehe im Übrigen Drs. 21/2912, 21/3649 und 21/5581. 2. Wie viele Fälle, bei denen es zu Formen von religiös motivierter Diskriminierung (psychisch und physisch) von Christen gekommen ist, sind dem Senat bislang bekannt geworden? Bitte einzeln nach Datum, Ort und Beteiligten aufschlüsseln. Der Polizei wurden im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 24. August 2016 die nachstehenden Sachverhalte im Sinne der Fragestellung bekannt: Nr. Tatzeit Tatort §§ StGB Tatverdächtiger (TV) 2015 1 18.10.2015 Hörgensweg 6 212 1 männl. TV 2 27.11.2015 Rugenbarg 103 130 1 männl. TV 2016 1 01.01.2016 Flagentwiet 44 241 1 männl. TV 2 06.01.2016 Hörgensweg 6 241 unbekannt 3 21.01.2016 Kurt-A.-Körber-Chaussee 83 224 unbekannt 4 09.02.2016 Dratelnstraße 16 224 1 männl. TV 5 09.02.2016 Dratelnstraße 16 224 1 männl. TV 6 29.02.2016 Schwarzenberg 1 223 1 männl. TV 2014 wurde der Polizei kein entsprechender Fall bekannt. Im Übrigen siehe Drs. 20/12626, 21/2912 und 21/3166. 3. In wie vielen Fällen ist es dabei zu Ermittlungsverfahren gekommen? Die Polizei hat in allen Fällen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. 4. Hat es dabei bereits Verurteilungen gegeben? Falls ja, zu welchen, wie oft und aus welchen Ländern stammen die Täter? Die entsprechenden Daten werden nicht erfasst. Eine händische Auswertung von circa 1.500 in Betracht kommenden Verfahren ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Welche Maßnahmen hat der Senat bislang unternommen, um christliche Flüchtlinge vor den Übergriffen ihrer Mitbewohner zu schützen? Bitte anhand der oben genannten Einzelfälle nennen. Sobald massive Konfliktlagen mit Bedrohungspotenzial in der Unterkunft bekannt werden, wird das Belegungsmanagement informiert und die Trennung der Beteiligten durch Verlegungen in andere Einrichtungen veranlasst. Im Übrigen siehe Drs. 21/2912 und 21/5581 sowie Antwort zu 1. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5664 3 a) In wie vielen Fällen wurden christliche Flüchtlinge bereits außerhalb der Erst- und Folgeunterkünfte untergebracht? In keinem Fall. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. b) Welche Kosten sind durch derartige Unterbringungsmaßnahmen bislang entstanden? Entfällt. 6. In wie vielen Fällen ist es in Hamburger Flüchtlingsunterkünften nach Kenntnis des Senats zu Diskriminierungen von Muslimen durch Christen gekommen? Einzelfälle sind nicht bekannt. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 7. Längst wird in den Medien regelmäßig über das Phänomen von religiös motivierter Gewalt und damit zusammenhängenden Diskriminierungen von Christen in deutschen Flüchtlingsheimen berichtet. Seit dem 3. Februar 2016 ist auch Hamburg wegen entsprechender Fälle in die Medien geraten. Welche Konsequenzen hat der Senat seither aus der Diskriminierung von Christen gezogen? Hat er dabei womöglich bereits bestehende Konzepte überarbeitet? Falls ja, inwiefern? Falls nein, warum nicht? 8. Die Diskriminierung christlicher Flüchtlinge zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass die Opfer neben psychischer auch akuter physischer Gewalt ausgesetzt sind. Neben Morddrohungen kommt es daher immer wieder auch zu körperlichen Übergriffen. Mit den „LSBTI-Geflüchteten“ gewährt Senat nun einer Gruppe besonderen Schutz, um sie nach eigener Aussage „so gut wie möglich vor weiterem psychischen Druck zu bewahren.“5 Mit welcher Begründung sind christliche Flüchtlinge trotz der gewaltsamen Übergriffe gegen sie bislang nicht in einer solchen Weise begünstigt worden? Siehe Drs. 21/2912 und 21/5581. Die in Drs. 21/4174 dargestellten konzeptionellen Maßnahmen gelten für alle schutzbedürftigen Personen. Hierzu gehört insbesondere die frühzeitige Vermittlung von Werten und Normen – auch zur Religionsfreiheit und Religionsausübung (http://www.hamburg.de/innenbehoerde/werte). 5 Stadt reserviert Apartments für besonders schutzbedürftige LSBTI-Geflüchtete. Pressestelle des Senats am 4. August 2016.