BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5680 21. Wahlperiode 30.08.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 23.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Narrenfreiheit für minderjährigen Haftinsassen „Apo29“ bei Facebook und wieso schützt die Justizbehörde unsere Richter nicht? Ein Insasse der JVA Hahnöfersand, der sich „Apo 29“ nennt, konnte Anfang Juli unbehelligt mehrere Videos, Fotos und Statusmeldungen aus seiner Zelle bei Facebook posten. Auf den Fotos sind auch mehrere weitere mutmaßlich minderjährige beziehungsweise heranwachsende Mitgefangene zu sehen. Am 12. Juli 2016 konnte das Handy im Rahmen einer körperlichen Durchsuchung sichergestellt werden; auch wurde der Gefangene getrennt von anderen Insassen auf der Station für nicht gemeinschaftsfähige Gefangene untergebracht. Trotzdem wird seine Facebook-Seite weiter mit neuen Posts versehen. Vergangene Woche wurde dort sogar der entsprechende Artikel aus der „Bild“-Zeitung vom 11. August 2016 hochgeladen und von mehreren Usern kommentiert und „geliked“. Das sorgt für weitere Verbreitung . Eine Löschung des Accounts oder zumindest einzelner Beiträge, insbesondere sämtlicher Videos, die aus der Haft heraus gesendet wurden, erscheint dringend angezeigt. Zum einen ist das Senden von Bildern aus Justizvollzugsanstalten rechtswidrig. Zum anderen dürfte das allgemeine Persönlichkeitsrecht der minderjährigen Mitgefangenen zu schützen sein, erst recht, da sich die Minderjährigen in staatlichem Freiheitsentzug und damit in der intensivsten Form staatlicher Obhut befinden. Schließlich müssen Beleidigungen unterbunden und geahndet werden. Denn losgelöst von der Frage, ob die Ansprache der Zuschauer in dem Video mit den Worten: „Ihr tragt Schuhe von Deichmann und Armbruster, Ihr kleinen (…), Digger!“ adressatenbezogen als sozialadäquat erachtet werden mag, die nachfolgenden Aussagen erscheinen jedenfalls in jeder Hinsicht als besonders abstoßend: „Ich (…) den Staat“, „Justizsystem und deutsche Rap in (…)“. Solche Äußerungen lassen die vom Gesetz gebotene Erziehung und Sozialisierung im besonderen Maße angezeigt erscheinen. Die Aussage: „der Richter hat mich geknackt, der (…)“, dürfte schließlich eine Straftat aus dem Deliktsbereich der Beleidigung darstellen. Solche Aussagen darf ein Staat nicht sanktionslos hinnehmen. Die Bürger erwarten einen wehrhaften Rechtsstaat. Wehrhaft ist der Rechtsstaat, wenn sich nicht nur seine Bediensteten an Recht und Gesetz halten müssen, sondern wenn auch sie als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Respekt erhalten und umfassend geschützt werden. Richter sind Amtsträger und als solche üben sie Staatsgewalt aus. Im Falle von Beleidigungen steht das erforderliche Recht, Strafantrag zu stellen, auch dem Dienstvorgesetzten zu. Die Dienstaufsicht über die Gerichte obliegt der Justizbehörde. Drucksache 21/5680 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/5544 gab der Senat an, das Justitiariat der zuständigen Behörde habe unmittelbar rechtliche Möglichkeiten zur Durchsetzung einer Löschung des Accounts oder einzelner Einträge geprüft und sei dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass entsprechende Schritte keine Aussicht auf Erfolg hätten. Erstaunlich erscheint dies auch deshalb, weil Facebook – wie auch Google – seine Deutschlandzentrale in Hamburg hat und sich der Justizsenator noch im Februar dieses Jahres medienwirksam dafür aussprach, der Hamburgische Datenschutzbeauftragte möge nach Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung statt der Bundesdatenschutzbeauftragten in den neuen EU- Ausschuss entsandt werden. Offenbar wurde seine Expertise in diesem konkreten Fall nicht herangezogen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Was umfasste die Prüfung des Justitiariats konkret? 2. Auf welchen rechtlichen Erwägungen beziehungsweise Grundlagen basiert die Einschätzung der Behörde, dass entsprechende Schritte keine Aussicht auf Erfolg hätten? Das Justitiariat der zuständigen Behörde hat geprüft, ob rechtliche Möglichkeiten bestehen, den gesamten Account oder einzelne Einträge löschen zu lassen. Die rechtliche Prüfung hat ergeben, dass ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (§ 1004 Absatz 1 S. 2 BGB analog) wegen der nach der Rechtsprechung hohen Voraussetzungen für einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch einer juristischen Person des öffentlichen Rechts voraussichtlich nicht mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich geltend gemacht werden kann. 3. Hat die zuständige Behörde die Richter-Beleidigung zum Anlass genommen, Strafantrag zu stellen, oder die Antragsbefugten von der Beleidigung in Kenntnis gesetzt, damit diese Strafantrag stellen können? Falls nein, weshalb nicht? Die erkennende Richterin möchte keinen Strafantrag stellen. Der Dienstvorgesetzte prüft gegenwärtig, ob ein Strafantrag in Betracht kommt und gegebenenfalls gestellt werden soll. 4. Hat die zuständige Behörde losgelöst von rechtlicher Durchsetzbarkeit die üblichen Facebook-Möglichkeiten genutzt, um die rechtswidrigen Inhalte löschen zu lassen, beispielsweise das offizielle Meldeformular bei Verstößen gegen die Facebook-Richtlinien (dort: zum Beispiel „Ein Inhalt auf Facebook verstößt gegen meine Rechte“ oder „Sonstiger Missbrauch oder Belästigung“)? Falls nein, weshalb nicht? 5. Hat die zuständige Behörde die Möglichkeit genutzt, einen Brief oder eine E-Mail an die Deutschland-Chefin von Facebook, Frau Marianne Dölz, zu schreiben? Falls nein, weshalb nicht? Die zuständige Behörde hat die Einträge über das Meldeformular gemeldet und sich an die für Deutschland zuständige Managerin Privacy & Policy gewandt.