BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5727 21. Wahlperiode 02.09.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) vom 25.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Zwangsbehandlung stationär behandelter Betreuter Das Bundesverfassungsgericht hat am 26. Juli 2016 entschieden (Az. 1 BvL 8/15), dass ab sofort § 1906 (3) BGB auch auf stationär behandelte Betreute anzuwenden ist, die zwar nicht untergebracht sind, sich einer ärztlichen Zwangsbehandlung aber räumlich nicht entziehen können. Ich frage den Senat: Die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Juli 2016 betrifft die stationäre Krankenbehandlung von Patientinnen und Patienten, für die eine rechtliche Betreuung eingerichtet ist und für die die Betreuerin oder der Betreuer nach § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beim Betreuungsgericht die Genehmigung zur Einwilligung in eine Zwangsbehandlung beantragen. Sofern diese Patientinnen und Patienten nach § 1906 BGB geschlossen untergebracht sind, ändert sich für sie durch das Urteil nichts. Seit der zitierten Entscheidung kann das Betreuungsgericht die Maßnahme auch dann genehmigen, wenn eine geschlossene Unterbringung deshalb nicht genehmigt wurde, weil sie (insbesondere wegen Immobilität der Patientin oder des Patientin) im Einzelfall nicht erforderlich ist. Insoweit hat das BVerfG den Gesetzgeber aufgefordert, unverzüglich eine Regelung für diese Fallgruppe zu treffen und bis zu einer solchen Reglung ausgesprochen, dass § 1906 Absatz 3 BGB auch auf stationär behandelte Betreute anzuwenden ist, die sich einer ärztlichen Zwangsbehandlung räumlich nicht entziehen können. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Betreute sind in Hamburg stationär untergebracht? Dem Senat liegen keine statistischen Angaben zu dieser Frage vor. Insbesondere ergibt sich diese Zahl nicht aus der Justizstatistik. Die stationäre Unterbringung einer Person, für die gemäß § 1896 BGB ein Betreuer bestellt ist, bedarf keiner richterlichen Genehmigung nach § 1906 Absatz 1, Absatz 2 BGB. Die Genehmigungsbedürftigkeit gemäß § 1906 BGB bezieht sich auf die mit einer Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung (im Sinne einer geschlossenen Unterbringung). Auch im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung wird statistisch nicht erfasst, ob für die Patientinnen und Patienten eine rechtliche Betreuung besteht. In aller Regel erfahren die Krankenhäuser nur dann von einer Betreuung, wenn es notwendig ist, mit der Betreuerin oder dem Betreuer zu kommunizieren und diese/r für den erforderlichen Aufgabenkreis (insbesondere Gesundheitssorge) eingesetzt ist. Eine Abfrage in allen Hamburger Krankenhäusern ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich und würde aus den genannten Gründen zudem kein aussagefähiges Ergebnis erbringen. Drucksache 21/5727 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Wie viele davon sind geschlossen untergebracht? Eine geschlossene Unterbringung nach § 1906 BGB ist nur in einzelnen psychiatrischen Krankenhäusern und Pflegeheimen möglich. In Krankenhäusern in Hamburg sind derzeit (Stand: 30. August 2016, 12 Uhr) 131 Patientinnen und Patienten nach § 1906 BGB geschlossen untergebracht. In den nach § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) zugelassenen Hamburger Pflegeeinrichtungen werden aktuell mit Beschluss nach § 1906 BGB 166 pflegebedürftige Menschen in geschlossenen Stationen versorgt. 3. Wie viele der geschlossen untergebrachten Betreuten erhalten eine ärztliche Zwangsmaßnahme? Acht der in den psychiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser untergebrachten Patientinnen und Patienten werden mit gerichtlicher Genehmigung zwangsbehandelt. In den Pflegeeinrichtungen wird kein Patient zwangsbehandelt. 4. Bei wie vielen der stationär behandelten, aber nicht untergebrachten Betreuten ist eine ärztliche Zwangsbehandlung nötig? Da die Zahl der stationär behandelten, nicht nach § 1906 BGB untergebrachten Betreuten nicht bekannt ist (vergleiche Antwort zu 1.), liegen dem Senat keine Erkenntnisse hierzu vor. 5. Wird bei allen unter 4. abgefragten Personen seit dem 27. Juli 2016 die erforderliche Zwangsbehandlung durchgeführt? Wenn nein: wieso nicht? Zur Beantwortung dieser Frage müssten über 26.000 Betreuungsakten ausgewertet werden. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Was haben der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde unternommen , damit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes unverzüglich umgesetzt wird? Die als überörtliche Betreuungsbehörde im Sinne des Gesetzes über die Wahrnehmung behördlicher Aufgaben bei der Betreuung Volljähriger (BtBG) zuständige Behörde hat die Hamburger Betreuungsvereine und die örtliche Betreuungsbehörde von der Entscheidung des BVerfG in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, diese in der Beratung von Berufsbetreuern, ehrenamtliche Betreuern, Bevollmächtigten und interessierten Bürgern zu vermitteln. Das Amtsgericht Hamburg hat in Bezug auf die Hamburger Betreuungsgerichte die Entscheidung des BVerfG nach Zuleitung der Pressemitteilung des BVerfG zum Beschluss vom 26. Juli 2016 unverzüglich an die Direktoren der Stadtteilgerichte sowie den zuständigen Segmentsdirektor weitergeleitet.