BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5774 21. Wahlperiode 06.09.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 31.08.16 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebegewahrsam am Hamburger Flughafen (V) Hamburg baut als erstes Bundesland einen sogenannten Ausreisegewahrsam auf dem Gelände des Flughafen Hamburg. Mithilfe der Asylrechtsverschärfung der großen Koalition (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015) können strafrechtlich unschuldige Menschen vor ihrer Abschiebung bis zu vier Tage „in Gewahrsam “ genommen, also ihrer Freiheitsrechte beraubt werden. Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Inhaftierung von strafrechtlich unschuldigen Menschen zum Zwecke der Sicherstellung der Abschiebung grundsätzlich. Die mit der Inhaftierung einhergehenden psychischen und physischen Folgen seien völlig unverhältnismäßig. Im Hamburger Ausreisegewahrsam sollen künftig auch Kinder inhaftiert werden können. Insbesondere eine europarechtskonforme Ausgestaltung des Ausreisgewahrsams wird angezweifelt, so regen zum Beispiel die beiden grünen Bundestagsabgeordneten Luise Amtsberg und Volker Beck ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik bei der EU-Kommission an (http://www.volkerbeck.de/wp-content/uploads/2015/12/20151218- Juncker_Ausreisegewahrsam_VB_LA.pdf). Die gesetzliche Grundlage zur Inhaftierung im Ausreisegewahrsam lässt einige Interpretationsspielräume offen, die es in der Praxis auszulegen gilt. In meiner letzten Anfrage (Drs. 21/5339) antwortet der Senat, dass eine Dienstanweisung zur Beantragung von Ausreisegewahrsam derzeit erarbeitet wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Richterliche Anordnungen von Ausreisegewahrsam nach § 62b Aufenthaltsgesetz (AufenthG) setzen voraus, dass der betreffende Ausländer seiner gesetzlichen Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht nachgekommen ist und dass er fortgesetzt seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten verletzt oder er über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann genau soll der Ausreisegewahrsam am Hamburger Flughafen in Betrieb genommen werden? Die Inbetriebnahme ist weiterhin für Herbst 2016 geplant. Drucksache 21/5774 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Zu welchem Datum wurden beziehungsweise werden jeweils welche die Mitarbeitenden im und für den Ausreisegewahrsam eingestellt? Die Ausschreibung erfolgte zu Mitte September 2016. 3. Ist die Dienstanweisung zur Beantragung von Ausreisegewahrsam bereits fertiggestellt? Wenn nein, wann soll dies erfolgen? Wenn ja, bitte zur Verfügung stellen oder die wesentlichen Inhalte darstellen . Die Dienstanweisung befindet sich derzeit in der internen Abstimmung. 4. Wertet der Senat den Ausreisegewahrsam als eine Freiheitsbeschränkung oder als einen Freiheitsentzug, insbesondere vor dem Hintergrund, dass mittellose Menschen ohne Rückkehrhilfen (Drs. 21/5339) faktisch an der freiwilligen Ausreise gehindert sein werden? Bitte detailliert begründen. Es handelt sich um einen Freiheitsentzug. Im Übrigen ist der Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise eine Voraussetzung für die Ingewahrsamnahme gemäß § 62b Aufenth G, siehe Vorbemerkung. Während der Ausreisefrist, die den Betroffenen schriftlich mitgeteilt wird, besteht zudem grundsätzlich die Möglichkeit, Rückkehrhilfen zu beantragen. Eine freiwillige Ausreise scheitert nicht an Mittellosigkeit. Soweit erforderlich , organisiert die Ausländerbehörde die Ausreise und bezahlt die Reisekosten. 5. Inwiefern sieht der Senat eine vorliegende Fluchtgefahr als Voraussetzung dafür, dass Ausreisegewahrsam beantragt wird? Bitte begründen? a. Wie drückt sich nach Ansicht des Senats eine vorliegende Fluchtgefahr aus? Bitte Beispiele nennen. Die Voraussetzungen für die Ingewahrsamnahme sind in § 62b AufenthG normiert. Fluchtgefahr ist kein Tatbestandsmerkmal. Darüber hinaus siehe Antwort zu 4. und Vorbemerkung. 6. Wie wird der Senat sicherstellen, dass die Betroffenen Zugang zu Anwälten/-innen erhalten? a. Wie wird der Senat sicherstellen, dass die Anwälte/-innen in der Kürze der Zeit Zugriff auf die gesamte Ausländerakte erhalten? Für die in Gewahrsam genommenen Personen besteht die Möglichkeit, Anrufe zu tätigen und Besuch zu empfangen. Dieses umfasst auch die Möglichkeit, Kontakt zu anwaltlichen Vertreterinnen und Vertretern wahrzunehmen. Die Ausländerakte liegt in elektronischer Form vor und kann somit im Einzelfall zügig zur Verfügung gestellt werden. b. Wie wird der Senat sicherstellen, dass Amts- und Landgericht zügig über Haftbeschwerden entscheiden, insbesondere dann, wenn Betroffene nachmittags oder vor beziehungsweise an Wochenenden /Feiertagen inhaftiert werden? c. Inwiefern wird der Senat Mitarbeitenden von NGOs Zugang zum Ausreisegewahrsam gewähren? Bitte detailliert beschreiben? Im Rahmen der Besuchsregelung, siehe auch Antwort zu 6. und 6.a. d. Befindet sich der Ausreisegewahrsam in einer Sicherheitszone des Flughafens? Wenn ja, wie wird sich das auf die Besuchs- und Zutrittsrechte der genannten Personengruppen und von Angehörigen auswirken? Nein. 7. Inwiefern ist vorgesehen, den in Gewahrsam genommenen Personen persönliche Gegenstände und Kleidung abzunehmen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5774 3 Wenn ja, mit welcher Begründung und auf welcher Rechtsgrundlage? Die in Gewahrsam genommenen Personen dürfen ihre eigene Kleidung tragen und persönliche Gegenstände mit in ihren Wohnraum nehmen. Gegenstände und auch Kleidungsstücke, die aus Sicherheitsgründen und zum anderen aufgrund der begrenzten Wohnraumfläche nicht im Wohnraum aufbewahrt werden können, werden in einem separaten Raum verwahrt und bei Beendigung des Gewahrsams wieder ausgehändigt . Grundlage für die Ingewahrsamnahme ist § 62 b AufenthG.