BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5820 21. Wahlperiode 13.09.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) vom 05.09.16 und Antwort des Senats Betr.: Methadonbehandlung in Haftanstalten Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGHMR) hat entschieden , dass es gegen die Menschenrechte verstößt, wenn einem drogenabhängigen Gefangenen kein Methadon angeboten wird. Ich frage den Senat: 1. Wie viele Gefangene in Hamburger Gefängnissen sind drogenabhängig? Die Anzahl der Gefangenen mit einer Drogenabhängigkeit wird statistisch nicht erfasst. Eine Erhebung der Angaben würde die Auswertung von rund 1.700 Gefangenenpersonal - und Gesundheitsakten erfordern. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die jüngsten Angaben dazu stammen aus dem Jahr 2011. Nach einer im Jahr 2011 vorgelegten Studie des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) zur „Prävalenz problematischen Glücksspiels unter den Inhaftierten im Hamburger Justizvollzug“ haben rund 30 Prozent der Gefangenen vor der Inhaftierung sogenannte harte Drogen konsumiert, circa 20 Prozent weisen Erfahrungen mit Heroin auf. 2. Wie viele davon könnten von einer Methadongabe profitieren? 3. Wird allen Gefangenen, die dies wünschen, Methadon oder ein ähnliches Mittel angeboten? Grundsätzlich könnten alle Gefangenen, bei denen eine langjährige Opiatabhängigkeit vorliegt, von der Substitutionsbehandlung profitieren. Dies setzt jedoch einen entsprechenden Wunsch des Gefangenen und seine Mitwirkungsbereitschaft an der Behandlung voraus. Aktuell befinden sich 150 Gefangene in einer Substitutionsbehandlung, von denen 148 mit Methadon und zwei im Rahmen des Freigangs durch externe Ärzte mit Buprenorphin behandelt werden. Erkenntnisse über einen darüber hinausgehenden Bedarf liegen der zuständigen Behörde nicht vor. Bei der Durchführung von Substitutionsbehandlungen wird grundsätzlich das Präparat Methadon verwendet. Über die Aufnahme einer Substitutionsbehandlung entscheiden in jedem Einzelfall die substituierenden Ärzte. 4. Welche Art von Therapie wird den drogenabhängigen Gefangenen angeboten? Zu den Beratungs- und Behandlungsangeboten für drogenabhängige Gefangene gehören: Drucksache 21/5820 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Medikamentengestützte Entzugsbehandlung mit dem Schwerpunkt in der Untersuchungshaftanstalt , Substitutionsbehandlung in allen Hamburger Justizvollzugsanstalten, Rückfallprophylaxe durch externe Suchtberater in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel, Gruppenprogramm „Can Stopp“ der JVA Hahnöfersand mit dem Schwerpunkt auf Cannabis, Suchtberatung und Therapievermittlung durch externe Suchthilfeeinrichtungen (Aktive Suchthilfe e.V., jugend hilft jugend e.V., Jugendhilfe e.V., therapiehilfe e.V.) in der JVA Billwerder, der JVA Fuhlsbüttel, der JVA Hahnöfersand, der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg, der Teilanstalt für Frauen der JVA Billwerder und der Untersuchungshaftanstalt, Therapievorbereitungsstationen der JVA Billwerder und der Teilanstalt für Frauen der JVA Billwerder. 5. Haben Gefangene in Hamburger Gefängnissen wegen des Nichtangebots von Methadon Rechtsmittel ergriffen? Wenn ja: Wie oft und was waren die Ergebnisse? Gesichtet wurde der Zeitraum seit 1. Januar 2013. In dieser Zeit gab es keinen Fall, in dem Gefangene wegen des Nichtangebots von Methadon Rechtsmittel eingelegt haben. 6. Wird die Justizverwaltung ihren Umgang mit Methadon aufgrund des Urteils des EuGHMR ändern? Gab es schon entsprechende Verwaltungsanweisungen ? Die Auswertung des noch nicht rechtskräftigen Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 1. September 2016 (Az. 62303/13) ist noch nicht abgeschlossen . Nach einer vorläufigen Einschätzung der zuständigen Behörde besteht für eine Änderung der laufenden Praxis der Methadonvergabe im Hamburger Justizvollzug keine Veranlassung. Dahin gehende Verwaltungsanweisungen wurden nicht erlassen.