BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5878 21. Wahlperiode 16.09.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Hannemann (DIE LINKE) vom 08.09.16 und Antwort des Senats Betr.: Rückforderungen von Sozialleistungen bei „sozialwidrigem Verhalten“ nach dem SGB II durch Jobcenter team.arbeit.hamburg Nach diversen Medienberichten können die Jobcenter ausbezahlte Leistungen über drei Jahre zurückfordern beziehungsweise kürzen. Dieses in Verbindung mit den Vorschriften nach dem BGB. Demnach können die Jobcenter die Leistungen nach § 34 SGB II „Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten“ wieder zurückfordern, wenn ein Berufskraftfahrer wegen Trunkenheit seinen Führerschein und damit auch seinen Job verloren hat. Oder wenn eine Mutter den Namen des Vaters nicht nennen möchte. Die Bundesagentur für Arbeit dementierte diese Berichtserstattung prompt und begründete es damit, dass es sich nicht grundsätzlich um eine neue Regelung und auch nicht um eine verschärfte Gangart der Jobcenter handele. „Was vorher schon Teil des Verwaltungshandels war, sei nun eben in eine interne Dienstanweisung gegossen worden“, so ein BA-Sprecher. Dieser Widerspruch führt zu allgemeinen Unsicherheiten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) wie folgt: 1. Ist es möglich, dass eine Rückforderung nach § 34 SGB II parallel zu laufenden Sanktionen nach §§ 31, 32 SGB II erfolgen kann? Wenn ja, wo ist diese Regelung zementiert? Eine Aufrechnung ist unter Beachtung des § 43 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) möglich. 2. Wie verhält es sich mit der entgeltlichen Rückforderung von zuvor ausgegebenen Lebensmittelgutscheinen als Sachleistungen, obwohl Lebensmittelgutscheine im Vorfeld als Darlehen bei Zahlungsfortsetzung des Arbeitslosengeldes II zurückgefordert werden? Für Rückzahlungsansprüche aus Darlehen gelten die Bestimmungen des § 42a SGB II. 3. Stimmt der Senat der Aussage zu, dass nach Frage 2. und nach den neuen Fachlichen Weisungen § 34 SGB II eine doppelte Rückzahlung erfolgt oder erfolgen kann? Es erfolgt keine doppelte Rückforderung. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst. Drucksache 21/5878 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Wie definiert Jobcenter t.a.h. nach § 34 SGB II den Begriff der „Härte“, um von der Geltendmachung des Ersatzanspruches abzusehen? Bitte Beispiele auflisten. 5. Wie definiert Jobcenter t.a.h. nach § 34 SGB II die Begrenzung nach „begründete und eng zu fassenden Ausnahmefälle? Bitte Beispiele auflisten . Für die Auslegung sind die Fachlichen Weisungen zu § 34 SGB II der Bundesagentur für Arbeit, Rz. 34.19 ff anzuwenden. Diese sind einzusehen unter dem Link: https://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/ mdq2/~edisp/l6019022dstbai377979.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI377982. 6. Besteht eine Rückzahlungspflicht der Ersatzansprüche gegenüber den Erben auch dann, wenn Erben den Nachlass ablehnen? Nein, hier gelten die Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). 7. Welche klaren Abgrenzungen von objektiv sozialwidrigem Verhalten liegen den Mitarbeitern bei Jobcenter t.a.h. vor? Liegt den Mitarbeitern bei Jobcenter t.a.h. eine entsprechende Liste zur Orientierung vor? Wenn ja, bitte anhängen. Siehe Antwort zu 4. und 5. 8. Wer übernimmt und bis zu welcher Höhe eventuelle Kosten für Bescheinigungen , Gutachten oder Ähnliches, wenn Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigte auf Aufforderung Jobcenter t.a.h. für die Beurteilung eines wichtigen Grundes die Beweislast zu tragen haben? Sollte Jobcenter einen Leistungsberechtigten explizit auffordern, für die Beurteilung eines wichtigen Grundes ein ärztliches Attest einzureichen, werden die Kosten gemäß § 65a des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) durch Jobcenter übernommen. Als angemessener Umfang für die Kosten der vorgesehenen Bescheinigung sind die nach Ziffer 70 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vorgesehenen Gebühren übernahmefähig . 9. Gilt die Nichtnennung des Vaters eines unehelichen Kindes als sozialwidriges Verhalten, wenn der Vater unbekannt ist? Wenn ja, mit welcher Begründung und welche Objektivität wird als Maßstab angesetzt? Eine Beurteilung muss im Einzelfall erfolgen. Zu dem oben genannten Beispiel kann insofern nicht pauschal geantwortet werden. 10. In welchem Umfang müssen Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigte die Beweislast erbringen, wenn der Arbeitgeber ohne Nennung der Gründe eine Kündigung ausspricht? Liegt in diesem Fall sozialwidriges Verhalten vor und wenn ja, mit welcher Begründung? In diesem speziellen Fall erfolgt eine Ermittlung des Kündigungsgrundes gemäß § 57 SGB II durch Jobcenter. 11. In welchem Umfang liegt sozialwidriges Verhalten vor, wenn Arbeitnehmer /-innen aus physischen, psychischen oder prekär bedingten Arbeitsbedingungen (mangelhafte Arbeitsplatzgestaltung, -bedingungen, prekäre Bezahlung oder ähnliche) ihren Arbeitsplatz aufgeben? Bitte ausführlich erläutern. Und wer trägt die Beweislast und die damit eventuell verbundenen Kosten? Siehe Antwort zu 9. 12. Wie bewertet der Senat die Unterschreitung des Existenzminimums, wenn die Rückforderung mehr als 30 Prozent in Verbindung mit laufenden Sanktionen nach den §§ 31, 32 betragen im Verhältnis zum Urteil Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5878 3 des BVerfG aus dem Jahr 2010 und AsylbLG aus dem Jahr 2012? Bitte ausführlich begründen. Diese Fallgestaltung ist aufgrund § 43 Absatz 2 SGB II nicht möglich. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.