BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5987 21. Wahlperiode 23.09.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 15.09.16 und Antwort des Senats Betr.: Heimaturlaub in „Kriegsgebieten“ – Flüchtlinge missbrauchen Asylstatus Kürzlich hat „Die Welt am Sonntag“ darüber berichtet, dass es in mehreren Fällen zu akutem Missbrauch des Asylstatus durch Flüchtlinge gekommen ist.1 In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass Personen, die den deutschen Behörden zuvor glaubhaft gemacht hatten, in ihren Herkunftsländern von Krieg und Verfolgung bedroht zu sein und infolgedessen einen positiven Asylbescheid erhielten, später für mehrere Tage in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, um dort „Urlaub“ zu machen. Besonders brisant ist, dass solche Reisen nach Afghanistan, Syrien und den Libanon in Länder führten, die offiziell als Kriegsgebiete gelten. Hinzu kommt, dass es sich bei den involvierten Flüchtlingen um Personen handelt, die in Deutschland als arbeitslos gemeldet sind und daher gegenwärtig Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Obwohl das Ausmaß der oben skizzierten Vorfälle nach Aussage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bislang noch nicht abgeschätzt werden kann und das Innenministerium keine Statistiken in dieser Sache führt, ist bereits jetzt klar, dass sie in verschiedener Hinsicht von Bedeutung sind. So belegen sie nicht nur, dass das deutsche Asyl- und Sozialrecht offenbar massiv von Ausländern missbraucht wird2, sondern machen darüber hinaus auch deutlich, dass der seit September 2015 erfolgenden Massenmigration nach Deutschland nicht selten auch ökonomische Motive zugrundeliegen. Der von Flüchtlingen unternommene Heimaturlaub ist aber auch insofern erhellend, als er die Dringlichkeit aufzeigt, die bisherige Sichtweise kritisch zu hinterfragen, der zufolge Länder wie Afghanistan, Syrien et cetera per se als unsichere Herkunftsländer gelten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (§ 3 Asylgesetz), genießen nach Artikel 26 Genfer Flüchtlingskonvention Freizügigkeit. Für eine Verpflichtung , Reisen in das Herkunftsland vorab anzuzeigen oder hierfür eine behördliche „Zustimmung zur Abwesenheit“ einzuholen, gibt es keine gesetzliche Grundlage. Eine Untersagung der Ausreise kann im Einzelfall unter den in § 46 Absatz 2 AufenthG genannten Voraussetzungen in Betracht kommen. Bestehen im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen, wird eine Ausreiseuntersa- 1 „Flüchtlinge machen Urlaub, wo sie angeblich verfolgt werden. „Die Welt“ online. 11. September 2016. 2 Die betroffenen Berliner Arbeitsagenturen gehen davon aus, dass dieses Phänomen auch in anderen Teilen Deutschlands existiert. Drucksache 21/5987 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 gung geprüft und gegebenenfalls auch verfügt, siehe auch Drs. 21/5138. Im Übrigen besteht für eine generelle behördliche Verhinderung von Reisen in die Herkunftsländer keine Rechtsgrundlage und damit auch keine Möglichkeit der Versagung durch die Ausländerbehörden, Bei den hamburgischen Ausländerbehörden sind Einzelfälle bekannt geworden, zum Beispiel aus Anlass von Todesfällen im engeren Familienverband. Diese werden jedoch statistisch nicht in einer auswertbaren Form erfasst, sodass nähere Angaben hierzu nicht möglich sind. Wird eine solche Reise ins Herkunftsland der Ausländerbehörde bekannt, so werden die Betroffenen zum Grund der Reise sowie gegebenenfalls zu den Umständen befragt. Eine belastbare Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Angaben hierzu ist allerdings in der Regel nicht möglich. Erkenntnisse zur Finanzierung solcher Reisen sind den Ausländerbehörden nicht erinnerlich. Das BAMF wird über die Erkenntnisse der Ausländerbehörde informiert. Es liegt dann in der Zuständigkeit des BAMF, den weiteren Bestand der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu prüfen. Unter den Voraussetzungen des § 72 Asylgesetz (AsylG) kommt in diesen Fällen ein Erlöschen der Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht, unter den Voraussetzungen des § 73 AsylG ein Widerruf oder eine Rücknahme. Die §§ 73 b und 73 c AsylG regeln den Widerruf und die Rücknahme in den Fällen subsidiären Schutzes sowie von Abschiebungsverboten. Zuständig für einen Widerruf oder eine Rücknahme nach diesen Vorschriften ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Ist der Widerruf oder die Rücknahme unanfechtbar, gilt § 72 Absatz 2 AsylG entsprechend; danach hat der Ausländer den Anerkennungsbescheid und den Reiseausweis unverzüglich bei der Ausländerbehörde abzugeben. Damit entfallen grundsätzlich zugleich die Voraussetzungen für die Erteilung der entsprechenden Aufenthaltstitel nach § 25 Absatz 1 bis 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) beziehungsweise deren Verlängerung (§ 8 Absatz 1 AufenthG). Das Reisen eines Flüchtlings in sein Herkunftsland stellt für sich keine Straftat dar. Dementsprechend liegen die rechtlichen Voraussetzungen für eine polizeiliche Beobachtung gemäß § 13 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei nicht vor. Das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg erfüllt die ihm gemäß § 4 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz zugewiesenen Aufgaben in dem dort beschriebenen Umfang. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Sind dem Senat vergleichbare Fälle für Hamburg bekannt? Falls ja, bitte die jeweiligen Zusammenhänge anhand der involvierten Personen, des Herkunftslandes, des Einreisezeitpunkts, des Unterbringungsortes und des Aufenthaltsstatus aufschlüsseln. Falls ja: a. Ist dem Senat bekannt, mit welchem Geld diese Reisen finanziert werden? b. Werden in den Urlaub gereiste Flüchtlinge nach ihrer Rückkehr von den Behörden befragt? c. Haben in die Heimat ausgereiste Flüchtlinge vor ihrem Aufbruch die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung zur Abwesenheit durch die Behörden erhalten? Falls nein: d. Nimmt der Senat die Berichterstattung zum Anlass, die Überprüfung der Ortsanwesenheit von Flüchtlingen zu intensivieren und derartige Missstände aufzudecken? 2. Welche Konsequenzen hätte eine im obigen Sinne unternommene Heimreise für in Hamburg untergebrachte Flüchtlinge, die über einen positiven Asylbescheid verfügen? Hätte dies Auswirkungen auf ihren Aufenthaltsstatus? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5987 3 3. Stehen Heimaturlauber nach ihrer Rückkehr unter der Beobachtung der Sicherheitsbehörden? Falls ja, inwiefern? Falls nein, warum nicht? 4. Hat der Senat die Möglichkeit, in Erfahrung zu bringen, was die Ausreisenden während des Aufenthalts in ihren Heimatländern tun? 5. Was tut der Senat, um derartige Heimreisen zu verhindern? 6. Plant der Senat, infolge der Berichterstattung etwaige Fälle von Heimaturlaub künftig weiterzuverfolgen? Siehe Vorbemerkung. 7. Nach aktueller Rechtslage haben Leistungsbezieher nach dem Sozialgesetzbuch II u. III beziehungsweise dem Asylbewerberleistungsgesetz das Recht, für 21 Tage im Jahr ortsabwesend zu sein. Plant der Senat, diese Reglung künftig für Asylbewerber einzuschränken, indem er Urlaubsreisen ins Ausland von ihr ausschließt? Der gesetzliche Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) setzt gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 AsylbLG voraus, dass sich der Leistungsberechtigte tatsächlich im Bundesgebiet aufhält. Regelungen zur Ortsabwesenheit im Rahmen des SGB II und SGB III werden von der Bundesagentur für Arbeit erlassen, deren Umsetzung gehört zum Zuständigkeitsbereich der Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter team.arbeit.hamburg. Darüber hinaus hat sich der Senat hiermit nicht befasst.