BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6030 21. Wahlperiode 27.09.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 19.09.16 und Antwort des Senats Betr.: Evaluation der Ergebnisse des Zwei-Säulen-Modells Der Protestbrief der Schulleiter der Stadtteilschulen und die unbefriedigenden Ergebnisse der aktuell veröffentlichten KERMIT-Untersuchung machen es notwendig, in dem „Bericht der Enquete-Kommission „Konsequenzen der neuen PISA-Studie für Hamburgs Schulentwicklung‘“ (Drs 18/6000) nachzusehen , welche Vorgaben für die Organisation und Forderungen („benchmarks “) für die Ergebnisse dieser großen Reform 2007 einstimmig von den Vertretern aller in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen beschlossen wurden . Die betreffende Drucksache mit ihren 109 Seiten Umfang fasst die Ergebnisse umfangreicher Anhörungen von Experten aus Hamburg und dem ganzen Bundesgebiet zusammen, bietet fast 200 detaillierte Empfehlungen für eine Ruderneuerung unseres Schulsystems und kann als „Gründungsdokument “ des Hamburger Zwei-Säulen-Modells bezeichnet werden. Einstimmig wurde eine laufende Evaluation der erwarteten besseren Arbeitsergebnisse der Schüler vorgegeben (Drs. 18/6000, Empfehlung 80, Seite 97): „Die Gesamtevaluation des reformierten Schulsystems soll frühestens nach einem vollständigen Schülerdurchlauf durchgeführt werden. Teilevaluationen und notwendige Korrekturen müssen kontinuierlich vorgenommen werden.“ Die von der Enquete-Kommission erteilten Empfehlungen sowie die Festlegung der Kriterien sind ein vollumfänglicher Auftrag an die Behörde, um für sich und die Öffentlichkeit Klarheit über den Erfolg einer politischen Entscheidung zu erreichen. Die aktuelle Diskussion macht eine Bestandsaufnahme notwendig mit dem Ziel der Feststellung, ob das neue System in seiner politisch gewachsenen Ausformung die gestellten Erwartungen erfüllt hat. Dabei beschränkt sich die vorliegende Schriftliche Kleine Anfrage auf die Entwicklung der Lernstände in der Sekundarstufe I. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wurde in Hamburg das von der Enquete-Kommission unter Ziffer 6.1 (Drs. 18/6000, Seite 49) vorgegebene quantitative Ziel „Anteil der Schulabgängerinnen und -abgänger ohne Abschluss: Senkung von derzeit 11,2 % auf maximal 10,0 % (EU-Ziel)“ erreicht? Bitte die jeweiligen Zahlen pro Jahr ab Beendigung des Schuljahres 2010/2011 angeben. Ja. Drucksache 21/6030 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Schulentlassene aus Hamburger allgemeinbildenden Schulen ohne Schulabschluss1 In den Schuljahren 2010/2011 bis 2013/2014 wurden aufgrund von Fehleingaben bei einigen Schulen zu geringe Zahlen ermittelt. Diese Unschärfe wurde 2014/2015 behoben . Daher steigt der Wert hier etwas an, gibt aber erstmalig eine präzise und gesicherte Zahl der Schulabbrecher an. Schuljahr ohne Schulabschluss 2) Anzahl Anteil 2010/11 1.020 7,0% 2011/12 993 6,6% 2012/13 697 4,9% 2013/14 755 4,8% 2014/15 897 5,4% Quelle: Schuljahreserhebung der Jahre 2009 bis 2015 1) einschließlich der Nicht-Schüler-Prüfungen (externe Abschlussprüfungen), ohne Studienkolleg . 2) Diese Zahl enthält auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Ein erheblicher Teil dieser Schülerinnen und Schüler erreicht infolge der jeweiligen Lernbeeinträchtigungen keinen allgemeinbildenden Schulabschluss. 2. Wenn mehr Schüler den ersten allgemeinbildenden Abschluss erreichen, so ist dies erfreulich. Es muss aber allen Beteiligten, Schülern, Eltern und Gesellschaft (zum Beispiel Lehrbetrieben des dualen Systems) überzeugend dargestellt werden, dass die vergebenen Zertifikate auch mit den erwartbaren Kompetenzen und Kenntnissen hinterlegt sind. Welche Instrumente zur Qualitätssicherung hat die zuständige Behörde in diesem Sinne konkret angewandt? Schülerinnen und Schüler, die an Hamburger Schulen den ersten allgemeinbildenden Abschluss erwerben, dokumentieren damit die für das Abschlussniveau dieses Bildungsgangs geforderten Kompetenzen und Kenntnisse. Um die Qualität zu sichern, wurden in den Kernfächern für alle Schülerinnen und Schüler zentrale schriftliche Prüfungen eingeführt. Die Durchführung und Auswertung der zentralen schriftlichen Prüfungen zum ersten allgemeinbildenden Schulabschluss in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch stellen ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung im beschriebenen Sinne dar. Konzeption und Durchführung der schriftlichen Prüfungen erfolgen analog zum Verfahren im schriftlichen Zentralabitur (siehe Drs. 21/361). Eine zentrale Aufgabe der Aufgabenentwicklerinnen und -entwickler sowie der jeweiligen Fachkommission ist dabei die Sicherstellung des Anforderungsniveaus gemäß dem Bildungsplan beziehungsweise den Bildungsstandards. Die verantwortlichen Lehrkräfte werden durch die jährlich erscheinenden Regelungen für die zentralen schriftlichen Prüfungsaufgaben sowie durch die Hinweise und Beispiele zu den zentralen schriftlichen Prüfungsaufgaben über die Anforderungen und Themen der Prüfungen informiert . Die Auswertung der Prüfungsergebnisse der Einzelschulen ist regelhaft Gegenstand der jährlich zwischen Schulleitung und Schulaufsicht stattfindenden Statusgespräche , die einer schulinternen Qualitätskontrolle dienen (siehe Drs. 21/4088). 3. Die Enquete-Kommission hat im Jahre 2007 unter Ziffer 3 (Drs. 18/6000, Seite 48) für das Zieljahr 2015 die folgenden Kennzahlen festgelegt: „3. Die PISA-Kompetenz ist zu steigern. 3.1 PISA-Kompetenzwert Lesen: Senkung des Anteils der Kinder auf bzw. unter Kompetenzstufe I von derzeit 27,6 % auf den OECD- Mittelwert von maximal 19,1 %. Erhöhung des Anteils der Kinder auf Kompetenzstufe V von derzeit 9,7 % auf mindestens 12,5 % (= momentaner Wert in Bayern). 3.2 PISA-Kompetenzwert Mathematik: Senkung des Anteils der Kinder auf bzw. unter Kompetenzstufe I von derzeit 29,1 % auf den derzeitigen deutschen Mittelwert von maximal 21,6 %. Erhöhung des Anteils der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6030 3 Kinder auf Kompetenzstufe V von derzeit 2,1 % auf mindestens 4,1 % (= momentaner Mittelwert in Deutschland). 3.3 PISA-Kompetenzwert Naturwissenschaften: Senkung des Anteils der Kinder auf bzw. unter Kompetenzstufe I von derzeit 28,6 % auf den OECD-Mittelwert von maximal 23,2 %. Erhöhung des Anteils der Kinder auf Kompetenzstufe V von derzeit 5,5 % auf mindestens 7,5 % (= momentaner Wert in Bayern). 3.4 PISA-Kompetenzwert Problemlösen: Senkung des Anteils der Kinder auf bzw. unter Kompetenzstufe I von derzeit 46,3 % auf den momentanen Wert von maximal 38,1 % des Landes Baden-Württemberg. Erhöhung des Anteils der Kinder auf Kompetenzstufe V von derzeit 20,3 % auf mindestens 23,6 % (= momentaner Wert in Baden-Württemberg).“ Welche Werte wurden für die Kennzahlen 3.1 bis 3.4 jeweils im Jahre 2015 erreicht? Sofern vorhanden, bitte auch jeweils Zwischenwerte angeben. Im Rahmen der Teilnahme Deutschlands am ersten Zyklus der internationalen OECD- Studie „Programme for International Student Assessment“ (PISA) (siehe auch: https://www.oecd.org/pisa/home/) hat die Kultusministerkonferenz (KMK) entschieden, die für den internationalen Vergleich notwendige Stichprobe so zu ergänzen, dass für alle 16 Bundesländer repräsentative Ergebnisse in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften vorliegen. Diese sogenannten PISA-E-Studien wurden in den Jahren 2000, 2003 und 2006 parallel zur internationalen PISA-Studie durchgeführt . Im Rahmen des zweiten PISA-Zyklus (PISA 2009, PISA 2012 und PISA 2015) hat Deutschland keine PISA-E-Studien mehr durchgeführt. Im Übrigen siehe Prenzel, M., Artelt, C., Baumert, J., Blum, W., Hammann, M., Klieme, E. & Pekrun, R. (Hrsg.). (2008). PISA 2006 in Deutschland. Die Kompetenzen der Jugendlichen im dritten Ländervergleich. Münster: Waxmann. Und Prenzel, M., Baumert, J., Blum, W., Lehmann , R., Leutner, D., Neubrand, M., Pekrun, R., Rost, J. & Schiefele, U. (Hrsg.). (2005). PISA 2003. Der zweite Vergleich der Länder in Deutschland – Was wissen und können Jugendliche? Münster: Waxmann. 4. Beabsichtigt die zuständige Behörde, eine Gesamtevaluation des Zwei- Säulen-Modells durchzuführen? Falls ja, wann? Falls nein, weshalb nicht? 5. Welche Teilevaluationen und Korrekturen wurden im Einzelnen seit Einführung des Zwei-Säulen-Modells vorgenommen? Bitte jeweils konkret unter Angabe des Zeitpunktes nennen. Die zuständige Behörde hat in den letzten Jahren ein umfassendes Monitoring- System mit dem Ziel aufgebaut, regelhaft Kennzahlen und Daten zu generieren, die sowohl von der zuständigen Behörde als auch von den Schulen selbst zur Schul- und Unterrichtsentwicklung und damit auch für die Weiterentwicklung des Zwei-Säulen- Modells genutzt werden. Hierzu zählen unter anderem die Einführung einer Schulinspektion (seit 2006), die regelmäßige Durchführung von Schulleistungstests (Lernstandserhebungen in den Jahrgangstufen 3 und 8 seit 2008 beziehungsweise KERMIT in den Jahrgangsstufen 2, 3, 5, 7, 8, 9/10 seit 2012), die Bildungsberichterstattung in Hamburg und ein Monitoring der zentralen Abschlussprüfungen (seit 2005) sowie eine Erweiterung des Zentralabiturs (seit 2014). Die Ergebnisse werden in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Funktion adressatengerecht aufbereitet und, den beteiligten Institutionen zur Verfügung gestellt. Mit den oben genannten Maßnahmen liegen umfassende Informationen vor, die intensiv zur Schul- und Unterrichtsentwicklung genutzt werden. Nach der Rückkehr von der sechsjährigen Primarschule zur vierjährigen Grundschule mit dem 14. Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes vom 21.09.2010 (HmbGVBl. S. 551) gab es folgende Änderungen des Hamburgischen Drucksache 21/6030 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Schulgesetzes und der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums vom 22.07.2011 (APO-GrundStGy), die einen Bezug zum Zwei-Säulen-Modell aufweisen: Datum der Änderung Regelungsort Inhalt/Zweck Gesetz vom 17.12.2013 (HmbGVBl. S. 502) § 14 Absatz 1 HmbSG Schaffung eines gesicherten Übergangs von Jahrgangsstufe 4 in Jahrgangsstufe 5 an einer Langformschule (Angliederung einer Grundschule an eine Stadtteilschule) Gesetz vom 06.06.2014 (HmbGVBl. S. 208) § 53 Absatz 4 Satz 2 Nummer 5 HmbSG Ermöglichung von behördlichen Vorgaben zu Umfang und Verteilung von Hausaufgaben und Lernerfolgskontrollen , um die Belastung der Schülerinnen und Schüler am Gymnasium zu verringern Gesetz vom 15.09.2016 (HmbGVBl. S. 441) §§ 15 und 17 HmbSG § 45 HmbSG Ermöglichung des Erwerbs des erweiterten ersten allgemeinbildenden Schulabschlusses Beschränkung der Möglichkeit der Wiederholung der 10. Jahrgangsstufe Verordnung vom 01.02.2013 (HmbGVBl. S. 27) § 32 APO-GrundStGy Schaffung der Möglichkeit, nach der Versetzung in die Studienstufe des achtstufigen Gymnasiums auch in die Vorstufe der Stadtteilschule überzugehen Verordnung vom 15.07.2013 (HmbGVBl. S. 337) Anlagen 4 und 5 zu § 41 APO-GrundStGy Schaffung der Möglichkeit, die an den Stadtteilschulen zunächst verbindlich vorgesehenen Lernbereiche Naturwissenschaften und Technik sowie Gesellschaftswissenschaften wieder in Einzelfächer aufzugliedern Verordnung vom 04.08.2014 (HmbGVBl. S. 333) § 36 Absatz 3 Nummer 3 APO-GrundStGy Begrenzung der maximalen Unterrichtsstunden zur Erfüllung der Pflichtauflagen in der Sekundarstufe I auf 34 Wochenstunden an Gymnasien