BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6041 21. Wahlperiode 27.09.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Kruse und Dr. Kurt Duwe (FDP) vom 20.09.16 und Antwort des Senats Betr.: Verbringung von Sedimenten (XXI): PCB-Belastung des Elbschlicks Nach aktuellen Pressemeldungen sind in der Grenzregion von Tschechien und Sachsen bereits in 2015 stark erhöhte Werte an Polychlorierten Biphenylen (PCB) festgestellt worden. Dies sind giftige Chlorverbindungen, deren Herstellung seit 2001 verboten ist. Für den PCB-Gehalt in der Elbe kann dies ökologische und wirtschaftliche Folgen haben. Die erhöhten Werte an PCB können die Qualität der Sedimente so stark verschlechtern, dass eine Verbringung aus dem Hamburger Hafen in die Nordsee nicht mehr möglich ist. In Konsequenz müssten mehr Sedimente auf die Landdeponien verbracht werden , deren Kapazitäten allerdings stark limitiert sind. Zudem ist die Verbringung an Land inklusive der Aufbereitung der Sedimente wesentlich teurer als die wasserseitige Verbringung. Kosten und Ausmaß der Belastung für Hamburg sind bisher unklar. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Im Juni 2015 wurde die Abteilung Wasserwirtschaft im Amt für Umweltschutz der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) erstmalig vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie des Freistaates Sachsen über erhöhte Polychlorierte- Biphenyle(PCB)-Gehalte an der grenznahen Gewässergütemessstation in Schmilka informiert. Seit Juli 2015 befassen sich sowohl die Fachgremien und administrativen Organe der Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) als auch der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) intensiv mit der Aus- und Bewertung des Ereignisses. Hamburg ist jeweils aktiv vertreten. Nach Bekanntwerden der PCB- Befunde wurde durch die Abteilung Wasserwirtschaft der BUE eine gezielte Sedimentprobenahme entlang des deutschen Elbeverlaufs sowie die Analytik der Proben in Auftrag gegeben, um das Ausmaß der räumlichen und zeitlichen PCB- Stromabverfrachtung zu dokumentieren. Außerdem wurden alle zur Verfügung stehenden Analysedaten der FGG Elbe eingeholt und ausgewertet, um die Ursache des Ereignisses zu analysieren und mögliche Folgen für Hamburg abschätzen zu können. Im November 2015 wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des behördenübergreifenden Hamburger Projektes „Schadstoffsanierung Elbesedimente – ELSA“ durch die BUE, die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) sowie die Hamburg Port Authority AöR (HPA) beauftragt, eine Fachstudie zum PCB-Ereignis anzufertigen , um den komplexen und komplizierten Sachverhalt umfassend darzustellen. Seit Juli 2016 liegt der Ergebnisbericht vor. Siehe http://elsa-elbe.de/assets/download/fachstudien/ELSA_PCB_Bericht_2016.pdf. Darüber hinaus orientiert sich die Umlagerung von Baggergut an den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der Elbe (ARGE-Elbe). Sedimente mit einer PCB-Belastung von bis zu 25µg/Kg Trockensubstanz je Einzelkongener können ohne weitere Erwägung umgelagert werden. Drucksache 21/6041 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Ob es überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang und Zeitrahmen zu einer Überschreitung der vorgenannten Grenz- beziehungsweise Richtwerte in Hamburg kommt, kann derzeit nicht prognostiziert werden. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel Zeitpunkt und Umfang der Remobilisierung von Sedimenten am Oberlauf der Elbe nach Hochwasserereignissen, Verdünnung und Verteilung auf dem Weg elbabwärts, Sedimentation in Hamburg, tatsächliche Baggerbedarfe oder der Erfolg oberstromig durchgeführter Sanierungsmaßnahmen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der HPA wie folgt: 1. Welche Informationen und seit wann haben die zuständigen Behörden über die bei Brückenbauarbeiten in Tschechien in die Elbe gelangten PCB? Im Mai 2016 hat der Leiter der tschechischen Delegation in der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) des tschechischen Umweltministeriums (MŽP) die Leiterin der deutschen Delegation in der IKSE des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) über die erhöhten PCB- Gehalte in Schwebstoffen und Sedimenten offiziell informiert. Hauptursachen sind laut Ansicht der tschechischen Umweltinspektion (ČIŽP) die Freisetzung und die Remobilisierung dieser Schadstoffe bei der Reinigung der Fahrrinne (Baggerungen), die seit Januar 2015 auf Grundlage einer Auftragsvergabe des Bewirtschafters des Gewässers – des staatlichen Wasserwirtschaftsbetriebs für die Elbe (Povodí Labe, s.p.) – erfolgte, sowie die Freisetzung von PCB-haltigem Material, das bei der Entfernung des ursprünglichen Anstrichs der Eisenbahnbrücke in Ústí nad Labem angefallen ist. Aktuelle Analysenergebnisse von Sedimentproben aus der Umgebung der Eisenbahnbrücke in Ústí nad Labem – deren Oberfläche von April bis Juni 2015 instand gesetzt wurde – belegen den signifikanten Anteil der Sanierung des Altanstrichs der Eisenbahnbrücke an der PCB-Belastung in der Elbe und das Vorhandensein von schadstoffbelastetem Material im Bereich der nicht überschwemmten Aue unterhalb der Eisenbahnbrücke. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Welche Ergebnisse hat die Auswertung der vorgenannten Informationen ergeben? Die vom gemeinsamen Projekt „Schadstoffsanierung Elbesedimente – ELSA“ der BUE, der BWVI sowie der HPA gewonnen Erkenntnisse decken sich mit dem vom Leiter der tschechischen Delegation in der IKSE vorgetragenen Grund der erhöhten PCB-Gehalte in der Elbe – dem unsachgemäß durchgeführten Abtrag einer PCBhaltigen Farbe von einem Brückenbauwerk in Ústí nad Labem. 3. Wann wird aus Sicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörden das mit PCB belastete Sediment beziehungsweise Wasser in welchen Mengen aus Tschechien Hamburg erreichen? Gibt es eine Prognose, wann und wie lange die Überschreitung der zulässigen Grenzwerte erfolgt? Im Dezember 2015 kam es aufgrund erhöhter Abflussverhältnisse von über 700 m³/s (Bezugspegel Neu Darchau) zu einem ersten ereignisbedingt erhöhten PCB-Eintrag in die Tideelbe. Dies belegen die Ergebnisse aus den Sedimentationsbecken der Hamburger Messstation Bunthaus (Strom-km 609,2). Besonders auffällig ist der überproportionale Anstieg der PCB-Kongenere 180, 153 und 138. Es ist davon auszugehen, dass mit den nächsten Hochwässern erneut erhöhte Gehalte in Bunthaus festzustellen sein werden. Bislang wird in Hamburg die Umweltqualitätsnorm (UQN) gemäß Oberflächengewässerverordnung (OGewV) von 20 μg/kg für die PCB-Einzelkongenere jedoch nicht überschritten. Es zeigt sich, dass aufgrund der verstärkten Durchmischung mit unbelasteten marinen/ästuarinen Schwebstoffen/Sedimenten in Seemannshöft bisher kein PCB-Anstieg festzustellen ist. 4. Wie hoch sind die PCB-Grenzwerte für die Verbringung von Schlick zur Tonne E3 gemäß Vereinbarung mit dem Nachbarland Schleswig- Holstein? Bei welcher PCB-Belastung je Kilogramm Sediment kann das Baggergut nicht mehr zur Tonne E3 in die Nordsee verbracht werden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6041 3 Die zulässige Belastung des Baggerguts für die Verbringung zur Tonne E3 ist nach Maßgabe des Einvernehmens des Landes Schleswig-Holstein geregelt, welches festgelegt , dass der Arithmetische Mittelwert der chemischen und ökotoxikologischen Belastung nicht signifikant höher sein darf als der Mittelwert der Belastung der Sedimente aus 2005 bis 2015, die zur Tonne E3 verbracht wurden. Für das Gebiet Süderelbe Blatt 5 gilt hier ein Mittelwert von 20,3 µg/kg PCB Summe 7, berechnet als Gehalt in der Fraktion < 63 µm gemäß der Gemeinsamen Übergangsbestimmungen zum Umgang mit Baggergut in den Küstengewässern (GÜBAK), für die Gebiete Köhlbrand und Norderelbe gilt hier ein Mittelwert von 20,9 µg/kg PCB Summe 7, berechnet als Gehalt in der Fraktion < 63 µm gemäß GÜBAK. Für die Landeshafengewässer gilt die gleiche Regelung nach Maßgabe Genehmigung des Landes Schleswig-Holsteins. 5. Wie hoch sind die PCB-Grenzwerte für die Verbringung von Schlick in der Elbe vor Neßsand? Bei welcher PCB-Belastung je Kilogramm Sediment kann das Baggergut nicht mehr vor Neßsand verbracht werden? 6. Rechnet der Senat mit einer Überschreitung der vorgenannten Grenzwerte ? a. Wenn ja, wann und wie lange? b. Wie viele Sedimente sind davon schätzungsweise betroffen? Siehe Vorbemerkung. 7. Welche der vorgenannten Schlickmengen können in 2016 und bis 2018 an Land verbracht werden? Siehe Antwort zu 3. 8. Welche Kapazitäten für die Landdeponien wären verfügbar, wenn die Belastung mit PCB steigt und der belastete Schlick nicht mehr zur Tonne E3 verbracht werden kann? Die HPA-eigenen Behandlungs- und Entsorgungskapazitäten belaufen sich auf maximal circa 1 Million Kubikmeter (Profilmaß) pro Jahr. Im Übrigen prüft die HPA derzeit weitere Möglichkeiten einer gesonderten Unterbringung von Baggergut in einem subaquatischen Depot, dem sogenannten Slufter, in der Nähe von Rotterdam. 9. Welche Restkapazitäten besitzen die Schlickdeponien derzeit noch? Deponie Francop: 430.000 m³ Deponie Feldhofe: 4.430.000 m³ 10. Gibt es Planungen für weitere Schlickdeponien? Wenn ja, welche? Die HPA plant derzeit den Bau einer neuen Baggergutdeponie in Moorburg. 11. Ist die Bereitstellung zusätzlicher Kapazitäten auf Landdeponien für die Entsorgung der PCB-belasteten Sedimente erforderlich? Wenn ja, wann und wo sollen diese zusätzlichen Kapazitäten erschlossen werden? Welche Kosten entstehen durch die Bereitstellung zusätzlicher Kapazitäten auf Landdeponien? Auf Basis der derzeit vorliegenden Informationen ist noch nicht abzuschätzen, ob die Bereitstellung zusätzlicher Kapazitäten auf Landdeponien erforderlich werden wird. 12. Welche Folgen hat die zu erwartende PCB-Konzentration für die Flora und Fauna im Einzugsbereich der Hamburger Elbe? Siehe Vorbemerkung. 13. Wie bereiten sich die zuständigen Behörden mit welchen Maßnahmen seit Kenntnis des Vorfalls vor? Siehe Vorbemerkung. Drucksache 21/6041 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 14. Wann hat sich die zuständige Behörde an welches Bundesministerium gewandt, um Unterstützung von und um Klärung mit der tschechischen Seite herbeizuführen? Mit Schreiben vom 20. Januar 2016 haben sich die Präsides der BUE sowie der BWVI an die Bundesumweltministerin, den Bundeswirtschaftsminister und den Bundesverkehrsminister gewandt und auf das PCB-Schadereignis in der Elbe und die möglichen Folgen für Umwelt und Wirtschaft hingewiesen sowie um Klärung des Sachverhaltes und Unterstützung bei der Eindämmung gebeten. a. Wie ist dazu der aktuelle Stand? Stellvertretend für den Bundeswirtschaftsminister und den Bundesverkehrsminister hat die Bundesumweltministerin über ihren parlamentarischen Staatssekretär mit Schreiben vom 29.02.2016 die formale Unterstützung bei der Ursachenermittlung und Eindämmung sowie zukünftigen Risikominderung zugesichert. In der Folge hat es mehrere Arbeitsgespräche zwischen der BUE und dem BMUB gegeben, bei denen die Hamburger Seite auf die Dringlichkeit der Situation aufmerksam gemacht und das Ministerium gebeten hat, gegenüber der Regierung der Tschechischen Republik auf sofortige Sanierung des Schadstoffs zu drängen. Hierzu hatte die Hamburger Seite auch finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt. Aktuell befindet sich das Bundesministerium im Gespräch mit den tschechischen Dienststellen. b. Wurden haftungsrechtliche Fragen zwischen Hamburg beziehungsweise Deutschland und Tschechien geprüft beziehungsweise angesprochen ? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? c. Welche Folgen speziell bei der Haftung hat beziehungsweise kann die PCB-Belastung haben? d. Gibt es Regelungen für die Haftung bei grenzüberschreitenden Kontaminationen ? Wenn ja, welche? Fachliche und rechtliche Grundlage im Hinblick auf eine mögliche Haftung bildet die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden mit den entsprechenden nationalen Umsetzungen. In Deutschland handelt es sich um das Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz – USchadG). Eine derartige Prüfung wird derzeit durch das Bundesumweltministerium durchgeführt; ein Ergebnis hierzu liegt noch nicht vor. 15. Wie hoch werden die Kosten sein beziehungsweise mit welchen Mehrkosten rechnen die zuständigen Stellen, wenn durch die stärkere PCB- Belastung weniger Mengen an Schlick zur Tonne E3 in die Nordsee verbracht werden können als ursprünglich geplant? Mit welchen Mehrkosten wird dabei für die Verbringung der Sedimente auf die Landdeponien in 2016 gerechnet? 16. Hat die HPA für die zu erwartenden höheren Entsorgungskosten der belasteten Sedimente Rückstellungen gebildet beziehungsweise andere finanzielle Vorsorgemaßnahmen durchgeführt? Wenn ja, welche? Wenn nein, plant die HPA entsprechende Vorsorgemaßnahmen? Sofern sie keine Vorsorgemaßnahmen plant: warum nicht? Da sich die Mengen nicht vorhersagen lassen können, lassen sich auch gegebenenfalls anfallende Kosten beziehungsweise Mehrkosten derzeit nicht beziffern. Im Übrigen setzt die HPA als Vorsorgemaßnahme darauf, dass durch Sanierungsmaßnahmen vor Ort in Tschechien und im Elbeverlauf das Risiko einer erhöhten PCB- Belastung im Hamburger Baggergut soweit wie möglich reduziert wird. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.