BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6101 21. Wahlperiode 30.09.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 23.09.16 und Antwort des Senats Betr.: Windenergieanlagen (WEA) im Wasserschutzgebiet In Curslack wird bekanntlich 20 Prozent des Hamburger Trinkwassers gefördert . Gleichwohl wurde in Curslack die Errichtung von fünf WEA unter Ausschluss der Öffentlichkeit geplant und von der Stadt Hamburg genehmigt. Alle fünf WEA liegen offiziell in der weiteren Schutzzone (Zone III) des Wasserschutzgebietes Curslack/Altengamme. Der Bau hat bereits begonnen. Die Errichtung der Fundamente erfolgt offiziell am Rande der engeren Schutzzone (Zone II) des Wasserschutzgebietes und damit möglicherweise im Widerspruch zur Verordnung über das Wasserschutzgebiet Curslack/Altengamme vom 10. Juni 1997 (CursWasSchGebV HA). Denn gemäß § 5 Nummer 13 CursWasSchGebV HA ist in der Zone III „die Vornahme von Abgrabungen und Erdaufschlüssen, durch die Deckschichten wesentlich vermindert werden , insbesondere wenn zu besorgen ist, dass das Grundwasser ständig aufgedeckt und keine ausreichende und dauerhafte Sicherung zu seinem Schutz vorgenommen werden kann“, verboten. Trotzdem werden fünf tiefgründige Fundamente direkt am Fassungsgraben errichtet. Zum Bau der Fundamente muss das Grundwasser freigelegt und während der Bauphase der Grundwasserspiegel über 2 Meter abgesenkt werden. Direkt neben der Baugrube befindet sich der Erfassungsgraben. Darüber hinaus wurden die Grenzen der Zone II offensichtlich nicht einmal nach den Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete, Technische Regel, Arbeitsblatt W 101 (2006) des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), eingerichtet. Demnach soll vom Rand der engeren Schutzzone (Zone II) die Fließzeit zu den Brunnen mindestens 50 Tage betragen, um Trinkwasser vor bakteriellen Verunreinigungen zu schützen. Bei sehr ungünstigen Untergrundverhältnissen (zum Beispiel gespannter Grundwasserspiegel) soll die Grenze mindestens 100 m Abstand von der Wasserfassung haben. Die Verletzung der Deckschicht ist verboten, deshalb gelten Nutzungsbeschränkungen. Bei der Errichtung der Schutzzonen 1998 dürften aus Rücksicht auf die Belange der Landwirtschaft und des Gartenbaus in Curslack und Altengamme die 50 Tageregel bei der Zonenfestlegung vernachlässigt worden sein. Stattdessen ist die Zone II als Streifen circa 50 Meter parallel zur Zone I festgelegt worden. Die damalige Festlegung führt dazu, dass die WEA offiziell in der Zone III stehen, obwohl sie nach den Regeln des Arbeitsblatts W 101 sogar in Zone II gebaut werden, wo generell „die Errichtung und Erweiterung baulicher Anlagen“ gemäß (§ 4 Nummer 1 CursWasSchGebV HA) „verboten sind“. Die Fundamente werden einen Durchmesser von 21 Metern haben und als Flachgründung circa zwei Meter tief reichen. Da aber diese Flachgründung trotzdem nicht ausreichend ist, werden zusätzlich sogenannte Rüttelstopfsäulen tief in den Untergrund getrieben. Dabei besteht die Gefahr, dass der Drucksache 21/6101 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Untergrund und die wasserundurchlässigen Schichten erheblich zerstört werden Die Zerstörung der Bodenschichten kann dazu führen, dass Verschmutzung und bakterieller Eintrag ungehindert tief in den Boden dringen. Die Einführung der „50-Tage-Regel“ soll gerade das verhindern. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Wasserschutzgebietsausweisungen erfolgen in Hamburg grundsätzlich auf Basis naturwissenschaftlich abgesicherter Erkenntnisse und unter Beachtung des Arbeitsblattes W 101 „Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete“ der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfachs (DVGW). Dies betrifft auch die Festlegung der engeren Schutzzone (= Zone II). Für ihre Abgrenzung wird stets die sogenannte 50-Tages- Linie ermittelt. Diese generelle Vorgehensweise wurde auch bei der Ausweisung des Wasserschutzgebietes Curslack/Altengamme eingehalten. Der Vollzug der Wasserschutzgebietsverordnungen erfolgt in Hamburg rechtskonform. Gemäß § 52 Absatz 1 Satz 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sind Befreiungen von den Verboten, Nutzungsbeschränkungen und Duldungsverpflichtungen der Wasserschutzgebietsverordnungen zuzulassen, sofern der Schutzzweck nicht gefährdet wird oder überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern. Die zuständige Behörde ist verpflichtet, in Einzelfällen in pflichtgemäßer Ermessensausübung und damit unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darüber zu entscheiden, ob, in welchem Umfang und unter welchen Auflagen Abweichungen von den Regelungen einer Wasserschutzgebietsverordnung zugelassen werden können. Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie wird beim Bau der WEA in Curslack gesichert, dass keine Grundwasserverunreinigung im Wasserschutzgebiet stattfindet? Die angewendeten Tiefenverdichtungsverfahren weisen eine hohe Umweltverträglichkeit durch den Einbau natürlicher Füllmaterialen (zum Beispiel Kies) auf. Der Einsatz von druckluftbetriebenen Schleusenrüttlern ist vergleichbar mit der Anwendung von Vollverdrängungspfählen und stellt kein Risiko für die Grundwasserverträglichkeit dar. 2. Welche Sicherungsmaßnahmen werden getroffen, damit Wasser nicht in die Baugrube eindringt? Müssen gegebenenfalls Spundwände gesetzt werden? Um Wasserhaltungsmaßnahmen zu vermeiden, wurde eine Gründungssohle nahe der derzeitigen Geländeoberkante genehmigt. Die Baugrundverbesserung für die beantragte Flachgründung soll mittels Rüttelstopfsäulen durchgeführt werden. 3. Sind die im CursWasSchGebV HA getroffenen Regelungen zum Schutz des Wasserschutzgebietes ausreichend? Wenn ja, bitte begründen. Wenn nein, welche Maßnahmen zur Abhilfe sind wann geplant? Die Regelungen der Wasserschutzgebietsverordnung Curslack/Altengamme sind ausreichend . Durch ihren ordnungsgemäßen Vollzug ist sichergestellt, dass das im Wasserwerk Curslack gewonnene Trinkwasser jederzeit die strengen Kriterien der Trinkwasserverordnung einhalten kann. 4. Soll das CursWasSchGebV HA an die Regelungen des Arbeitsblatts W 101 angeglichen werden? Wenn ja, wie und wann? Wenn nein, warum nicht? Nein. Das Arbeitsblatt W101 stellt zwar eine anerkannte Handlungsempfehlung für die Ausweisung von Wasserschutzgebieten dar, sie ist jedoch nicht pauschalisiert anzuwenden . Im genannten Arbeitsblatt selbst wird erläuternd dazu ausgeführt, dass jedes Trinkwasserschutzgebiet individuell nach seinen geologischen und hydrologischen Gegebenheiten betrachtet werden muss und darauf angepasst entsprechende Nut- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6101 3 zungsbeschränkungen festzulegen sind. Dieses Prinzip wurde bei der Ausweisung des Wasserschutzgebietes Curslack/Altengamme beachtet.