BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6230 21. Wahlperiode 11.10.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 04.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Positionspapier der Schulleiter/-innen der Hamburger Stadtteilschulen – Was plant der Senat? In ihrem Positionspapier vom 17.06.2016 mahnen 51 Stadtteilschulleitungen eine gründliche Debatte über die Zukunft ihrer Schulform an und stellen fest: „Die Hamburger Stadtteilschulen zeigen jeden Tag, dass sie erfolgreich leistungsorientiert und talentfördernd arbeiten, dass gemeinsames Lernen gelingt. Die Hamburger Stadtteilschulen sind die Experten des gemeinsamen Lernens. Hierfür stehen wir mit unserem Leitbild. Wir Hamburger Stadtteilschulleiter blicken kritisch auf die aktuellen Vorschläge, die detailliert in die inhaltliche Arbeit unserer Schulen eingreifen. Die von Regierung und Opposition in den öffentlichen Raum gestellten Zuschreibungen an unsere Schulform entsprechen nicht dem Hamburger Leitbild für Stadtteilschulen, nach welchem wir im Auftrag unserer Stadt unsere Schulen seit sechs Jahren unter den gesetzten herausfordernden Rahmenbedingungen erfolgreich entwickeln . Diese Vorschläge entsprechen nicht unserem gelebten Ansatz von Bildung und Schule. Wir Schulleitungen der Hamburger Stadtteilschulen sagen deutlich: „Gemeinsames Lernen geht anders!““ Dabei problematisieren sie: „Heute blicken wir auf die Ergebnisse der Hamburger Bildungspolitik aus den letzten neun Jahren: Einem immer kleiner werdenden Teil der Hamburger Schülerinnen und Schüler, denjenigen, die sich selbst schon sehr anstrengen müssen, um ihre Bildungsnachteile aufholen zu können, werden die größten Herausforderungen unserer Zeit aufgebürdet . Diese 42 % der Hamburger Schülerinnen und Schüler sollen dafür sorgen, auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und nun auch den allergrößten Teil der neu nach Hamburg zugewanderten Schülerinnen und Schüler zu integrieren. Diese 42 % der Hamburger Schülerinnen und Schüler sollen mit ihren Eltern und Lehrern für den Zusammenhalt in unserem Tor zur Welt, unserer Stadt Hamburg sorgen. Das kann nicht gelingen!“ Bald ist es wieder so weit, dass die weiterführenden Schulen, Gymnasien wie Stadtteilschulen, ihre Türen öffnen, um interessierte Eltern mit ihren Kindern von ihren jeweiligen pädagogischen Vorzügen zu überzeugen, um dann erwartungsvoll der kommenden Anmelderunde Anfang Februar 2017 entgegensehen zu können. Insbesondere die Stadtteilschulen stehen unter enormem Druck, weil die Eltern ihre Sprösslinge zunehmend an den Gymnasien anmelden. Ich frage den Senat: Drucksache 21/6230 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Senat hat die Weiterentwicklung der Stadtteilschulen zum Schwerpunkt seiner Bildungspolitik gemacht und sich zum Ziel gesetzt, diese neue Schulform von Beginn an mit zahlreichen Maßnahmen zu unterstützen. Dazu gehören insbesondere die Verkleinerung der Klassengrößen, die Erhöhung der Vor- und Nachbereitungszeit für Lehrkräfte, die Entwicklung eines Rahmenkonzeptes für eine inklusive Schule, die Einführung der Ganztägigkeit an allen Schulen, der Aufbau von Oberstufen, umfangreiche Baumaßnahmen wie Zu- und Neubauten, die Berufs- und Studienorientierung in Zusammenarbeit mit den Beruflichen Schulen sowie der Jugendberufsagentur, das Projekt „23+ Starke Schulen“, die Begabtenförderung, Projekte im kulturellen Bereich wie das Kulturagentenprogramm, die Kulturschulen und The Young ClassX. Neben der Unterrichts- und Schulentwicklung kommt der Personalentwicklung eine besondere Bedeutung zu. So hat der Senat in mehreren Schritten die Personalsituation an den Stadtteilschulen erheblich verbessert. Inzwischen unterrichten 5.325 Lehrkräfte (Stand: 31.12.2015) in unterschiedlichen Lehrämtern an 58 Stadtteilschulen mit 52.838 Schülerinnen und Schülern1. Diese Maßnahmen des Senats haben bewirkt, dass sich der Umfang der den Stadtteilschulen zugewiesenen Lehrerstellen deutlich erhöht hat. Im Vergleich zum Schuljahr 2010/2011 zum aktuellen Schuljahr 2016/2017 hat sich der Lehrerstellenbedarf von 3.598 Stellen um 1.289 Stellen auf 4.887 Stellen erhöht. Die Relation des pädagogischen Personals pro 100 Schülerinnen und Schüler ist in diesem Zeitraum von 8,1 Stellen auf 9,4 Stellen gestiegen. Damit ist die Stadtteilschule die mit deutlichem Abstand am besten ausgestattete Schulform. Im Vergleich zu einem gleichgroßen Gymnasium hat eine Stadtteilschule rund 40 Prozent mehr Pädagoginnen/Pädagogen. Zwischen der zuständigen Behörde und den Schulen besteht eine gut etablierte Kommunikationsstruktur, in der die Schulen in vielfältigen Gesprächszusammenhängen bei ihrer Arbeit und in der Weiterentwicklung unterstützt werden. Die Regionale Schulaufsicht führt jährliche Statusgespräche durch, organisiert gemeinsame Bezirkskonferenzen für Angelegenheiten der Region und steht jeder Einzelschule als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Mehrmals jährlich finden schulformbezogene Schulleiterdienstversammlungen statt. Die Sitzungen werden mit den jeweiligen Sprechergruppen der Schulformen vor- und nachbereitet. Der Präses der zuständigen Behörde nimmt regelmäßig an den Schulleiterdienstbesprechungen teil und führt zusätzlich Gespräch mit den Sprechergruppen der Schulleitungen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Hat es nach der Veröffentlichung des oben zitierten Positionspapieres Gespräche zwischen zuständiger Behörde und den Stadtteilschulleitungen beziehungsweise ihren Sprechern/-innen gegeben? Wenn ja, wann, auf welcher Ebene (Senator, Staatsrat, Leiter Amt für Schule, Schulaufsichtsbeamte, Schulleiterdienstbesprechung) und mit welchen Ergebnisse fanden diese statt? (Bitte Art des Gesprächs, Beteiligte und Resultate chronologisch aufschlüsseln.) Bereits vor der Veröffentlichung des Positionspapieres hat es regelmäßige Gespräche zwischen der zuständigen Behörde und den Schulleiterinnen und Schulleitern der Stadtteilschulen auf verschiedenen Ebenen gegeben mit dem Ziel, die Schulen in ihrer Arbeit und ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen. Unter anderem besuchte der Präses der Behörde für Bildung am 22. April 2016 einen Workshop der 58 Stadtteilschulen in Jesteburg und sprach zum Thema „Dialog und Arbeitsprozess“. Ferner traf sich der Präses am 8. Juni 2016 mit der Sprechergruppe der Stadtteilschulen, um sich über den weiteren Arbeitsprozess auszutauschen. Dieser Dialog wurde auch nach dem Schulleiterbrief fortgesetzt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Anlage. 2. Welche Maßnahmen plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde im Einzelnen, um die Stellung der Stadtteilschulen innerhalb 1 Ohne Schülerinnen und Schüler, die an einer Stadtteilschule einen Grundschulzweig, Gymnasialzweig , eine Vorschulklasse (VSK) oder den doppelqualifizierenden Bildungsgang besuchen , Quelle: Schuljahreserhebung 2015. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6230 3 des Zwei-Säulen-Modells zu stärken und wann sollen diese umgesetzt werden? (Bitte jeweilige Maßnahmen beschreiben und Terminierung angeben.) Siehe Vorbemerkung und Drs. 20/11526 sowie Drs. 21/3760. Im Übrigen sind die Überlegungen der zuständigen Behörde noch nicht abgeschlossen. 3. Wie beurteilt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde zum Beispiel den Vorschlag, die Schullaufbahnempfehlung ganz aufzuheben und sie durch Lernentwicklungsgespräche zu ersetzen/ergänzen, die jeweils zum Halbjahr und zum Ende der dritten und vierten Klasse stattfinden ? (Bitte sachlich sowie fachlich Stellung nehmen.) 4. Wie beurteilt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde zum Beispiel den Vorschlag, den Stadtteilschulen wieder ein besonderes Anmeldeverfahren zu gestatten, nach dem sie über die jetzt geltenden Kriterien (Schulwegentfernung, Geschwisterregelung) hinaus nach einer bestimmten Quote bestimmte Schüler/-innen aufnehmen können? (Bitte sachlich sowie fachlich Stellung nehmen.) Die Überlegungen der zuständigen Behörde sind noch nicht abgeschlossen. 5. Wie beurteilt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde zum Beispiel den Vorschlag, ein in der BSB angesiedeltes Grundsatzreferat für Stadtteilschulen einzurichten – nach dem Vorbild des früheren Grundsatzreferates für Gesamtschulen? (Bitte sachlich sowie fachlich Stellung nehmen.) Der Vorschlag ist in der zuständigen Behörde entwickelt worden und mit Schulleitungen anschließend erörtert worden. Die Behörde bereitet die Einrichtung eines Grundsatzreferats vor, in dem es zukünftig für jede Schulform einen zuständigen Referenten /eine zuständige Referentin geben wird. 6. Ist der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde der Auffassung, dass die derzeitige Ausstattung der Stadtteilschulen mit personellen und materiellen Ressourcen sowie in räumlicher Hinsicht dem Leitbild der Stadtteilschulen vollumfänglich gerecht wird? (Bitte sachlich sowie fachlich Stellung nehmen.) 7. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde das derzeitig geltende Lehrer-/-innenarbeitszeitmodell, insbesondere an den Stadtteilschulen, vor dem Hintergrund der wachsenden Aufgaben durch die schulische Inklusion? (Bitte sachlich sowie fachlich Stellung nehmen .) a. Sieht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde hier womöglich einen Nachsteuerungs-/überarbeitungsbedarf? Wenn ja, in welcher Weise etwa? (Bitte Überlegungen in Möglichkeiten und Strategien erläutern.) Die zuständige Behörde hält das geltende Lehrerzeitmodell aufgrund seiner Flexibilität für gut geeignet, um auf verändernde Rahmenbedingungen zu reagieren. Jede zugewiesene Lehrerstelle enthält einen Anteil von 15 Prozent für Funktionsaufgaben. Das bedeutet, dass in einer Schule mit 100 Lehrkräften 15 dieser Lehrkräfte rechnerisch betrachtet komplett vom Unterricht befreit sind und sich ausschließlich mit allgemeinen Aufgaben der Schulverwaltung, -organisation und -entwicklung befassen könnten. Im Zusammenhang mit den Bedarfssteigerungen seit 2010 (siehe Vorbemerkung) haben so die Stadtteilschulen insgesamt 200 zusätzliche Stellen allein für solche Funktionszeiten erhalten. Mit diesen zusätzlichen Zuweisungen verfügen die Schulen über ausreichend Mittel, um neue Aufgaben bewältigen zu können. Drucksache 21/6230 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage Übersicht über die geführten Gespräche mit Stadtteilschulleitungen Termin Beteiligte Ergebnis/Thematik 08. April 2016 Abteilungsleitung Schulaufsicht, Sprechergruppe der Schulleiter, Vorbereitung des Workshops in Jesteburg 21./22. April 2016 Zweitägiger Workshop in Jesteburg: 1. Tag Schulleiterinnen und Schulleiter der 58 Stadtteilschulen, Abteilungsleitung Schulaufsicht 2. Tag: zusätzlich Präses und Amtsleitungen der zuständigen Behörde 1.Tag: Fachgruppen zu inhaltlichen Themen 2. Tag: Gespräch mit dem Präses der zuständigen Behörde zum Thema „ Dialog und Arbeitsprozess“ 11. Mai 2016 Abteilungsleitung Schulaufsicht, Sprechergruppe der Schulleiter Nachbereitung Jesteburg 08. Juni 2016 Präses der zuständigen Behörde, Amtsleitung , Abteilungsleitung Schulaufsicht, Sprechergruppe der Schulleiter Nachbereitung Jesteburg, Öffentlichkeitsarbeit , Klärung des bevorstehenden Arbeitsprozesses 17. Juni 2016 Schulleiterdienstbesprechung mit allen Schulleitungen der 58 Stadtteilschulen, Schulaufsicht Bericht der Sprechergruppe über das Gespräch mit dem Senator vom 08.06.2016, Klärung des weiteren Verfahrens nach den Sommerferien, 19. Juli 2016 Sprechergruppe der Schulleiter, Amtsleiter des Amtes für Bildung, Abteilungsleitungen Schulaufsicht, Geschäftsführer des HIBB, Vertreter/innen des Senatorenbüros Reaktionen auf die Veröffentlichung des Positionspapieres, Perspektiven zum weiteren Verfahren 08. September 2016 Präses der zuständigen Behörde und Behördenvertreter /innen (vgl. 19.07.2016) Sprechergruppe der Schulleiter Weitere Aussprache zum Positionspapier, Themenfindung für den beginnenden Arbeits - und Kommunikationsprozess 23.09.2016 Schulleiterdienstversammlung mit allen Schulleitungen der 58 Stadtteilschulen, Schulaufsicht Bericht der Sprechergruppe über die Gespräche in der zuständigen Behörde, Rahmenbedingungen für einen Arbeitsund Kommunikationsprozess, erste Themensammlung und Priorisierung Quelle: interne Datenauswertung der zuständigen Behörde, Stand: 07.10.2016