BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6240 21. Wahlperiode 11.10.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 04.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Bewertung des schulischen Arbeits- und Sozialverhaltens Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung veröffentlichte im November 2015 die Resultate unterschiedlicher Feldexperimente zur Chancenverteilung von Betrieben gegenüber potenziellen Auszubildenden im Rahmen von Bewerbungsverfahren. Eines dieser Experimente offenbarte die Bedeutung von Verhaltensbewertungen, welche über die rein fachlichen Benotungen hinausgehen. So wurden bei einem Notendurchschnitt von 3,0 und einer gleichzeitig positiven Verhaltensbewertung 74,7 Prozent der Bewerber von den Betrieben zu Erstgesprächen eingeladen. Bei der Kombination des gleichen Notendurchschnitts und einer negativen Verhaltensbewertung lag der Prozentsatz lediglich bei einem Wert von 24,1.1 Im Falle bundesländerübergreifender Bewerbungen sind Lehrlinge ohne eine Form schulischer Verhaltensbewertung somit einer nicht selbst verantworteten Benachteiligung ausgesetzt. In Hamburg wird das schulische Arbeits- und Sozialverhalten anhand von sechs Kriterien bewertet. Hierunter fallen Lernverhalten, Problemlösungskompetenzen und Kreativität oder auch Einschätzungen bezüglich des Verantwortungsbewusstseins . Die Durchführung jener Einzelbewertungen ist weniger detailliert formuliert. So heißt es beispielsweise in Artikel 20 Absatz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die integrierte Gesamtschule, betreffend der Jahrgangsstufen 5 bis 10: „Die Beurteilung ist frei zu formulieren. Die Zeugnisse können ferner frei formulierte Bemerkungen zu den Leistungen enthalten.“2 Durch die Nichtexistenz einer standardisierten Bewertungsskala, ob numerisch oder verbalisiert, erscheint eine anschließende Vergleichbarkeit erschwert bis schier nicht möglich. Niedersachsen sei hierbei als Gegenbei- 1 Kübler, Dorothea; Protsch, Paula; Schmid, Julia; Solga, Heike: Wie Betriebe Chancen verteilen – Feldexperimente zur Bedeutung von Fächernoten, Kopfnoten und Lücken im Lebenslauf bei der Auswahl von Auszubildenden, In: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (Hrsg.): WZ Brief Bildung, 32/November 2015. 2 Hamburg.de, Portal „Schulrecht“, unter: http://www.schulrechthamburg.de/jportal/portal/bs/18/page/sammlung.psml;jsessionid=762F A14A2B11CFA73353EFDBCC07EC30.jp11?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_pe id=Trefferliste&documentnumber=24&numberofresults=31&fromdoctodoc=yes&doc.id= aiz-jlr-GSchul5bis10APOHA2003rahmen%4020040101&doc.part=x&doc.price= 0.0&doc.aizid=jlrGSchul5bis10APOHA2003rahmen&doc.aizhl=#jlr- GSchul5bis10APOHA2003pP20 (abgerufen am 07.09.2016). Drucksache 21/6240 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 spiel zu nennen. Zwar hat die Lehrerschaft im Land Niedersachsen das Recht über die Vergabe solcher Bewertungen im Rahmen jährlicher Konferenzen abzustimmen, muss sich im Falle dessen jedoch an standardisierte Formulierungen halten. Die höchste beziehungsweise beste Stufe verlangt hierbei nach der Formulierung „verdient besondere Anerkennung“, die niedrigste oder auch schlechteste ist mit „entspricht nicht den Erwartungen“ zu bewerten.3 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Vorbemerkung des Fragestellers nimmt Bezug auf die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die integrierte Gesamtschule (APO-iGS). Diese Verordnung ist bereits zum 1. August 2011 außer Kraft getreten und wurde durch die Ausbildungsund Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums (APO-GrundStGy) ersetzt (siehe HmbGVBl. Nummer 28, 2011, § 44, http://www.luewu.de/gvbl/2011/28.pdf). Die erwähnten Vorgaben zur Formulierung einer Beurteilung des Arbeits- und Sozialverhaltens sind damit hinfällig. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt. 1. Inwieweit wird an den Hamburger allgemeinen Schulen das Lern- und Sozialverhalten erhoben? Bitte unter Nennung der betreffenden Rechtsgrundlagen aufschlüsseln nach Schulart, Jahrgangsstufe, bewertete Variablen und Art der Bewertung (Zensur oder Wortgutachten). 2. Erfolgt die Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens schulformspezifisch standardisiert und inwieweit können die Schulen (auch teilweise) autonom über Umfang und Art der Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens entscheiden? In den Jahrgangsstufen 1 bis 10 der allgemeinbildenden Schulen werden gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG) i.V.m. § 3 APO- GrundStGy sowie Ziffer 2.1 der jeweiligen Bildungspläne die überfachlichen Kompetenzen in den Bereichen Selbstkompetenzen, sozial-kommunikative Kompetenzen und lernmethodische Kompetenzen eingeschätzt. Gemäß § 3 Absatz 2 Satz 2 APO- GrundStGy richtet sich die Einschätzung im Zeugnis nach den Formvorgaben der zuständigen Behörde. Die Formvorgabe besteht darin, dass eine zusammenfassende Einschätzung jeweils der Selbstkompetenzen, der sozial-kommunikativen Kompetenzen und der lernmethodischen Kompetenzen in der entsprechenden Zeugnisrubrik erteilt wird. Die Ausprägung der jeweiligen Kompetenz wird nach fünf Stufen von „sehr schwach“ bis „sehr stark“ angegeben. Wie auch die Zeugnisnoten kann die Einschätzung der überfachlichen Kompetenzen durch Anmerkungen erläutert werden. Darüber hinaus steht es den Schulen frei, die Einschätzung zu allen 24 im Bildungsplan beschriebenen Einzelkompetenzen der drei Bereiche als Anhang zum Zeugnis zu erteilen. Über den Inhalt der Einschätzung entscheidet gemäß § 62 HmbSG i.V.m. § 3 Absatz 2 Satz 3 APO- GrundStGy die Zeugniskonferenz. Im Übrigen siehe Drs. 20/8168. In der gymnasialen Oberstufe kann nach Beschluss der Zeugniskonferenz oder auf Antrag der Schülerinnen und Schüler weiterhin eine Beurteilung des Arbeits- und Sozialverhaltens erfolgen, jedoch nur in Halbjahres- und Jahreszeugnissen, siehe §§ 15 und 16 Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife (APO-AH). Die Beurteilung ist frei zu formulieren und soll für den weiteren Schulbesuch hilfreich sein. 3 Niedersächsisches Vorschrifteninformationssystem: Zeugnisse in den allgemein bildenden Schulen, unter: http://www.nds-voris.de/jportal/;jsessionid= CA422409D1407169734CE48537088C9E.jp22?quelle=jlink&query=VVND-224100MK- 20160503-01-SF&psml=bsvorisprod.psml&max=true#ivz3 (abgerufen am 07.09.2016). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6240 3 Die zuständige Behörde erhebt die Einschätzungen in den Zeugnissen der Schülerinnen und Schüler nicht.