BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6289 21. Wahlperiode 18.10.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 10.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Amoklauf vereitelt – Was ist über den 15-Jährigen bekannt? Am vergangenen Mittwoch, 5. Oktober 2016, gelang einem 15-jährigen Jungen die Flucht aus der geschlossenen Psychiatrie des Kinderkrankenhauses Wilhelmstift. Der Junge, der Medienberichten zufolge gemäß Psychisch- Kranken-Gesetz (HmbPsychKG) in die geschlossene Abteilung des Wilhelmstifts eingewiesen wurde, nachdem er Personen mit einer Schusswaffe bedroht hatte, habe dort offensichtlich konkrete Amok-Fantasien entwickelt. Man habe nach seiner Flucht sogar einen Plan, wie er mehrere Menschen töten wollte, gefunden. Glücklicherweise konnte der Junge, der sich zwischenzeitlich mit einem Messer bewaffnet hatte, wenige Stunden nach seiner Flucht von der Polizei aufgegriffen und zurückgebracht werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie stellt sich der Sachverhalt im Einzelnen dar? 2. Wie konnte dem Jungen die Flucht gelingen? 3. Wo hat sich der Junge nach seiner Flucht das Messer besorgt? 4. Wo und wann wurde der Junge von der Polizei gefasst? Der Betroffene ist am 25. September 2016 auf eigenen Wunsch von der Polizei in das Katholische Kinderkrankenhaus Wilhelmstift gebracht worden. Nach Mitteilung des Katholischen Kinderkrankenhauses Wilhelmstift hat er gegenüber der Polizei, die ihm eine Schreckschusspistole abgenommen hat, sowohl Amok-Phantasien als auch den Wunsch zu einem Gespräch im Krankenhaus geäußert. Am 5. Oktober 2016 konnte der Patient die fakultativ geschlossen geführte Akutstation der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Katholischen Kinderkrankenhauses Wilhelmstift nach vorzeitiger Rückkehr von einem für die Dauer von drei Stunden genehmigten Ausgang in Begleitung seiner Mutter durch die noch nicht wieder verschlossene Stationstür verlassen. Der Junge führte am 5. Oktober 2016 um 18.48 Uhr beim Antreffen durch die Polizei in der Straße Redderblock in Hamburg-Rahlstedt auf einem Schulgelände kein Messer bei sich. Er hatte den verbogenen Metallhaken eines Plastikkleiderbügels bei sich. Zur Herkunft des Gegenstands liegen derzeit keine Erkenntnisse vor. Daten zur Behandlung und Unterbringung dürfen ohne Zustimmung der betroffenen Person nicht weitergegeben werden. Siehe auch Antwort zu 7. 5. Seit wann befand sich der Junge im Kinderkrankenhaus Wilhelmstift und wann wurde er von wem auf welcher rechtlichen Grundlage dorthin eingewiesen beziehungsweise untergebracht? Siehe Antworten zu 1. bis 4. und zu 7. Drucksache 21/6289 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 6. War der Junge vorher polizeibekannt? Falls ja, wegen welcher Delikte? Die Polizei hat gegen den Jungen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes des Jungen sieht der Senat von weitergehenden Angaben ab. 7. Welche sonstigen Informationen liegen den zuständigen Stellen über den Jungen vor? Wurde er zuvor bereits in psychiatrische Kliniken eingewiesen ? Falls ja, wann jeweils? Soweit der Betroffene Sozialleistungen bezogen haben sollte, handelte es sich bei den erfragten Informationen um Sozialdaten (§ 67 Absatz 1 S. 1 SGB X), die der Senat gemäß § 67 d Absatz 1 SGB X nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Übermittlungsbefugnis im SGB oder mit Einwilligung der Betroffenen weitergeben dürfte. Das SGB enthält keine Übermittlungsbefugnis zugunsten der Beantwortung Parlamentarischer Anfragen. Eine Einwilligung des Betroffenen zur Datenübermittlung liegt nicht vor. Der Senat ist daher aus Gründen des Sozialdatenschutzes nach § 35 SGB I, §§ 61 fortfolgende SGB VIII, §§ 67 fortfolgende SGB X gehindert mitzuteilen, ob Sozialleistungsdienststellen Informationen über den Jugendlichen vorliegen. Nach § 30 HmbPsychKG und § 11 HmbKHG dürfen Daten über Unterbringungen nach HmbPsychKG beziehungsweise BGB von der zuständigen Behörde nicht weitergegeben werden. Der zuständigen Behörde liegen keine Erkenntnisse über vor dem 25. September 2016 erfolgte Einweisungen des Betroffenen in psychiatrische Kliniken vor. 8. Wie hat sich die Anzahl der Plätze in geschlossenen Abteilungen Hamburger Krankenhäuser für Kinder und Jugendliche seit 2011 entwickelt und wie ist jährlich die durchschnittliche Belegung? Bitte pro Jahr darstellen . Die „Hamburger Krankenhäuser für Kinder und Jugendliche“ verfügen über keine geschlossenen Abteilungen im Sinne der Fragestellung. Die Fachabteilungen für Kinder - und Jugendpsychiatrie der Hamburger Krankenhäuser mit regionalem Pflichtversorgungsauftrag verfügen über besonders geschützte und im Bedarfsfall auch geschlossen zu führende Behandlungsbereiche. So werden im Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift Unterbringungen schwerpunktmäßig auf der psychiatrischen Intensivstation (mit bis zu zwölf Betten) vollzogen. Grundsätzlich könnten dort aber alle Stationen fakultativ geschlossen geführt werden. In der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Asklepios Klinikum Harburg kann eine der Stationen (mit neun Betten) fakultativ geschlossen geführt werden. Die Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf verfügt über eine geschlossene Station mit sieben Betten. Die Belegung beziehungsweise Auslastung der fakultativ geschlossen geführten Bereiche der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachabteilungen wird nicht gesondert erfasst. Die Anzahl und Auslastung der vollstationären Kapazitäten in den Fachabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Krankenhäuser mit regionalem Pflichtversorgungsauftrag hat sich seit dem Jahr 2011 wie folgt entwickelt: Belegung der Kinder- und Jugendpsychiatrien der Sektorkrankenhäuser 2011 bis 2015 Planbetten zum 31. Dezember des Jahres 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Asklepios Klinikum Harburg 27 27 27 27 27 39 Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift 46 46 46 46 46 61 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 42 52 52 52 52 64 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6289 3 Durchschnittliche Auslastung der Planbetten zum 31. Dezember des Jahres 2011 2012 2013 2014 2015 Asklepios Klinikum Harburg 94,5 96,5 96,6 97,0 96,9 Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift 91,1 90,2 89,6 90,5 89,0 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 94,5 90,9 114,8 128,6 123,4 Quelle: Krankenhäuser und Krankenhausträger, Krankenhausstatistik gemäß § 15 HmbKHG 9. Wie beurteilt die zuständige Behörde den Bedarf an geschlossenen Psychiatrieplätzen für Kinder und Jugendliche? Die Kapazitäten sind im Rahmen der Fortschreibung des Krankenhausplans mit dem Krankenhausplan 2020 zum Jahr 2016 bedarfsentsprechend angepasst worden. Die Kapazitäten in den Fachabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Krankenhäuser mit regionalem Pflichtversorgungsauftrag wurden um 39 Planbetten erhöht. Im Übrigen siehe Antwort zu 8.