BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6313 21. Wahlperiode 18.10.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann und Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 11.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Politik am Stadtteil vorbei: Kein Bebauungsplan, keine partizipatorische Beteiligung der Bewohner/-innen bei der Entwicklung des ehemaligen Schulgeländes am Schultzweg im RISE-Fördergebiet Münzviertel Das Münzviertel in unmittelbarer Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs nimmt seit etlichen Jahren viele wichtige soziale Aufgaben für die gesamte Stadt wahr. Das Beratungs- und Gesundheitszentrum in der Repsoldstraße (unter anderem mit dem Drob Inn) oder die Stadtmission Hamburg (unter anderem mit dem Herz As) sind nur einige wichtige gesamtstädtische Einrichtungen in diesem kleinen Viertel (vergleiche Drs. 19/8632). In den ehemaligen Hillgruber -Hochhäusern an der Spaldingstraße wurden im Rahmen des Winternotprogramms unter teilweise sehr schlechten Zuständen zig Hundert Obdachlose untergebracht. Die Stadtteilinitiative, der Quartiersbeirat Münzviertel und weitere aktive Bewohner/-innen haben sich immer wieder für gute Bedingungen in den Einrichtungen und der dort Betreuten engagiert. Privates ehrenamtliches Engagement, nicht nur im sozialen Bereich, sondern auch im künstlerisch-kulturellen Bereich sowie in der Stadtteilentwicklung zeichnet das Münzviertel aus. Das „Werkhaus Münzviertel – ein Modellprojekt zur Verschränkung von Pädagogik, Kunst und Quartiersarbeit“ in der ehemaligen Jugendwerkstatt Rosenallee, wie auch frühzeitige und sorgfältig ausgearbeitete Vorschläge zur Entwicklung des Schulgeländes der ehemaligen Schule für Hörgeschädigte am Schultzweg gehen auf dieses ehrenamtliche Engagement zurück. Im Jahr 2011 haben Bewohner/-innen des Münzviertels in Kooperation mit Studierenden und Lehrenden der HafenCity Universität städtebauliche Entwürfe für eine stadtteilbezogene Nutzung des ehemaligen Schulgeländes am Schultzweg gemacht. Dieses kostbare – und in vielen anderen Stadtteilen Hamburgs wünschenswerte – Engagement wird durch die Stadt immer wieder mit Füßen getreten. Die Planungen für das Schulgelände, wie auch der Verkauf der Flächen, widersprechen den Ideen und Vorschlägen des Stadtteils. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: A. Planungs-/Baurecht 1. Welche planungsrechtlichen Festlegungen beziehungsweise Vorgaben gibt es für den Bereich des Schulgeländes der ehemaligen Schule für Hörgeschädigte am Schultzweg zu a. Art und Maß der Nutzung, Drucksache 21/6313 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Fläche für besondere Zwecke (Schule), Teilbebauungsplan 254. Die festgesetzte Schulnutzung (ehemalige Schule für Gehörlose) wurde durch die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) abschließend aufgegeben und an anderer Stelle implementiert. Der Teilbebauungsplan 254 ist in Bezug auf die Art der Nutzung funktionslos geworden. Bauplanungsrechtlich wird eine Beurteilung nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB) unter Anwendung der Einfügungsklausel geprüft. Es besteht weder ein Erfordernis für die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans noch ein Anspruch (§ 1 Absatz 3, S.2 BauGB). b. Verkehrsflächen, Es werden öffentliche Straßenverkehrsflächen und neue Straßenverkehrsflächen an der Norderstraße festgesetzt (Teilbebauungsplan 254). c. Erschließung? Bitte jeweils die Grundlage angeben (zum Beispiel Teilbebauungsplan 254). Das geltende Planungsrecht (Teilbebauungsplan 254) trifft keine Festlegung zur Erschließung. 2. Laut Antwort auf unsere Anfrage Drs. 21/5273, Nummer 3., vom Juli 2016, ist noch zu entscheiden, ob ein Bebauungsplanverfahren für das Areal durchzuführen ist. a. Wie ist der aktuelle Sachstand? Siehe Antwort zu 1. a. b. Was wurde in dem Bauvorbescheidsverfahren beantragt? Zurzeit erfolgt die Prüfung im Vorbescheidsverfahren. Aus Datenschutzgründen werden keine Auskünfte aus laufenden Verfahren erteilt. 3. Ohne Bebauungsplanverfahren gelten andere Grundlagen für die rechtliche Beurteilung des Bauvorhabens. Da sich die Verwaltung bereits mit der Frage beschäftigen musste, wie ein Genehmigungsverfahren ohne Bebauungsplan aussieht, bitten wir um eine Antwort auf die nachfolgenden Fragen, auch für den Fall, dass es noch keine abschließende Entscheidung zu dem Bebauungsplanverfahren gibt. Ein Verweis auf hypothetische Fragen, die nicht beantwortet werden, greift hier aus unserer Sicht nicht. a. Nach welchen Kriterien wird die Zulässigkeit des beantragten Bauvorhabens entschieden, wenn kein Bebauungsplanverfahren eingeleitet wird? b. Welcher Bereich/welche Straßenzüge, welche Gebäude oder welche anderen Merkmale werden als „nähere Umgebung“ zur Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens herangezogen? c. Wie wird die „Eigenart“ der näheren Umgebung definiert? d. Welche Ausnahmen und Befreiungen von dem geltenden Planrecht sind erforderlich, wenn es kein Bebauungsplanverfahren gibt? Bei einer Beurteilung eines Vorhabens nach § 34 BauGB gibt es keine genau definierten gesetzlichen Regelungen zur Festlegung, wie weit die zu betrachtende Umgebung einzubeziehen ist und welche Straßenzüge und Gebäude zur Beurteilung herangezogen werden sollten. Dieses muss jeweils im Einzelfall betrachtet und festgelegt werden . Das Vorbescheidsverfahren läuft derzeit und damit auch die Prüfung dazu. Siehe im Übrigen Antworten zu 1. a. und 2. b. 4. In einem Bebauungsplanverfahren sind nach dem Baugesetzbuch verschiedene Stufen der Beteiligung der Bürger/-innen vorgesehen. In einem Bebauungsplanverfahren sind Alternativen zu einem Bebauungsplan zu prüfen und öffentliche und private Belange gegeneinander und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6313 3 untereinander gerecht abzuwägen. Ohne Bebauungsplanverfahren gibt es diese vorgeschriebene Beteiligung nicht. In unserer Anfrage vom Juli 2016 (Drs. 21/5273) wurde unter Nummer 4. dargestellt, dass es eine umfängliche Information und Beteiligung gegeben habe. a. Welche Alternativentwürfe aus dem Stadtteil wurden bei der umfänglichen Information und Beteiligung berücksichtigt beziehungsweise behandelt? Falls es keine Berücksichtigung der Alternativentwürfe gegeben hat: weshalb nicht? b. Welche Rolle werden die Alternativentwürfe aus dem Stadtteil bei der Abwägung spielen? Siehe Antworten zu 1. a. und 2. b. sowie zu 5. a. bis 5. c. B. Planungen des Investors, sozialer Wohnungsbau und das Grundstücksgeschäft 5. Die Planungen des Investors wurden mehrfach geändert. a. Wann erfolgte die letzte, im Sinne der Antwort Nummer 4. zu Drs. 21/5273 umfängliche Information über die Planungen des Investors? Im Zuge der laufenden Qualifizierungsverfahren (Wettbewerbs- und zuletzt Werkstattverfahren /Fassadenwettbewerb) wurde über die Ergebnisse im Quartiersbeirat Münzviertel zuletzt am 30. Juni 2016 informiert.  b. Welche Änderungen hat es seitdem an den Planungen gegeben (Art und Maß der Nutzung, Zugänglichkeit für das Quartier, Sozialwohnungen et cetera)? Keine. c. Wann werden die aktuellen Planungen im Münzviertel den Bürgern/- innen vorgestellt? Im Quartiersbeirat wird fortlaufend berichtet. 6. Wie viele Wohnungen sollen auf dem Gelände am Schultzweg entstehen ? 7. Wie hoch ist jeweils die Anzahl der a. Ein-,Zwei-, Drei-,x-Zimmerwohnungen und ihr jeweiliger Quadratmeteranteil an der gesamten neu entstehenden Wohnfläche, b. frei finanzierten Wohnungen und der Eigentumswohnungen, c. öffentlich geförderten Wohnungen und ihr Quadratmeteranteil an der gesamten neu entstehenden Wohnfläche, d. unter c. genannten öffentlich geförderten Wohnungen differenziert nach Förderwegen (1., 2. Förderweg, Studierendenwohnungen, Senioren-/-innenwohnungen, ...) sowie der jeweiligen Laufzeit der Mietpreis- oder Belegungsbindungen Richtwerte und ungefähre Mengenangaben sind dem Bezirklichen Wohnungsbauprogramm 2016 zu entnehmen, siehe http://www.hamburg.de/stadtplanung-mitte/ 7040056/wohnugsbauprogramm-2016-hamburg-mitte/, Seite 144. Im Übrigen sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. 8. Wie hoch ist aktuell die Zahl der Einwohner/-innen im Münzviertel? 1.300, bezogen auf die Grenzen des ehem. RISE-Fördergebiets, Stand: 31.12.2014, Quelle: Statistikamt Nord/Melderegister. 9. Wie viele Einwohner/-innen sollen durch die Bebauung am Schultzweg hinzukommen? Siehe Antwort zu 6. bis 7. d. Drucksache 21/6313 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 10. Welche Auflagen oder Maßgaben wurden mit dem Käufer des öffentlichen Grundstücks der ehemaligen Schule vereinbart? 11. Wie ist der aktuelle Sachstand zu der Realisierung der Auflagen/ Maßgaben? Der Senat sieht zur Wahrung seiner Verhandlungsposition und der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse seiner Vertragspartner in ständiger Praxis grundsätzlich davon ab, zu kaufvertraglichen Regelungen Stellung zu nehmen. 12. Was hat der Investor bisher unternommen, um die im Jahr 2014 vereinbarten 800 m2 BGF für ein soziokulturelles Zentrum zu realisieren? a. Welche Gespräche hat es mit dem Quartiersbeirat, Initiativen/ Vertreter/-innen des Stadtteils beziehungsweise der vorhandenen Nutzung oder anderen gegeben? Falls dem Senat dieses nicht bekannt ist: Wie kontrolliert er die Einhaltung der Auflagen/ Maßgaben des Kaufvertrages? Die bis zum 31. Mai 2015 durch einen entsprechenden Vereinbarungsentwurf zugesicherte Option wurde von dem Trägerverein „Kunstlabor naher Gegenden (KuNaGe) e.V.“ nicht unterzeichnet. Auch ein entsprechender Vereinbarungsentwurf vom 26. April 2016, Flächen für stadtteilbezogene Nutzungen („Tante Münze“ und Fahrradwerkstatt ) zur Verfügung zu stellen, wurde bisher nicht unterzeichnet. Im zuständigen Bezirksamt hat es zuletzt zwei Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Quartiersbeirates und Initiativen aus dem Münzviertel gegeben. Die Kontrolle und Einhaltung der Auflagen/Maßgaben der Kaufverträge obliegen dem Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen als Verkäufer und Verfasser der entsprechenden Kaufverträge.