BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6349 21. Wahlperiode 21.10.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 13.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Gefahren von Windkraftanlagen wegen zu geringer Abstandsflächen (III) Die Häufigkeit eines Brandes von Windkraftanlagen (WKA) ist in der Öffentlichkeit wenig präsent. Allerdings brannte allein in Deutschland in letzter Zeit durchschnittlich jeden Monat eine WKA1. Solche Brände können aufgrund der Höhe der WKA nicht gelöscht werden mangels ausreichend langer Leitern und entsprechenden Wasserdrucks. Auch bei einem kontrollierten Abbrennen entstehen Gefahren für die Umgebung durch Funkenflug und herabstürzende brennende Trümmer. Folgerichtig empfiehlt der Deutsche Feuerwehrverband unter Brandschutzgesichtspunkten mindestens 500 Meter Abstand von WKA zu hart gedeckten Wohnhäusern. In seiner Antwort auf meine Anfrage (Drs. 21/4445) räumt der Senat ein, dass bei entsprechenden Windgeschwindigkeiten dieser Sicherheitsabstand in Windrichtung auf bis zu 1.000 m erweitert werden kann. Angesichts der hohen durchschnittlichen Windintensität in der norddeutschen Tiefebene, die gerade der Grund für den Bau von WKA ist, sollte ein Sicherheitsabstand von 1.000 m die Regel sein. Insbesondere zugunsten von Reetdachhäusern wie in Neuengamme (Drs. 21/4137 und 21/4445). Bei dieser traditionellen Dacheindeckung ist das Brandrisiko um ein Vielfaches höher als bei Hartdächern, da sie leichter, bereits durch Funkenflug entflammbar sind, weshalb ein besonderer Schutzbedarf besteht. In Neuengamme steht das Denkmalschutzensemble der drei Reetdachhäuser vom Neuengammer Hauptdeich 66 und 60 zusammen mit fünf weiteren Häusern künftig 500 Meter entfernt in der Hauptwindrichtung Südwest-West- Nordwest zu WKA mit 150 Metern Höhe. Genau dieser Siedlungsbereich liegt im Brandfall aufgrund der vorherrschenden Windrichtung im sogenannten Trümmerschatten, also dem Bereich von mindestens 500 bis zu 1.000 Metern, in dem Teile der abbrennenden Anlage zu Boden fallen. Vorsorglich müssten mindestens 800 Meter, vernünftigerweise ein bundesweit einheitlicher Mindestabstand von 1.000 Metern berücksichtigt werden. 1 27.12 2015 Laar 14.01.2016 Uedem 04.04.2016 Oederquart 09.05.2016 Graes 09.06.2016 Martinshöhe 07.07.2016 Renkenberge 18.07.2016 Oldersbek 05.08.2016 Scholen 28.08.2016 Isselburg Drucksache 21/6349 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Senat ist hier dringend gefordert, dem Unterschied zwischen hart gedeckten Häusern und weich gedeckten brandgefährdeten Reetdachhäusern Rechnung zu tragen. Eine Möglichkeit bestünde, solche Anforderungen gemäß § 51 HBauO unverzüglich umzusetzen und zu berücksichtigen. In den verwiesenen Regelungen des Bauprüfdienstes 3/2008 ist unter Gliederungspunkt 6.6 zum Brandschutz nachzulesen, dass an WKA, die mit einer Höhe über 30 m Sonderbauten sind, besondere Anforderungen nach § 51 HBauO gestellt werden können, die jedoch zurzeit in Hamburg nicht bestehen . Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Sind die brandgefährdeten Reetdachhäuser in Neuengamme im Trümmerschatten der dort geplanten 150 Meter hohen WKA durch einen Abstand von 500 Metern ausreichend vor der Gefahr eines Brandübergriffs geschützt, obwohl der Senat selbst einräumt, dass ein Sicherheitsabstand gegebenenfalls auf bis zu 1.000 m erweitert werden muss? Wenn ja, bitte ausführen, insbesondere unter Berücksichtigung, dass diese Gefährdungslage nicht vergleichbar ist mit dem Brand von Nachbargebäuden mit einer Höhe zwischen 6 und 10 Metern. Wenn nein, wie soll der Gefahr Rechnung getragen werden, dass allein von Dezember 2015 bis September 2016 neunmal WKA in Deutschland in Brand gerieten2? Die brandschutztechnische Prüfung der zuständigen Fachbehörden hat für die im Rahmen der Genehmigung eingereichten Unterlagen zu den in Neuengamme errichteten Windkraftanlagen keine Bedenken hinsichtlich des Brandschutzes der Anlagen und dem Nachbarschaftsschutz ergeben, da die Brandschutzanforderungen des Bauprüfdienstes für Windkraftanlagen (BPD 3/2008) beachtet werden, die Anlagen mit Blitzschutzanlagen ausgestattet werden beziehungsweise sind und ein Feuerwehrplan gemäß DIN 14095 erstellt wird. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung in einem konkreten Fall entschieden, dass von einer 186 m hohen Windkraftanlage (Enercon E 101) in 492 m Entfernung unter Berücksichtigung des in den Nebenbestimmungen der Genehmigung aufgenommenen Brandschutzkonzepts keine über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefahr ausgeht (VGH Hessen, Beschl. V. 26.9.2013 – 9 B 1674/13 = juris, Rn. 24). In Neuengamme sind die Anlagen maximal 150 m hoch und der Mindestabstand zur Wohnbebauung beträgt hier mindestens 500 m. Im Übrigen siehe Drs. 21/4445. 2. Warum wird in Hamburg ungeachtet der allgemeinen bauordnungsrechtlichen Anforderungen kein hinreichender Unterschied zwischen dem Mindestabstand zum Brandschutz bei Hartdächern und brandgefährdeten Reetdächern gemacht? § 30 der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) enthält spezielle Regelungen zu Abständen von Gebäuden, deren Bedachungen die Anforderungen an eine harte Bedachung nicht erfüllen. 3. Warum wird dieser Unterschied nicht in § 51 HBauO festgeschrieben, wie es die Regelungen des Bauprüfdienstes 3/2008 nahelegen? § 51 HBauO beschränkt sich auf die inhaltliche Grundaussage, dass an Sonderbauten im Einzelfall besondere Anforderungen gestellt werden können. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. 2 Siehe Fußnote 1.