BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6434 21. Wahlperiode 01.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 24.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Verstaatlichung des Gymnasiums Lycée Français in Lokstedt? Am 7. Oktober 2016 gab die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) bekannt, dass sie beabsichtigt, das private Gymnasium Lycée Français (Lokstedt) aufzulösen und in ein staatliches, deutsch-französisches Gymnasium zu überführen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Freie und Hansestadt Hamburg beabsichtigt mit der Gründung eines deutschfranzösischen Gymnasiums einen starken Akzent für eine noch engere Zusammenarbeit von Deutschland und Frankreich im Bildungswesen zu setzen. Damit soll den Erwartungen der französischen Gemeinschaft in Hamburg sowie den Wünschen vieler deutscher oder deutsch-französischer Familien entsprochen werden. Zurzeit befinden sich die zuständigen Behörden mit Vertretern der französischen Regierung im Gespräch über die Realisierbarkeit eines solchen staatlichen Gymnasiums, das den Schülerinnen und Schülern die Teilnahme an einem bilingualen Bildungszweig und den Erwerb des deutschfranzösischen Abiturs gewährt. Vorbild sind die bestehenden sehr erfolgreichen deutsch-französischen Gymnasien in Saarbrücken, Freiburg und Bùc. Der französische Außenminister, Jean Marc Ayrault, hat im Namen der französischen Regierung, den Vorschlag außerordentlich begrüßt und zugestimmt, ab sofort in konkrete Verhandlungen und Planungen einzutreten. Im Übrigen siehe Drs. 21/6199. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Aus welchen Gründen beabsichtigt der Senat, das private Gymnasium Lycée Français aufzulösen? Es ist beabsichtigt das Gymnasium des Lycée Français in ein staatliches deutschfranzösisches Gymnasium zu überführen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Haben der Senat oder die zuständige Behörde bereits mit dem Träger des privaten Gymnasiums Lycée Français über diese Ideen gesprochen ? Wenn ja: Bitte die Termine und Gesprächsinhalte angeben. Wenn nein: warum nicht? Die zuständige Behörde hat den Vorsitz des Trägervereins erstmalig am 21. April 2016 über die Idee der Gründung eines deutsch-französischen Gymnasiums informiert . Hintergrund waren mehrere Gespräche der zuständigen Behörde mit dem Vorsitz des Trägervereins über die Zukunft des Lycée Français, die seit Oktober 2015 geführt wurden. Inhalte dieser Gespräche waren unter anderem die finanzielle Situation des Lycée Français, der Deutschunterricht auf Fremdsprachenniveau und die Entwicklung der Schulabschlüsse (französischer Abschluss Baccalauréat beziehungswei- Drucksache 21/6434 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 se doppelqualifizierender Abschluss AbiBac). Ein weiteres Erörterungsgespräch zur Gründung eines deutsch-französischen Gymnasiums in Hamburg gab es am 4. Oktober 2016, das den aktuellen Sachstand und die zukünftige Kommunikation zum Gegenstand hatte. Im Übrigen siehe Drs. 21/6199. 3. Wie viele Schüler werden am Gymnasium Lycée Français beschult? Bitte für die Schuljahre seit 2010/2011 einzeln angeben. Jahrgangsstufen Schuljahr 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17* 1-4 237 240 283 318 288 296 246 5-12 274 296 327 350 402 441 444 insgesamt 511 536 610 668 690 737 690 Quelle: Behörde für Schule und Berufsbildung, Schuljahresstatistik 2010 bis 2015 * für das Schuljahr 2016/2017: Auskunft des Lycée Français vom 25.10.2016 4. Wie viele Personen sind am Gymnasium Lycée Français beschäftigt? Bitte aufschlüsseln in Lehrkräfte und sonstige Mitarbeiter. Das Lycée Français (Kindergarten, Grundschule, Gymnasium) beschäftigt insgesamt 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 76 Lehrerinnen und Lehrer sowie 54 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 40 Lehrerinnen und Lehrer sind dem Gymnasium zugeordnet. 5. Was geschieht nach den bisherigen Planungen des Senats mit diesem Personal im Zuge der beabsichtigten Umstrukturierung? Siehe Drs. 21/6199. 6. Wie stellt sich die Finanzierung des Gymnasium Lycée Français dar? Bitte aufschlüsseln nach staatlichen Zuschüssen, Schulgeld, Spenden und gegebenenfalls weiteren Einnahmequellen und für die Jahre seit 2010 einzeln angeben. Jahr Finanzhilfe Schulgeld Spen-den Sonstiges* Summe Erträge (gerundet) 2010 1.982.261 € 639.466 € 2.206 € 1.058.899 € 3.680.000 € 2011 2.616.237 € 682.725 € 2.255 € 898.074 € 4.200.000 € 2012 2.762.227 € 740.268 € 5.992 € 924.082 € 4.430.000 € 2013 2.896.660 € 835.105 € 1.261 € 710.880 € 4.440.000 € 2014 3.223.061 € 892.680 € 10 € 710.434 € 4.830.000 € 2015 3.439.192 € Jahresabschluss 2015 liegt noch nicht vor 3.440.000 € 2016 3.641.806 € vorläufige Finanzhilfe gemäß Grundlagenbescheid 3.640.000 € Quelle: Behörde für Schule und Berufsbildung * Die sonstigen Beträge beinhalten einmalige Zuschüsse Dritter, Kurse, Schulfeste, Bücher und Hefte, Cafeteria und Nachmittagsbetreuung. Darin enthalten ist auch der Betrag, der regelhaft für die vom Dachverband französischer Auslandsschulen „Agence pour l’enseignement français à l’étranger“ (AEFE) abgeordneten Lehrkräfte aufgewendet wird. Diese Förderung betrug in den letzten Jahren jährlich rund 525.000 Euro. Im Übrigen siehe Drs. 21/6199. 7. Welche Kosten sind mit der beabsichtigten Umstrukturierung einmalig und künftig fortlaufend verbunden? Die Planungen der zuständigen Behörde sind noch nicht abgeschlossen. 8. Nach welchem pädagogischen Konzept soll die Zusammenführung des Gymnasium Lycée Français mit dem Schulstandort Struenseestraße erfolgen? Es ist beabsichtigt das Gymnasium Lycée Français als eigenständiges staatliches deutsch-französisches Gymnasium nach dem Vorbild der deutsch-französischen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6434 3 Gymnasien in Saarbrücken, Freiburg und Búc auf dem Gelände des Schulstandortes Struenseestraße zu errichten. 9. Welche Abschlüsse sollen an der neuen Schule erzielt werden können? Die Schülerinnen und Schüler sollen am deutsch-französischen Gymnasium den ersten allgemeinbilden Schulabschluss (ESA), den mittleren Schulabschluss (MSA), den ersten staatlichen französischen Abschluss „Brevet“ am Ende der Klassenstufe 9, die Fachhochschulreife (FHR) sowie das französische Abitur („Baccalauréat“) oder das deutsch-französische Abitur am Ende von Klassenstufe 12 erwerben können. 10. Welche Abschlüsse können derzeit am Gymnasium Lycée Français erzielt werden? Am Ende von Klassenstufe 9 absolvieren alle Schülerinnen und Schüler die Prüfung zum ersten staatlichen französischen Abschluss „Brevet“. Die Klassenstufe 12 wird entweder mit dem französischen Abitur („Baccalauréat“) oder dem „AbiBac“ (Baccalauréat und Abitur) abgeschlossen. 11. Welche Auswirkungen haben diese Planungen auf die Gymnasien Osterbek, Othmarschen und Süderelbe, die laut Senat bereits deutschfranzösisch bilinguale Zweige anbieten (Drs. 21/5523)? Die für Bildung zuständige Behörde ist mit den Schulleitungen der oben genannten Schulen im Gespräch. Im Übrigen sind die Überlegungen noch nicht abgeschlossen. 12. Wie sieht der vom Ersten Bürgermeister an Frankreich übermittelte Vorschlag konkret aus? Siehe Drs. 21/6199. 13. Wird ein diplomatisches Abkommen der Stadt Hamburg mit Frankreich beabsichtigt? Wenn ja: in welcher Form? Die Überlegungen der zuständigen Behörden in Hamburg und Frankreich sind noch nicht abgeschlossen. 14. Welche Position vertritt Frankreich – soweit zurzeit bekannt? Siehe Vorbemerkung. 15. Auf welcher rechtlichen Grundlage kann – grundsätzlich – eine Verstaatlichung einer privaten Schule in Hamburg erfolgen? 16. Wie oft ist das seit 2010 geschehen? Bitte die jeweilige Schule mit Begründung angeben. Die Freie und Hansestadt Hamburg kann in den Formen und Grenzen des privaten Rechtes eine Schule in privater Trägerschaft als einen eingerichteten Gewerbebetrieb erwerben und sodann in eine staatliche Schule umwandeln. Die wichtigsten Rechtsfolgen ergeben sich aus § 613 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dies ist zuletzt geschehen in Bezug auf die Nikolai Schule, die der ehemalige Träger, die Evangelische Stiftung Alsterdorf, mit allen Rechten und Pflichten und einvernehmlich mit der Elternschaft mit Wirkung ab dem 1.Februar 2011 auf die Freie und Hansestadt Hamburg übertragen hat. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat diese Schule übernommen , weil sie zur Versorgung des Stadtteils erforderlich war. 17. Auf welcher rechtlichen Grundlage kann – grundsätzlich – eine Privatisierung einer staatlichen Schule in Hamburg erfolgen? 18. Wie oft ist das seit 2010 geschehen? Bitte die jeweilige Schule mit Begründung angeben. Gemäß § 111 Absatz 2 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) sind staatliche Schulen nicht rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechtes. Solche können aus Rechtsgründen nicht privatisiert werden und dies ist bisher auch nicht geschehen. In Einzelfällen sind einige Gebäude ehemaliger staatlicher Schulen an private Schulträger veräußert oder vermietet worden.