BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6463 21. Wahlperiode 01.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Joachim Körner (AfD) vom 25.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Flüchtlingskinder in Hamburg – Wie ist die Situation im Oktober 2016? Nach Angaben der von Bundesinnenminister de Maizière am 6.1.2016 vorgelegten Asylstatistik sind im Jahr 2015 insgesamt 1,1 Millionen Menschen als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen.1 Aktuellen Daten zufolge wurde von den 61.598 Schutz suchenden Personen, die bis zum 31. Dezember 2015 nach Hamburg kamen, bislang insgesamt 22.299 Menschen der Aufenthalt in der Hansestadt gewährt, woraufhin eine Wohnsitznahme in städtischen Folgeunterbringungen erfolgte. Die Vergleichsdaten für das erste Halbjahr (bis 30. Juni 2016) betragen 10.985 beziehungsweise 6.879 Personen , woraus sich eine Gesamtzahl von 29.178 ergibt. Tatsächlich jedoch halten sich gegenwärtig insgesamt 47.741 Flüchtlinge in der Hansestadt auf, von denen allein 60 Prozent (28.804 Personen) aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und dem Irak stammen.2 Die Hilfsorganisation UNICEF geht davon aus, dass allein 2015 mehr als 300.000 Kinder nach Deutschland kamen. Ihr Anteil an den über das Mittelmeer kommenden Menschen lag im März 2016 bei 35 Prozent.3 Bei der Bewältigung der Belastungen, die sich im Zuge der Flüchtlingskrise für Deutschland ergeben, spielt daher auch die Frage eine Rolle, inwieweit die Kinder von Asylsuchenden nach ihrer Ankunft versorgt werden. Einer Studie des Deutschen Komitees für UNICEF zufolge erfahren Flüchtlingskinder gegenüber Einheimischen in verschiedenen Bereichen eine Benachteiligung .4 Dabei soll es sich um eine wachsende Ungleichheit handeln, die sich etwa in der medizinischen Versorgung und der Bildung manifestiert.5 Aber auch in Hinblick auf die psychologische Betreuung sollen zum Teil eklatante Mängel bestehen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE): 1. Wie hoch ist die Zahl von Flüchtlingskindern im Alter von bis einschließlich 17 Jahren in Hamburg zum 1. Oktober 2016? 1 „1,1 Millionen Flüchtlinge kamen 2015 nach Deutschland“. „Die Welt“ online vom 6.1.2016. 2 Confer http://www.hamburg.de/fluechtlinge-daten-fakten/. 3 UNICEF-Lagebricht. Zur Situation der Flüchtlingskinder in Deutschland. Seite 6. 4 Hierzu: In erster Linie Kinder. Flüchtlingskinder in Deutschland. Deutsches Komitee für UNICEF. Köln 2014. 5 UNICEF-Lagebricht. Zur Situation der Flüchtlingskinder in Deutschland. Seite 6. Drucksache 21/6463 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Zum 1. Oktober 2016 waren in Hamburg 12.347 Personen im Alter bis einschließlich 17 Jahren im Besitz eines aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erteilten Aufenthaltstitels nach den §§ 22 fortfolgende Aufenthaltsgesetz (Aufenth G), einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 Asylgesetz oder Inhaber einer Duldung nach § 60a AufenthG. 2. Wie viele von ihnen haben die Aussicht auf einen positiven Asylbescheid ? Wie viele von ihnen werden geduldet? Für die Bearbeitung von Asylanträgen ist ausschließlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig. Eine Einschätzung über die Aussicht auf Anerkennung als Schutzberechtigter fiele in den Zuständigkeitsbereich des BAMF, erfordert jedoch überdies die noch anzustellende Ermittlung und Feststellung des konkreten Sachverhalts der Asylbegehrenden und dessen jeweilige rechtliche Würdigung. Von der unter 1. genannten Personenanzahl waren 1.823 im Besitz einer Duldung. 3. Welchen Nationalitäten gehören diese Flüchtlingskinder an? Die Personen bis einschließlich 17 Jahren, die aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, über eine Aufenthaltsgestattung verfügen oder Inhaber einer Duldung sind, stammen aus den folgenden Herkunftsländern: Herkunftsland Zahl der Personen Afghanistan 4.047 Syrien 2.628 Irak 956 Russische Föderation 633 Serbien 468 Iran 375 Montenegro 303 Eritrea 243 Mazedonien 230 Kosovo 210 Quelle: Ausländerzentralregister (Stand: 30.09.2016) 4. Aufgenommene Flüchtlingskinder haben in Deutschland ab dem ersten Tag ihres Aufenthalts ein Recht auf Bildung. Deshalb hat der Senat zu Beginn des Jahres 2016 eine Beschulung in den Erstaufnahmeeinrichtungen organisiert. Wie viele Kinder profitieren gegenwärtig von dieser Maßnahme? a) In wie vielen Erstaufnahmestellen wird eine solche Beschulung momentan gewährleistet? b) Sind weitere Projekte geplant? Falls ja, wie viele? Falls nein, warum nicht? Siehe Drs. 21/6428. Bei Eröffnung neuer Erstaufnahmen werden regelhaft auch neue Lerngruppen eingerichtet. c) Welche Lehrinhalte werden neben der Deutschen Sprache vermittelt ? Siehe Drs. 21/5782. d) Welches Personal wird für den Unterricht eingesetzt? Siehe Drs. 21/1958. e) Wie hoch sind sich die Kosten, die für diese Maßnahme aufgewendet werden müssen? Siehe Drs. 21/5683. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6463 3 5. Eine Studie der Universität München zufolge leidet mehr als ein Drittel der Flüchtlingskinder unter den traumatischen Erfahrungen von Krieg und Gewalt.6 Im Universitätsklinikum Eppendorf besteht seit 1999 die „Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche“. Wie viele Flüchtlingskinder werden dort gegenwärtig betreut? Im 3. Quartal 2016 befanden sich 288 Kinder und Jugendliche in der Behandlung durch die Flüchtlingsambulanz des Medizinischen Versorgungszentrums der „Ambulanzzentrum des UKE GmbH“. a) Woher stammen die Patienten und wie lange sind sie bereits in Deutschland? Die Patientinnen und Patienten der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche stammen nach einer für das 3. Quartal 2015 vorgenommenen Auswertung weit überwiegend aus Afghanistan (circa 49 Prozent), Somalia (circa 19 Prozent), Ägypten (circa 10 Prozent), Guinea (circa 9 Prozent) und Syrien (circa 6 Prozent), daneben vereinzelt aus verschiedenen afrikanischen Staaten sowie aus Mazedonien und dem Iran. An dieser Verteilung haben sich keine wesentlichen Veränderungen ergeben. Eine Aussage zur Aufenthaltsdauer der Patientinnen und Patienten in Deutschland ist der Ambulanzzentrum des UKE GmbH nicht möglich, da diese Daten dort nicht erfasst werden. b) Wegen welcher Leiden werden die Kinder behandelt? Bei den in der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche gesehenen und behandelten Krankheitsbildern handelt es sich am häufigsten um Posttraumatische Belastungsstörungen (circa 46 Prozent), Anpassungsstörungen (circa 24 Prozent), depressive Störungen (circa 10 Prozent), daneben Dissoziative Störungen, Abhängigkeitserkrankungen und andere. c) Worin besteht das ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Versorgungsangebot? Das Versorgungsangebot der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche besteht in der Erstdiagnostik und daran anschließend in Abhängigkeit vom Einzelfall nach fachlicher Indikation in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie sowie in den Leistungen nach der „Sozialpsychiatrie-Vereinbarung“ (Anlage 11 zu den Bundesmantelverträgen ) mit dem dort beschriebenen interdisziplinären sozialpsychiatrischen Behandlungsangebot durch ein multiprofessionelles Team aus Fachärzten für Kinderund Jugendpsychiatrie, Ärzten, Psychologen, Pädagogen, Sozialpädagogen, Kunsttherapeuten und Musiktherapeuten. d) Gibt es eine stationäre Anbindung an die Klinik? Falls ja, wie sieht diese aus? Falls nein, warum nicht? Ja. Die Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche der „Ambulanzzentrum des UKE GmbH“ arbeitet eng mit der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie , -psychotherapie und -psychosomatik des UKE zusammen. Bei Bedarf einer stationären Aufnahme erhalten die Patientinnen und Patienten eine Einweisung und werden , bei Minderjährigen in Abstimmung mit den Personensorgeberechtigten, stationär in die Klinik aufgenommen. e) Wer trägt die für die Behandlung anfallenden Kosten und wie hoch fällt die hierfür veranschlagte Summe gegenwärtig aus? Nach der Hochrechnung für das Jahr 2016 werden für den Betrieb der Flüchtlingsambulanz Kosten (Personalkosten und Sachkosten) in Höhe von circa 798.000 Euro erwartet. 6 Pressemeldung der Technischen Universität München vom 1.September 2015. Abrufbar unter: https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/kurz/article/32590/. Drucksache 21/6463 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Patientinnen und Patienten der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche des Medizinischen Versorgungszentrums der Ambulanzzentrum des UKE GmbH sind in der Regel gesetzlich krankenversichert, insoweit werden die Behandlungen nach den Bestimmungen des Vertragsarztrechts gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg auf der Basis des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) und der „Sozialpsychiatrie-Vereinbarung“ abgerechnet. Daneben erhält die Flüchtlingsambulanz Zuwendungen der Stiftung Children For Tomorrow sowie Zuschüsse der zuständigen Behörde für die Teilfinanzierung der anfallenden Dolmetscherkosten. 6. Etwa 90 Prozent der Flüchtlingskinder sind gemeinsam mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen.7 Wie hoch liegt gegenwärtig der Anteil unbegleiteter, minderjähriger Flüchtlinge, die von Hamburger Jugendämtern betreut werden? a) Aus welchen Ländern stammen diese? Siehe Drs.21/6222. Eine Statistik, die eine prozentuale Gegenüberstellung begleiteter und unbegleiteter minderjähriger Ausländer beinhaltet, wird nicht geführt. b) Wie viele von ihnen sind bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ? Im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem der Staatsanwaltschaft MESTA wird nicht statistisch erfasst, ob es sich bei einer beschuldigten Person um einen minderjährigen unbegleiteten Flüchtling handelt. Es müssten zur Beantwortung dieser Frage unter anderem alle in der für die Verfolgung Jugendlicher und Heranwachsender zuständigen Abteilung monatlich neu erfassten Vorgänge händisch ausgewertet werden. Hierbei handelt es sich regelmäßig um mehr als 1.000 Verfahren monatlich. Hinzu kommt der Umstand, dass in weiteren Abteilungen Verfahren gegen Jugendliche bearbeitet werden, sofern die dem Verfahren jeweils zugrundeliegende Straftat in den Zuständigkeitsbereich einer staatsanwaltschaftlichen Spezialabteilung fällt. Angesichts der hohen Anzahl der Ermittlungsverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann die Frage in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht beantwortet werden. 7 UNICEF-Lagebricht. Zur Situation der Flüchtlingskinder in Deutschland. Seite 12.