BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/6475 21. Wahlperiode 01.11.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Grunwaldt (CDU) vom 26.10.16 und Antwort des Senats Betr.: Häusliche Gewalt an Männern – Auch in Hamburg ein Tabuthema? Von Gewalt in der Partnerschaft sind nicht nur Frauen betroffen, sondern auch Männer können in Beziehungen zwischen Mann und Frau oder Mann und Mann Opfer häuslicher Gewalt werden. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 1 Million Männer deutschlandweit regelmäßig Opfer häuslicher Gewalt werden. Dennoch ist das Thema der häuslichen Gewalt an Männern aus verschiedenen Gründen nach wie vor ein gesellschaftliches Tabuthema. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Angaben der im Auftrag der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) fachlich zuständigen Träger wie folgt: 1. Wie viele Fälle von häuslicher Gewalt, die sich gegen Männer richtet, sind dem Senat beziehungsweise den zuständigen Behörden in den vergangenen fünf Jahren bekannt geworden? Bitte nach Jahr auflisten. Wie und durch wen werden diese Fälle erfasst? Fälle der häuslichen Gewalt werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht gesondert ausgewiesen (http://www.hamburg.de/polizei/polizeiliche-kriminalstatistiknp /). Ersatzweise wird die Anzahl männlicher Opfer in der Kategorie Partnerschaften (Ehepartner, eingetragene Lebenspartnerschaft, Partner nicht ehelicher Lebensgemeinschaften , ehemalige Partnerschaften) in der nachstehenden Tabelle aufgeführt: Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 Gewaltkriminalität* 184 213 176 181 205 Vorsätzlich einfache Körperverletzung 574 613 552 646 575 Gesamt 758 826 728 827 780 * Gewaltkriminalität wird in der PKS durch den Summenschlüssel 892000 „Gewaltkriminalität“ dargestellt. Er umfasst folgende Deliktsbereiche: Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen, Vergewaltigung/sexuelle Nötigung, Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Körperverletzung mit Todesfolge, Gefährliche und schwere Körperverletzung , Erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme, Angriff auf den Luft- und Seeverkehr sowie ab 2014 auch Verstümmelung weiblicher Genitalien. Zu berücksichtigen ist, dass eine Person, die im Laufe eines Jahres mehrfach Opfer von Straftaten geworden ist, auch mehrfach erfasst wird. Die geförderten Beratungsstellen des Opferhilfesystems haben für die Jahre 2011 bis 2015 folgende Anzahl an Fällen von häuslicher Gewalt gegen Männer verzeichnet: Drucksache 21/6475 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Einrichtung 2011 2012 2013 2014 2015 S & S gemeinnützige Gesellschaft für Soziales mbH (pro-aktiv)* 55 k.A.** 56 147 - intervento – Proaktive Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt und Stalking* - - - - 48 LÂLE in der Interkulturellen Begegnungsstätte e.V. – interkulturelle Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt und Zwangsheirat 33 16 28 21 18 i.bera-verikom, interkulturelle Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt und Zwangsheirat 6 15 10 1 6 Opferhilfe Hamburg e.V. (Opferhilfe Beratungsstelle) 6 16 25 25 17 * Seit 2015 wird die Interventionsstelle unter neuer Trägerschaft von verikom e.V. betrieben. ** konnte aufgrund von Datenbankproblemen nicht erhoben werden 2. Gibt es in Hamburg Beratungsangebote speziell für Männer, die Opfer häuslicher Gewalt werden? Wenn ja, welche? Bitte jeweils nach Bezirk und Beratungsstelle/Träger auflisten. Wenn nein, warum nicht? Alle Beratungsangebote für Opfer von häuslicher Gewalt sind überregional und richten sich an Frauen und Männer gleichermaßen (siehe Drs. 20/10994 sowie unter http://www.hamburg.de/opferschutz/). a. Erhalten die Beratungsstellen/Träger finanzielle Mittel von der Freien und Hansestadt Hamburg? Wenn ja, in welcher Höhe? Bitte jeweils für die Jahre 2013 bis 2016 nach Beratungsstelle/Träger auflisten. In welcher Höhe, in welchem Einzelplan und in welcher Produktgruppe schlagen sich die Zuwendungen jeweils im Haushaltsplan-Entwurf 2017/2018 nieder? In den Jahren 2013 bis 2016 haben die betreffenden Beratungsstellen folgende Zuwendungen erhalten: Einrichtung Finanzielle Förderung (bewilligte Zuwendung) in Euro 2013 2014 2014/2015 2015 2016 2015/2016 S & S gemeinnützige Gesellschaft für Soziales mbH (proaktiv )* 336.589,74 270.777,70 - - - - intervento – Proaktive Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt und Stalking* - - - Siehe Drs. 21/6000 ***309.683,15 - LÂLE in der Interkulturellen Begegnungsstätte e.V. – interkulturelle Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt und Zwangsheirat** - - 286.893,01 - - ***392.280,15 i.bera-verikom, interkulturelle Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt und Zwangsheirat** - - 305.032,17 - - ***372.371,34 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/6475 3 Einrichtung Finanzielle Förderung (bewilligte Zuwendung) in Euro 2013 2014 2014/2015 2015 2016 2015/2016 Opferhilfe Beratungsstelle siehe Drs. 21/4625 * Seit 2015 wird die Interventionsstelle unter neuer Trägerschaft von verikom e.V. betrieben. ** Auf Antrag der Einrichtung wurden zweijährige Bewilligungen ausgesprochen. *** Hinzu kommen Beteiligungen an savîa, siehe Drs. 21/5359 Die Förderung der Beratungsstellen erfolgt über die Produktgruppe „255.03 Integration , Opferschutz, Zivilgesellschaft“ innerhalb des Einzelplans 4.0 der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Die im Haushaltsplan-Entwurf 2017/18 veranschlagten Zuwendungsmittel der Produktgruppe für diese und zahlreiche andere Förderungen sind dem Kontenbereich „Kosten für Transferleistungen“ zu entnehmen (2017: 11.634.000 Euro/2018: 11.605.000 Euro). Die produktgruppenbezogene doppische Haushaltsführung der Freien und Hansestadt Hamburg lässt keine weitergehende Differenzierung bei der Veranschlagung von Zuwendungsmitteln innerhalb der Produktgruppe zu. b. Wie viele Mitarbeiter/VZÄ sind im Rahmen der jeweiligen Beratungsangebote tätig? Bitte einzeln nach Beratungsstelle auflisten. c. Wie viele Kontakte im Rahmen der Opferberatung hatten die einzelnen Beratungsstellen in den vergangenen drei Jahren? Bitte nach Jahr und jeweiliger Beratungsstelle auflisten. Siehe Drs. 21/6017. 3. Gibt es in Hamburg Männerhäuser? Wenn ja, bitte nach Bezirk auflisten. Wenn nein, warum nicht? 4. Gibt es in Hamburg weitere Unterbringungsmöglichkeiten für Männer, die in akuten Notsituationen Zuflucht suchen? a. Wenn ja, welche? Bitte jeweils nach Bezirk auflisten. Wie oft wurde das Angebot in den Jahren 2013 bis 2016 in Anspruch genommen? Bitte jeweils nach Unterkunft und Jahr auflisten. b. Wenn nein, warum nicht? Sofern das akute Schutzbedürfnis den Verbleib in der eigenen Wohnung nicht zulässt, wird im Rahmen einer individuellen Gefährdungseinschätzung gemeinsam mit dem von häuslicher Gewalt betroffenen Mann in jedem Einzelfall eine anderweitige Unterbringungsmöglichkeit – gegebenenfalls auch in der öffentlichen Unterbringung – gesucht. Hauptakteure sind dabei insbesondere die Interventionsstelle intervento sowie die Polizei. Über die Anzahl entsprechender Maßnahmen erfolgt keine statistische Erfassung. Im Übrigen siehe Drs. 20/10994. 5. Bewirbt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Beratungsangebote zum Thema der häuslichen Gewalt an Männern? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Die geförderten Beratungsstellen sind gehalten, ihre Öffentlichkeitsarbeit so zu gestalten , dass ihr Angebot auch für die Zielgruppe gewaltbetroffener Männer sichtbar wird. Darüber hinaus wird der Internetauftritt der Opferschutzseite der BASFI (http://www.hamburg.de/opferschutz/) aktuell überarbeitet, damit sich gewaltbetroffene Männer künftig noch direkter angesprochen fühlen. Drucksache 21/6475 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Polizei informiert grundsätzlich alle Opfer von Straftaten unabhängig von deren Geschlecht über die ihnen zustehenden Rechte, Entschädigungsmöglichkeiten und Hilfeangebote. Die Broschüre der Polizei „Opferhilfeeinrichtungen und Beratungsstellen – Polizeilicher Wegweiser in das Hamburger Hilfenetz“ (http://www.hamburg.de/ polizei/kriminalpraevention/4544462/opferhilfeeinrichtungen-a/) macht durch Piktogramme ersichtlich, an welche Angebote sich männliche Betroffene wenden können. 6. Ergreift der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde Maßnahmen , um das Thema der häuslichen Gewalt an Männern zu enttabuisieren ? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Das Konzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Menschenhandel und Gewalt in der Pflege (Drs. 20/10994) bezieht auch die Gewaltbetroffenheit von Männern ein. Die jüngste Plakataktion sowie die Broschüre für Hauptamtliche und Ehrenamtliche in den Flüchtlingsunterkünften zur Bekanntmachung von savîa sprechen ausdrücklich auch männliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt an. Im Übrigen siehe Antwort zu 5.